23. März 2023
Die internationale Presseschau

Heute mit folgenden Kommentaren: neue Repressionen in Russland, der ehemalige britische Premierminister Johnson weist den Vorwurf der Lüge in der "Partygate-Affäre" zurück und Frankreichs Präsident Macron will an der Rentenreform trotz landesweiter Proteste festhalten. Doch zunächst geht es den dreitägigen Russlandbesuch des chinesischen Partei- und Staaschef Xi.

Der chinesisches Präsident Xi Jinping steht neben dem russischen Präsidenten Putin.
China und Russland haben ihre enge Patnerschaft bekräftigt. (imago / ITAR-TASS / IMAGO / Alexei Maishev)
Der niederländische VOLKSKRANT wertet das Treffen als Beleg für Russlands raschen Abstieg vom Status einer Supermacht. "Die Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin feierten in Moskau zwar die 'Freundschaft der starken Männer'. Doch dass es sich dabei nicht länger um ein Duett zwischen mehr oder weniger Gleichen handelt, dürfte niemandem entgangen sein - außer dem russischen Staatsfernsehen. Zum x-ten Mal bejubelten beide Präsidenten diese Woche das Entstehen einer 'multipolaren Weltordnung', womit sie das Ende der US-Dominanz meinen. Doch in Wirklichkeit kann Putin noch froh sein, wenn er als unberechenbarer revanchistischer Bursche weiter hinten mitfahren darf, während Xi am Steuer sitzt", kommentiert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN geht auf den chinesischen Plan für ein Ende des russischen Ukraine-Kriegs ein: "In den Erklärungen nahm Chinas Friedensplan viel Raum ein. Er enthält allerdings keinerlei konkrete Vorschläge und fordert auch keinen russischen Truppenrückzug, erwähnt nicht einmal die Rolle Russlands als Aggressor und spricht nicht von Krieg. Es ist wenig glaubhaft, dass Xi und Putin allzu viel Zeit auf Details des Plans verwendet haben." Das war AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN verweist darauf, das der Internationale Strafgerichtshof nach Putin per Haftbehl fahndet, wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. "Trotzdem hat Chinas Präsident Xi Jinping den russischen Präsidenten nach Peking eingeladen. Zwar ist China – genauso wie Russland – dem Statut des Internationalen Gerichtshofs nicht beigetreten, hat aber ein Abkommen ratifiziert, das Kriegsverbrechen verbietet. Xi Jinping machte in Moskau beide Augen zu. Das war ein äußerst unangemessener Auftritt des chinesischen Staatschefs", fasst ASAHI SHIMBUN aus Tokio zusammen.
Für die Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur ist klar: "China braucht Russland und wird es nicht zulassen, dass Putin verliert. Die stark gewachsene wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder dient dazu, dass Putin seine Macht verfestigt und möglichst lange im Krieg gegen die Ukraine durchhalten kann. Peking versucht damit zu verhindern, dass die westliche Allianz ihre Kräfte bündelt, um den Druck auf China zu erhöhen und die militärische Hilfe für Taiwan zu steigern."
Frankreichs Präsident Marcon hat gestern in einem Interview seine Rentenreform gegen Kritik verteidigt und betonte, dass er das Gesetz nicht zurücknehme. Der französische FIGARO hat von Macrons Fernsehauftritt nichts anderes erwartet: "Es war also interessant, die Stimmung des Präsidenten zu beobachten, als er sich gestern mit zwei Journalisten unterhielt. Wenig überraschend war, dass der Staatschef sich treu blieb. Er stand keinesfalls mit dem Rücken zur Wand, sondern fest mit den Füßen auf dem Boden. Zwar räumte Macron ein, dass es ihm nicht gelungen sei, die Menschen zu überzeugen, aber er bereut es auch nicht, da er angesichts der demografischen Entwicklung keine andere Wahl sieht, als das gesetzliche Renteneintrittsalter anzuheben. Unter diesen Umständen werden einige denken, dass Macron nichts Neues gesagt hat - was fast stimmt -, aber dass er es vielleicht anders hätte sagen können - was auch nicht ganz falsch ist. Mit mehr Einfühlungsvermögen und weniger Arroganz", findet LE FIGARO aus Paris.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER befürchtet in Frankreich einen Reformstau: "Macrons Regierung hat das Misstrauensvotum knapp überlebt, aber Tatsache ist, dass sie keine Mehrheit in der Nationalversammlung hat und sich dementsprechend verhalten sollte. Es lauern nun zwei Gefahren. Zum einen könnten die nächsten vier Jahre von Macrons zweiter Amtszeit eine unproduktive Qual mit ständigen Frontalzusammenstößen werden, begleitet von Streiks und Demonstrationen. Zum anderen hat der Präsident seinen Ruf als arroganter Kaiser eher bestätigt. Le Pen und die Linke dürften damit weiter zum Aufruhr gegen die Eliten blasen – und möglicherweise hat es Macron damit einem besonneneren Nachfolger schon jetzt schwergemacht", überlegt DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die polnische GAZETA WYBORCZA bemerkt, dass es im Zuge der landesweiten Proteste gegen die Rentenreform in Frankreich fast täglich zu Ausschreitungen zwischen Jugendlichen und der Polizei kommt: "So etwas hat es während der großen Demonstrationen und Streiks unter der Schirmherrschaft der Gewerkschaften nicht gegeben, weil die sich bemüht hatten, Unruhen mit Gewaltanwendung auf den Straßen zu verhindern. Die aktuellen Proteste werden hauptsächlich über geschlossene Gruppen in sozialen Medien organisiert – mit entsprechender Nachrichten-Verschlüsselung. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Polizei die Organisatoren ausspionierte und oft früher am Versammlungsort erschien als die mobilisierten Teilnehmer", notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Nun zum Auftritt des früheren britischen Premierministers Boris Johnson vor einem Parlamentsausschuss wegen der sogenannten "Partygate-Affäre". Johnson bestritt, dass er wissentlich die Unwahrheit gesagt habe, als während der Corona-Pandemie am Regierungssitz die Hygiene-Regeln gebrochen wurden. Dazu schreibt die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD: "Johnson könnte endlich jede Chance auf Rehabilitierung verspielt und möglicherweise seine politische Karriere beendet haben. Der frühere britische Premierminister verlor bei einer langwierigen Befragung eines Ausschusses des Unterhauses die Fassung und warf dessen Mitgliedern 'kompletten Nonsens' vor. Selbst wenn Johnson die härteste der möglichen Strafen überlebt, zeigen die Briten keine Sehnsucht nach einer Rückkehr zum alten Boris-Zirkus", ist sich der SYDNEY MORNING HERALD sicher.
Der britische TELEGRAPH vertritt diese Meinung: "Selbst wenn der Parlamentsausschuss gegen Johnson entscheidet, wäre es falsch, ihn politisch als verbrauchte Kraft abzuschreiben. Wie sein Auftritt bei der Anhörung zeigte, hat Johnson nichts von seinem Kampfgeist und seiner Fähigkeit verloren, Argumente zu finden, die seine politischen Gegner wütend machen und verwirren. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass Johnson, sollte er tatsächlich aus dem Parlament entfernt werden, in anderer Gestalt zurückkehren wird - vielleicht sogar als Anführer einer neuen Partei, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Wut und Enttäuschung zu kanalisieren, die viele Millionen Menschen gegenüber einem gescheiterten Establishment empfinden." mutmaßt THE TELEGRAPH aus London.
Zum Schluss ein anderes Thema. Im autoritär geführten Belarus sind zwei Journalistinnen zu jeweils zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Und in Moskau hat die russische Polizei Wohnungen mehrerer Bürgerrechtler der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation "Memorial" durchsucht. Auf beide Ereignisse geht die US-Zeitung WASHINGTON POST ein: "Memorial wurde zur wichtigsten Bürgerrechtsorganisation Russlands. Sie ist ein mächtiges Symbol für jenes Ideal, dass Untaten der Geschichte nicht vergessen werden, ebenso wenig die Lehren daraus. Memorials Beharrlichkeit war zu viel für Putin und seine Sicherheitsdienste, die nun jegliche freie Meinungsäußerung verboten haben. Unabhängig davon entfaltet sich dieselbe Entschlossenheit, freie Meinung zu unterdrücken, weiter im benachbarten Belarus, dessen Machthaber, Alexander Lukaschenko, Putins Verbündeter ist. All die Verhaftungen bedeuten Schwierigkeiten und Trauma für jene, die zu Unrecht ins Gefängnis geworfen wurden. Aber Razzien und Festnahmen können keine Idee unterdrücken - oder das Verlangen der Menschen danach, frei zu leben von den Despoten, die Russland und Belarus regieren."