Dienstag, 07. Mai 2024

27. März 2023
Die internationale Presseschau

Neben dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Honduras und Taiwan geht es um die Ankündigung Russlands, Atomwaffen auf belarussischem Gebiet stationieren zu wollen.

27.03.2023
Zu sehen ist ein russischer Iskander-Raketenträger.
Raketenträger des Typs Iskander sollen in Belarus stationiert werden - das ist auch Thema in der Internationalen Presseschau. (picture alliance / Igor Zarembo/Sputnik/dpa)
Die britische Zeitung THE INDEPENDENT hält das für einen Bluff des russischen Präsidenten Putin: "Angesichts der Größe des russischen Atomwaffenarsenals und der Reichweite der Trägersysteme, die dem Kreml zu Verfügung stehen, ist schwer vorstellbar, dass die Stationierung von zehn taktischen atomaren Kurzstreckenraketen in Belarus einen entscheidenden Einfluss auf den Krieg in der Ukraine hat. Nichtsdestotrotz soll damit die Gefahr einer Eskalation vermittelt werden. Auch wenn diese Drohgebärde mehr Substanz hat als frühere, sollte man nicht automatisch annehmen, dass die Lage dadurch gefährlicher wird. Deshalb hat das Pentagon mit einer Gleichgültigkeit reagiert, die fast schon gelangweilt wirkte“, notiert THE INDEPENDENT aus London.
DE TELEGRAAF aus den Niederlanden wertet die angekündigte Stationierung als einen Einschüchterungsversuch gegenüber der NATO: "Putin will erreichen, dass der Westen einknickt. Seit Beginn der Invasion in der Ukraine sind aus dem Kreml regelmäßig Drohungen zu hören. Reine Panikmache. Es scheint sich auch hier um Säbelrasseln im Hinblick auf eine bevorstehende ukrainische Offensive und westliche Waffenlieferungen zu handeln. Die NATO bezeichnet die nukleare Rhetorik als 'gefährlich und unverantwortlich', sieht aber keinen Grund, Maßnahmen zu ergreifen. Einen kühlen Kopf zu bewahren ist die einzig richtige Reaktion auf dieses Verhalten von Kriegspräsident Putin", unterstreicht DE TELEGRAAF, der in Amsterdam erscheint.
Die tschechische Zeitung LIDOVÉ NOVINY ist besorgt: "Es ist eine Rückkehr zum Verhalten in den schlimmsten Tagen des Kalten Krieges. Derzeit befinden wir uns in einer ähnlichen Situation. Schließlich hat die Sowjetunion, an die Putin anknüpft, damals nicht nur mit Atomwaffen gedroht, sondern auch Länder überfallen, die sie kontrollieren wollte." Das war LIDOVÉ NOVINY aus Prag.
"Handelt Russlands Präsident aus einer Position der Schwäche heraus?", fragt DER STANDARD aus Österreich und verneint: "Das Gegenteil ist der Fall: Vergangene Woche besuchte Chinas Staatschef Xi Jinping Putin in Moskau. In seinem Streben, Russland wieder zur Weltmacht zu führen, hat Putin gepunktet. Für den Westen ist jetzt wohl Umdenken angesagt. So schmerzlich es klingt: auch in Sachen Ukraine. Jahrelange Kämpfe dort wird der Westen nicht finanzieren können. Die Reise muss zunächst in Richtung Waffenstillstand gehen – und dann in Richtung Frieden. Und über den Weg dahin muss auch der Westen, der bezahlt, mitentscheiden dürfen. Bleibt zu hoffen, dass Chinas starker Mann Xi Jinping seinen alten, neuen Freund Wladimir Putin in Richtung Frieden drängt. Und umgekehrt müssen die USA und die EU auf die Ukraine einwirken. US-Außenminister Antony Blinken hat bereits reagiert: Vorsichtig formuliert, ließ er durchblicken, dass die USA die Rückeroberung sämtlicher annektierter Gebiete durch Kiew für nicht wahrscheinlich halten", hält DER STANDARD aus Wien fest.
Die dänische Zeitung POLITIKEN blickt auf das wirtschaftliche Kräftemessen zwischen China und den USA. "Chiphersteller erhalten inzwischen Subventionen, wenn sie ihre Produktion in den USA steigern. Das Ziel ist klar: Es geht Washington darum, die technologische Entwicklung Chinas zu bremsen. Mit weniger Wachstum und weniger Rüstungsausgaben sinken auch die Möglichkeiten Pekings, die USA in ihrer Großmachtrolle herauszufordern. Internationale Unternehmen sehen sich deshalb immer mehr gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden. Diese Entglobalisierung führt zu einer Fragmentierung der Weltwirtschaft – und sie führt dazu, dass Preise steigen, wenn Waren nicht mehr dort produziert werden, wo es am billigsten ist", vermerkt POLITIKEN aus Kopenhagen.
Honduras hat die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und damit Forderungen der Volksrepublik China erfüllt. Dazu schreibt die chinesische Staatszeitung HUANQIU SHIBAO: "Die aktuelle Regierung in Taiwan hat seit ihrer Machtübernahme 2016 bereits die diplomatischen Beziehungen zu neun Staaten verloren. Weltweit gibt es jetzt nur noch 13 Länder, die die Regierung in Taipeh anerkennen, die meisten davon in Lateinamerika. Auch sie werden irgendwann dem Beispiel Honduras folgen. Auch mit Hilfe Washingtons lässt sich diese Entwicklung nicht stoppen. Denn die Welt denkt und handelt pragmatisch. Sie will am Wachstum Chinas teilhaben und vom internationalen Einfluss Pekings profitieren", ist sich HUANQIU SHIBAO aus Peking sicher.
Die taiwanesische Zeitung LIANHE BAO blickt in einem Gastkommentar optimistisch auf die Zukunft des Inselstaats: "Taiwan ist wieder einmal Opfer des harten geopolitischen Kräftemessens zwischen Peking und Washington geworden. Trotzdem ist Taiwan international nicht isoliert. Selbst in Honduras sind Pro-Taipeh-Stimmen zu hören. So hat etwa die honduranische Opposition die Entscheidung stark kritisiert. Und in Südamerika bleibt Taiwan für Länder wie Argentinien, Brasilien und Chile weiterhin ein wichtiger Handelspartner. Angesichts der wachsenden Spannungen im internationalen Kontext muss Taiwan eine Strategie entwickeln, um sich mehr Spielraum auf der Weltbühne zu verschaffen. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen allen Kräften zu finden, ohne sich selbst zu verlieren", betont LIANHE BAO aus Taipeh.
"Die Kosten für Taiwan, seine verbliebenen diplomatischen Beziehungen zu halten, sind Jahr für Jahr gestiegen“, meint ein Gastkommentator in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Der Abbruch der Beziehungen zu Honduras ist nur einer der Fälle, in denen Taipeh gegen Peking verloren hat. Die Volksrepublik wird sicher auch an die restlichen dreizehn Staaten, mit denen Taiwan noch offizielle diplomatische Beziehungen hat, offensiv herantreten. Allerdings würde sich der Sonderstatus Taiwans in den internationalen Beziehungen auch dann nicht ändern, wenn der Inselstaat sämtliche verbliebenen diplomatischen Beziehungen verlöre", vermutet NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA kommentiert den heutigen großangelegten Warnstreik in Deutschland: "Der Streik richtet sich weitgehend gegen den Staat. Denn auf der Arbeitgeberseite des Verhandlungstisches sitzen hauptsächlich staatliche und kommunale Akteure. Grund für die Arbeitsniederlegungen sind vor allem die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten in Deutschland. Die Inflation liegt bei annähernd neun Prozent. Gleichzeitig verschuldet sich die deutsche Regierung aufgrund der erheblichen Verteidigungsausgaben im Zusammenhang mit der Unterstützung der Ukraine. Darüber hinaus erfordern die ehrgeizigen Pläne der Grünen für die Klimawende zusätzliche Mittel für neue Projekte. Somit ist einfach kein Geld mehr in der Staatskasse, um die gewohnte Lebensweise der Deutschen aufrechtzuerhalten". Das war die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Auch die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN befasst sich mit einem deutschen Thema, nämlich dem Zustand der Regierung unter Bundeskanzler Scholz: "Seine beiden Koalitionspartner befinden sich im Dauerkrach, und die SPD liegt weit unter dem Ergebnis der Wahl 2021. Es ist wohl noch zu früh, von einer Krise zu sprechen, aber parteiintern wird die Lage als schwierig empfunden. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Habeck, eine Frontfigur der Grünen, ärgert sich zunehmend, dass seine Partei ihre Herzensanliegen in der Regierung nicht durchsetzen kann. Die konservative Opposition stellt die Grünen gerne als Verbotspartei dar, die kein Verständnis für die kleinen Leute hat. Aber auch SPD und FDP verweigern den Grünen ihre Zustimmung. Vor allem aber verstärkt sich das Bild von einer Regierung, die in sich gespalten ist und nur zögerlich agiert“, findet AFTENPOSTEN aus Oslo, und damit endet die internationale Presseschau.