24. April 2023
Die internationale Presseschau

Es geht um die diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und Russland nach der gegenseitigen Ausweisung von Diplomaten und um ein Urteil in den USA zur Abtreibungspille Mifepriston.

Sudan, Khartum: Rauch steigt in der Nähe des Doha International Hospital auf.
Der Konflikt im Sudan ist auch heute Thema auf den Meinungsseiten vieler Zeitungen weltweit. (Uncredited / Maheen S / AP / dpa / Uncredited)
Zunächst blickt die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT aber auf den Konflikt im Sudan: "Während Ausländer inzwischen evakuiert werden, sind die Sudanesen in einem Machtkampf zwischen zwei skrupellosen Kriegsherren gefangen. Die internationale Gemeinschaft muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass der Sudan in einen Bürgerkrieg abgleitet. Dabei müssen regionale Organisationen wie die Afrikanische Union und die Arabische Liga die Führung übernehmen. Die Kämpfe im Sudan sind nicht nur eine humanitäre Katastrophe für die Sudanesen, sondern haben auch große Auswirkungen auf die Region. Der Sudan grenzt an sieben weitere afrikanische Staaten, darunter instabile Länder wie Libyen, die Zentralafrikanische Republik und Südsudan. Wenn die Kämpfe eskalieren, wird auch die Europäische Union die Folgen zu spüren bekommen, und zwar in Form einer zunehmenden Migration nach Europa", hält DE VOLKSKRANT aus Amsterdam fest.
Die türkische Zeitung YENI BIRLIK vermutet, dass auch die Interessen anderer Länder hinter dem Machtkampf zwischen Präsident al-Burhan und dessen Stellvertreter Daglo stecken: "Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind in der Region stets bemüht, die von ihnen kontrollierten Milizen gegen andere Länder wie den Iran, die Türkei und Ägypten einzusetzen. Als der sudanesische Ex-Herrscher Baschir für sie nicht mehr verlässlich schien, haben sie ihn durch General al-Burhan und die Milizen stürzen lassen. Danach taten Riad und Abu Dhabi so, als würden sie den Übergang von der Militärregierung zur Zivilregierung unterstützen. Dabei kocht jeder sein eigenes Süppchen im Land. Warum die großen Akteure, Russland und die USA, einen Bürgerkrieg zugelassen haben, ist hingegen nicht klar. Ein Krieg ist vor allem teuer. Warum werden die Konfliktparteien nicht dazu gezwungen, sich an einen Tisch zu setzen? Vielleicht wird die Interessenslage erst klar, wenn sich die Situation etwas beruhigt hat." Das war YENI BIRLIK aus Istanbul.
Der britische GUARDIAN beobachtet: "Die Tragödie, die sich im Sudan abspielt, ist die eines Landes, das gewagt hat, mehr zu fordern und nun dafür bestraft wird. Es reiht sich ein in die düstere Schar arabischer Staaten, die in den vergangenen zehn Jahren Diktatoren gestürzt haben - nur um dann zu erleben, wie die Hoffnungen auf Demokratie zunichte gemacht wurden. Die Ereignisse der letzten Woche begannen vor 20 Jahren in der westsudanesischen Region Darfur. Eine Rebellion gegen die Regierung wurde von einer Gruppe von Kämpfern und Plünderern brutal niedergeschlagen. Der damalige Präsident Bashir war nicht gewillt, seine wertvolle Armee in den Kampf zu schicken, und schürte stattdessen Stammes- und ethnische Differenzen. Bewaffnete Milizen gingen in die paramilitärische RSF-Miliz über und wurden unter dem Warlord Daglo mächtiger", erläutert THE GUARDIAN aus London.
Die panarabische Zeitung ASHARQ AL-AWSAT warnt: "Der Anblick von Flugzeugen, mit denen viele Staaten ihre Bürger aus dem Sudan evakuieren, deutet darauf hin, dass das Land auf furchtbare Tage zusteuert. Der Sudan ist ein multiethnisches Land, mit unterschiedlichen Zugehörigkeiten und Loyalitäten. Der Weg zum Bürgerkrieg ist kurz. Dieser könnte sich in der Region ausbreiten und Gruppen wie Al-Qaida und den sogenannten 'IS' anziehen. Darum braucht es einen Staat und eine politisch legitime Instanz, die verhindert, dass sich die Funken des sudanesischen Zusammenbruchs ausbreiten", betont ASHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London.
Beide Anführer der Kriegsparteien sollten ihre Macht abgeben, empfiehlt die WASHINGTON POST aus den USA: "Sie sollten ihr Ego überkommen, ihren Militärs Einhalt gebieten und eine sofortige Feuerpause einhalten. Dass beide so lässig über Leichen gehen und ihre offensichtliche Verachtung für den Wunsch nach Demokratie im sudanesischen Volk beweist, dass weder Daglo noch al-Burhan fürs Regieren geeignet sind."
Russland und Deutschland haben offenbar erneut gegenseitig Diplomaten ausgewiesen. Die chinesische JIEFANG RIBAO fragt sich, was das für die künftigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern bedeuten könnte: "Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise spiegelt der Vorfall eine weitere Verhärtung des deutsch-russischen Verhältnisses wider. Die einstigen Kooperationspartner sind heute geopolitische Gegenspieler. Deutschland nimmt aktuell Abschied von seiner versöhnlichen Ostpolitik. Doch angesichts der historischen Verflechtungen in Wirtschaft und Kultur will Berlin in der Realpolitik die Verbindungen zu Moskau wohl nicht ganz abreißen lassen. Allerdings: mit der Abschaffung der Energieabhängigkeit schwindet auch die Kooperationsgrundlage zwischen den beiden Ländern. Nach den gegenseitigen Ausweisungen von Diplomaten müssen sich sowohl die Deutschen als auch die Russen überlegen, wie sie die erhitzten Gemüter wieder abkühlen wollen", vermerkt JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
Für die russische Staatszeitung KOMMERSANT kam die Maßnahme unterwartet: "Obwohl es Ausweisungen von Diplomaten schon früher gab, wurden die Fälle normalerweise von einem hochkarätigen Ereignis ausgelöst. Nun soll der Hintergrund gewesen sein, dass Berlin eine grundsätzliche Reduzierung offizieller russischer Vertreter in Deutschland plant, darunter auch Geheimdienstmitarbeiter. Die aktuelle Episode der diplomatischen Krise zwischen den beiden Ländern könnte für die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland fatal sein. Russland und Deutschland schlittern immer weiter in die Feindseligkeit. Diplomatische Vertretungen haben sich bereits ausgedünnt. Möglicherweise gibt es bald niemanden mehr, der in den Botschaften und Konsulaten der beiden Länder arbeitet, wenn die gegenseitigen Ausweisungen im gleichen Tempo fortgesetzt werden", heißt es im KOMMERSANT aus Moskau.
In den USA bewirkt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, dass der Zugang zu einer gängigen Abtreibungspille vorerst weiter gewährleistet ist. Nach Ansicht des STANDARDS aus Österreich bringt das für die Betroffenen aber nur eine kurze Atempause. "Immerhin: Die Lage wird in den USA nicht gleich noch schlimmer. Das US-Höchstgericht hat dem Wahnsinn eines Bundesrichters aus Texas Einhalt geboten und die Zulassung der Abtreibungspille Mifepriston – zumindest vorerst – aufrechterhalten. Die Entscheidung des Supreme Court verschafft nur eine kurze Erleichterung, der Rechtsstreit um die Zulassung geht weiter. Ungewollt Schwangere müssen also weiterhin in Angst leben, eine riskantere und weniger zuverlässige Methode nutzen zu müssen. Denn man weiß aus anderen zahlreichen Studien: Verbote verhindern Schwangerschaftsabbrüche nicht. Sie machen sie nur gefährlicher", unterstreicht der DER STANDARD aus Wien.
Der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz überlegt, ob sich mit dem Urteil bei den wichtigsten US-Richterinnen und Richtern – Zitat „der gesunde Menschenverstand“ durchgesetzt habe… "Oder politischer Pragmatismus. Das letzte große Urteil des Supreme Court in der Debatte war ein schwerer Fehler, begleitet von Applaus aus sehr rechten und weltweitem Entsetzen in linken Kreisen. Vor knapp einem Jahr hatte das zu großen Teilen stramm konservativ besetzte Gremium die landesweite Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen revidiert, eine historische Rolle rückwärts. Der Streit um das Ende von ungewollten oder gefährlichen Schwangerschaften ist längst ein Teil des Kulturkampfes, der die Staaten spaltet. Aber das Ende einer einheitlichen Abtreibungsregelung ging selbst vielen republikanischen Wählern und nicht zuletzt Wählerinnen zu weit. Das bekamen die Republikaner bei den Zwischenwahlen im Herbst 2022 dann zu spüren. 2024 wird in den USA wieder gewählt, das weiß auch der Oberste Gerichtshof", bemerkt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich, und damit endet die Internationale Presseschau.