19. Mai 2023
Die internationale Presseschau

Gleich mehrere Gipfeltreffen beschäftigen zum Wochenende die internationale Öffentlichkeit. Wir werfen zunächst ein Schlaglicht darauf, bevor es um die Türkei-Wahlen und den Umgang mit künstlicher Intelligenz geht.

Der chinesische Präsident Xi-Jinping sitzt während des China-Zentralasien-Gipfels an einem Tisch hinter einem Mikrofon. Auf dem Tisch steht eine chinesische Flagge.
Der chinesische Präsident Xi-Jinping auf dem China-Zentralasien-Gipfel. (AFP / FLORENCE LO)
Chinas Staatschef Xi empfängt in Xian seine Kollegen aus Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zum ersten China-Zentralasien-Treffen seit Aufnahme offizieller Beziehungen nach der Auflösung der Sowjetunion. In Hiroshima findet der G7-Gipfel statt - in Riad die Zusammenkunft der Arabischen Liga - erstmals wieder mit Syriens Diktator Assad. Die chinesischen Staatsmedien loben das Treffen in Xian als Meilenstein des Multilateralismus. In der CHINA DAILY ist zu lesen: "Die Kooperation in der Region zu verstärken, zielt nicht auf die Bildung einer neuen Abspaltung. Die Absicht folgt aus der gemeinsamen Erkenntnis der sechs Länder, dass Entwicklung nur durch stärkere wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit möglich ist. Zweifellos werden die USA und ihre Verbündeten versuchen, dies in ein anderes Licht zu rücken. Für sie sind die zentralasiatischen Staaten nur Spielfiguren in ihren Partien gegen China und Russland, bei denen die Gewinne und Verluste am Ende für alle gleich null sind. Der Gipfel in Xian zeigt, dass Zentralasien die ihm zugewiesene Rolle nicht gewillt zu spielen ist", konstatiert die CHINA DAILY aus Peking.
Auch die GLOBAL TIMES - ebenfalls aus Peking - betont: "Kooperation statt Konfrontation - das ist das Ziel. Der China-Zentralasien-Gipfel ist ein konkretes Beispiel für echten Multilateralismus. Der G7-Gipfel im japanischen Hiroshima stellt einen unmittelbaren Kontrast dar. Er definiert Pseudo-Multilateralismus. Die G7 sind eine exklusive und geschlossene Clique, die geopolitische Gegensätze und Konfrontationen provoziert. Sie heizen nicht nur den Russland-Ukraine-Konflikt weiter an, sondern haben auch China im Visier. Sie wollen Gruppen bilden, um andere Länder stärker einzudämmen", kritisiert die chinesische GLOBAL TIMES.
Die ASAHI SHIMBUN aus Tokio merkt an: "China will in Xian dem G7-Gipfel etwas entgegensetzen. Xi Jinping startete in seine dritte Amtszeit mit diplomatischen Offensiven in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Die fünf Zentralasien-Staaten aber befinden sich in einer schwierigen Position. Sie votierten zwar nicht für eine Verurteilung des russischen Invasionskriegs in der Ukraine durch die UNO. Doch sie sind damit unzufrieden. Ihr Misstrauen gegenüber Moskau wächst. Da sie aus geographischen Gründen nicht auf große Unterstützung der USA oder Europas hoffen können, ist eine sofortige Distanzierung von Russland nicht möglich. Das wiederum erlaubt China, seine Präsenz in der Region zu steigern", befürchtet die japanische ASAHI SHIMBUN.
Die taiwanesische LIANHE BAO aus Taipeh fragt: "Wer wird wohl das Leben der Menschen von morgen mehr beeinflussen? Hiroshima und Xian demonstrieren auf besorgniserregende Weise die zweigeteilte Welt. Es ist längst nicht ausgemacht, wer das Spiel des Kräftemessens gewinnt."
Schlagen wir nun die NEW YORK TIMES auf. Sie gibt der Japan-Expertin Jennifer Lind Raum für einen Gastkommentar. "Pekings wachsender Einfluss in der Welt bedroht japanisches Territorium und eine internationale Ordnung, die auf Demokratie, freien Handel und Achtung der Menschenrechte beruht. Japan ist Dreh- und Angelpunkt des wichtigsten geopolitischen Wettbewerbs von heute - Chinas Streben nach regionaler Vorherrschaft in Ostasien. Das Thema wird bei den G7 ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Für eine erfolgreiche Bewältigung der chinesischen Herausforderung ist es entscheidend, dass Japan und seine Verbündeten aus dem Abseits heraustreten." So weit die NEW YORK TIMES.
In Riad kommt die Arabische Liga zusammen - erstmals seit Ausbruch des Syrienkriegs vor mehr als zehn Jahren soll auch Diktator Assad wieder teilnehmen. Die australische Ausgabe des britischen GUARDIAN druckt dazu einen Gastkommentar der syrischen Aktivistin Wafa Mustafa: "Mit der Wiedereingliederung des Assad-Regimes werden dessen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ignoriert. Die Normalisierung ist ein Verrat an allen Syrern, die Opfer seiner Gräueltaten wurden. Von ihr geht die Botschaft aus, Kriegsverbrecher müssen keine Konsequenzen tragen. Hier wird versucht, die Geschichte umzuschreiben und das Leid von Millionen Menschen unter Assad auszulöschen."
Die chinesische JIEFANG RIBAO aus Shanghai lobt die Entspannungspolitik: "Die Teilnahme Assads symbolisiert nicht nur das Ende des 'Arabischen Frühlings', sie ist auch Ausdruck dafür, dass die arabische Welt nun, statt Ressourcen für geopolitische Kämpfe zu verschwenden, auf regionale Solidarität und Zusammenarbeit setzen will. Nur wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand können langfristig Frieden garantieren."
Warum wählen so viele Auslandstürken Staatschef Erdoğan. Das fragen sich auch Medien in der Türkei - wie etwa die EVRENSEL aus Istanbul: "Vor allem jene in Europa wählen hauptsächlich Erdoğan und seine AKP. Das ist weder neu noch überraschend. Bei der Stichwahl am 28. Mai wird sich daran wenig ändern. In den Ländern der Auslandstürken wird nun wieder diskutiert, ob sie gut integriert sind. Man sollte darüber nicht urteilen, ohne die Gründe zu verstehen. Dazu gehört, dass sie in den Ländern, in denen sie leben, diskriminiert werden und sich nicht zugehörig fühlen. Wegen der Anfeindungen verschließen sie sich den Gesellschaften. Aber die Auslandstürken müssen sich mehr für ihre Rechte einsetzen, um wahrgenommen zu werden. Das wäre ein Ansatz dafür, an ihrer Lage etwas zu ändern", argumentiert EVRENSEL aus Istanbul und schickt hinterher: "Allerdings sollte erwähnt werden, dass die Auslandstürken auch in der Türkei etwa als 'Deutschländer' herabgesetzt werden."
CUMHURIYET aus Istanbul schreibt: "Damit der Kandidat der Opposition, Kemal Kılıçdaroğlu, sich gegen Erdoğans Ein-Mann-Regime behaupten kann, muss er die acht Millionen Nichtwähler auf seine Seite ziehen. Es ist nicht klar, ob die Anhänger des in der ersten Runde ausgeschiedenen Nationalisten Sinan Oğan Kılıçdaroğlu ihre Stimme geben werden. Allerdings wird Oğan auch Erdoğan nicht unterstützen. Da die Opposition bei einem Wahlsieg alle Flüchtlinge abschieben will, dürfte es einfacher sein, dass sie sich mit Oğan einigt. Trotzdem viel wichtiger für die Opposition sind die Nichtwähler", unterstreicht CUMHURIYET.
Wir wechseln das Thema. Die MANILA TIMES blickt zurück auf eine Anhörung zur KI im US-Senat. "Kein geringerer als Sam Altman, Chef des Unternehmens OpenAI, das ChatGPT entwickelt hat, räumte in Washington die Risiken künstlicher Intelligenz-Systeme ein, die immer schlauer werden. Zuvor hatte Senator Richard Blumenthal eine aufgezeichnete Rede abgespielt, gehalten von einer Person, die klang wie er, aber ein Stimmenklon von ChatGPT gewesen ist. KI wird bereits in der Realität für ruchlose Zwecke eingesetzt. Ein deutsches Boulevardblatt entließ seine Chefredakteurin wegen eines mit Hilfe von KI-generierten Zitaten gefälschten Interviews mit Formel-1-Legende Michael Schumacher. Altman schlug eine Organisation nach Vorbild der Internationalen Atomenergiebehörde vor, die leistungsfähige KI-Systeme lizenzieren und die Lizenzen gegebenfalls auch wieder entziehen kann. Altman läutete die Alarmglocken. Es wäre tragisch, stießen sie auf taube Ohren", warnt die MANILA TIMES von den Philippinen.
Abschließend noch ein Blick auf die Causa Graichen in Deutschland. Die polnische RZECZPOSPOLITA hält fest: "Die Grünen standen an der Seite ihres Ministers Habeck, der beschloss, alle Forderungen nach Rücktritt des Staatssekretärs zu ignorieren. So wurde das Feuer angefacht. Die Grünen haben sich immer als letzte moralische Instanz in ethischen Fragen inszeniert, was sich nun als krasser Widerspruch zu ihrer Regierungspraxis herausstellt. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung verhält es sich bei ihnen nun wie bei der Kirche: Während sie moralische Reinheit predigte, musste sie sich plötzlich mit Pädophilie-Skandalen auseinandersetzen", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.