Donnerstag, 25. April 2024

20. Mai 2023
Die internationale Presseschau

Viele Zeitungen kommentieren das Treffen der Arabischen Liga in Dschiddah, das im Zeichen der Rückkehr Syriens stand, und den G7-Gipfel in Hiroshima.

20.05.2023
Charles Michel (l-r), EU- Ratspräsident, Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, Giorgia Meloni, Ministerpräsidentin von Italien, Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, Bundeskanzler Olaf Scholz, Ursula von der Leyen, EU- Kommissionspräsidentin, US-Präsident Joe Biden, ein Priester, eine Dolmetscherin, Fumio Kishida, Premierminister von Japa
Die Staats- und Regierungschefs der G7 in Hiroshima (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN ist folgender Auffassung: "In der fast fünfzigjährigen Geschichte des Gipfels der sieben führenden Industriestaaten gab es kaum ein Treffen, bei dem so schwerwiegende Aufgaben zu bewältigen waren. Mit der gestrigen Erklärung wurden die weitere Unterstützung für die Ukraine und die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland beschlossen. Neben einem sofortigen und bedingungslosen Abzug der russischen Truppen werden die Drittstaaten häufig erwähnt. Der Aufbau von Beziehungen zu den Schwellen- und Entwicklungsländern, dem so genannten Globalen Süden, stellt nämlich eine weitere Aufgabe für die G7 dar. Viele Länder, die unter Bürgerkrieg, Armut oder Hunger leiden, schenken dem Schema 'G7 gegen das chinesisch-russische Lager' lediglich einen kalten Blick. Die G7-Staaten sollten im Gespräch mit den eingeladenen Staaten wie Indien demütig zuhören", heißt es in der Zeitung ASAHI SHIMBUN, die in Tokio erscheint.
Auch die französische Zeitung LE MONDE richtet den Blick auf die Schwellenländer. "Drei wichtige Figuren des Globalen Südens: Der indische Premierminister Modi, der indonesische Präsident Widodo und der brasilianische Präsident da Silva. Ihre Anwesenheit veranlasste den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zur Teilnahme am G7-Gipfel. Diese Länder verweigern der Ukraine seit der Invasion Russlands die Unterstützung. Sie sind aber zunehmend besorgt über die Kluft zwischen dem Westen und dem Rest der Welt, die durch die Rückkehr des Krieges nach Europa noch vertieft wurde. Die Schwellenländer, die sich in den ersten Monaten des Krieges zurückhielten und ihm fast gleichgültig gegenüberstanden, ergreifen nun ihrerseits immer mehr Initiativen, um zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln." Sie hörten LE MONDE aus Paris.
Die russische Zeitung KOMMERSANT stellt fest: "Fast sofort gaben die Staats- und Regierungschefs eine große gemeinsame 11-Punkte-Erklärung heraus, in der sie ihre anhaltende Unterstützung für die Ukraine bekräftigten. Die G7 unternehmen alle Anstrengungen, um zu demonstrieren, dass ‚Russlands Aggression gegen den souveränen Staat Ukraine‘ gescheitert sei, indem sie Kiew finanziell, humanitär, militärisch und diplomatisch unterstützen und Sanktionen verhängen, die die Kosten für Russland und all jene, die die russischen Militäraktionen unterstützen, erhöhen. Es scheint so, dass die G7 Sanktionen für eine der wirksamsten Methoden zur Bekämpfung Russlands halten", beobachtet die Zeitung KOMMERSANT, die in Moskau erscheint.
Mit der Gefahr eines Atomkriegs befasst sich die Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio. "Den G7 gehören drei Atommächte an - die USA, Großbritannien und Frankreich - sowie vier Staaten, die unter dem nuklearen Schutzschirm der USA stehen, das sind Japan, Deutschland, Italien und Kanada. Bedauerlicherweise wächst aktuell die Notwendigkeit der nuklearen Abschreckung, denn Russland wiederholt seine atomaren Drohungen, und China und Nordkorea beschleunigen ihre atomare Aufrüstung", fasst die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN zusammen.
"Schlimmstenfalls setzt ein in die Enge getriebener russischer Präsident eine Atombombe gegen die ukrainischen Streitkräfte ein, um die Niederlage abzuwenden", lautet die Prognose in der belgischen Zeitung DE STANDAARD.  "Viele westliche Analysten meinen, die nukleare Bedrohung habe abgenommen, da Putin nicht auf die Lieferung von Panzern und Langstreckenraketen an die Ukraine reagiert habe. Da könne man also durchaus auch noch F-16-Kampfjets hinzufügen. Derweil bereitet Putin seine Bevölkerung systematisch auf den Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine vor. Eine existenzielle Bedrohung Russlands ist seine rote Linie. Je stärker die NATO strukturell verwickelt wird, desto mehr wird diese Gefahr zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung", befürchtet die in Brüssel erscheinende Zeitung DE STANDAARD.
"Der Kreml-Doktrin zufolge ist der Einsatz von Atomwaffen nur im Fall eines nuklearen Angriffs auf Russland gerechtfertigt oder wenn das Überleben Russlands auf dem Spiel steht", erinnert die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT. "Doch was der Kreml unter Letzterem versteht, ist unklar. Wie wird Moskau reagieren, wenn die Ukraine die Halbinsel Krim zurückerobert? Ist das dann der Angriff auf Russlands territoriale Integrität, von dem Putin spricht? Auch Länder, die Russland freundlich gesinnt sind, so wie China, sind besorgt über Moskaus atomares Säbelrasseln. Doch die Androhung von Atomwaffen wirkt. Das zeigt sich schon daran, dass die NATO-Länder auf keinen Fall direkt in den Krieg in der Ukraine verwickelt werden wolle." So weit die Einschätzung in DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Zum nächsten Thema, dem Treffen der Arabischen Liga, an dem erstmals wieder Syriens Machthaber al-Assad teilgenommen hat. "Die Wiedereingliederung Syriens in das diplomatische Gefüge der Region ist ein Skandal und eine Schande", urteilt die Londoner Zeitung THE TIMES. "Assad gehört zu den schlimmsten Kriegsverbrechern der Nachkriegszeit. Um sich an der Macht zu halten, hat er wiederholt Chemiewaffen gegen Zivilisten eingesetzt. Er hat für seine Rehabilitierung durch die arabischen Staaten keine Zugeständnisse machen müssen. Die westlichen Demokratien sollten protestieren, anstatt sich zu fügen. Der Westen muss mit Autokratien verhandeln und sich manchmal sogar mit ihnen verbünden. Die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu Saudi-Arabien zum Beispiel ist notwendig, um den nuklearen Ambitionen des Irans entgegenzuwirken. Aber selbst wenn man die engeren Erwägungen der Realpolitik zugrunde legt, ist es falsch, Assad wieder in die Reihen der internationalen Diplomatie aufzunehmen. Das sendet die Botschaft aus, dass jeder Despot sich durchsetzen und gar belohnt werden kann, wenn er nur entschlossen genug ist, Blut zu vergießen", lautet die Einschätzung in der britischen TIMES.
In der panarabischen Zeitung AL-QUDS AL-ARABI lesen wir: "Assads Worte von 'Moral und Prinzipien' zeigen, wie sehr ein Staatsmann, der die Bevölkerung seines Landes in eine gewaltige Katastrophe gestürzt hat, die Realitäten zu missachten vermag. Aus seiner Rede geht klar hervor, dass er in der Rückkehr Syriens seiner Wiederaneignung in die Arabische Liga nichts als ein weiteres neues Instrument sieht, eben jenen Weg fortzusetzen, der zum Tod zahlloser Syrer und ihrer Massenflucht ins Ausland, zur Zerstörung ganzer Städte und Provinzen geführt hat. Anstatt seine Politik einzudämmen, den Einfluss des mit ihm verbundenen Iran einzudämmen und der syrischen Drogenindustrie entgegenzutreten, sind die Politiker der Arabische Liga offenbar bereit, seinen Worten zu glauben und in ihren Kreis zurückkehren zu lassen", moniert die Zeitung AL QUDS, die in London erscheint.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai bemerkt: "Nach zwölf Jahren Konflikt und Kräftemessen geht die arabische Welt wieder geeint ins neue Zeitalter. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Nicht zuletzt trug die Versöhnung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien im Vorfeld zur Vollendung bei."
Die türkische Onlinezeitung DUVAR aus Istanbul vermutet einen taktischen Zug hinter der Einladung eines anderen Politikers: "Plötzlich taucht der ukrainische Präsident Selenskyj auf dem Podium auf. Das ist genial. Russlands Feind einzuladen, um den Westen wegen Assad zu beruhigen, der ja ein hundertprozentiger Getreuer Putins ist."
Und die panarabische Zeitung SHARQ-AL-AWSAT aus London kommentiert: "Als Zeichen der Bedeutsamkeit des Treffens mag man die Präsenz des ukrainischen Präsidenten Selenskyj sehen. Der Umstand, dass er das Risiko einging, mit einem französischen Flugzeug durch Polen zu diesem Gipfel zu reisen, zeigt, wie wichtig dieser auch für die Lösung internationaler Probleme geworden ist."