Mittwoch, 24. April 2024

01. Juni 2023
Die internationale Presseschau

Themen sind das Ende des Schuldenstreits in den USA, die Spannungen im Kosovo und die Lage in Russland nach dem Drohnenangriff auf Moskau. Doch zunächst nach Moldau. Die Spitzen von 47 europäischen Ländern sind dort heute zu einem Gipfel zusammen gekommen.

01.06.2023
Bulboaca: Eine Frau geht an einem Schild mit der Aufschrift "Ich liebe Bulboaca" vor dem Castel Mimi vorbei.
Vor dem Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft 2023 in Moldau (Andreea Alexandru / AP / Andreea Alexandru)
Das LUXEMBURGER WORT erklärt: "Was genau beim Gipfel herauskommen soll, ist unklar. Klar dagegen ist, zumindest für zahlreiche EU-Diplomaten, dass der Inhalt zweitrangig ist. 'The meeting is the message', sagt eine hochrangige Quelle. 'Wenn du in Moskau sitzt und sich gleich nebenan über 40 Staats- und Regierungschefs treffen, sollte die Botschaft ankommen.' Aber nicht alle Gäste sind so klar in ihren Verurteilungen der russischen Aggression gegen die Ukraine. Serbiens Staatschefs Vucic demonstriert gerne seine Nähe zu Moskau – die Türkei und Aserbaidschan wollen eine neutrale Rolle einnehmen. Darüber hinaus ist es schwierig, den Gipfel als Treffen der 'demokratischen Nationen Europas' zu beschreiben. Die politischen Systeme Serbiens, der Türkei, Georgiens, Aserbaidschans, aber auch des EU-Landes Ungarn können getrost mit dem Label des 'kompetitiven Autoritarismus' charakterisiert werden", betont das LUXEMBURGER WORT.
Die moldauische Zeitung ZIARUL DE GARDA hält fest: "Die ausländischen Gäste kommen aus Paris, Brüssel, Berlin, Stockholm, Amsterdam und anderen schönen Städten, die jährlich von Millionen Touristen besucht werden. In Chisinau finden sie die Hauptstadt eines armen Landes vor, mit Straßen voller Schlaglöcher, geplagt von Korruption und der ständigen Bedrohung aus dem Osten. Doch für Moldau bietet dieser Gipfel eine hervorragende Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf die schwierige Lage im Land zu lenken", vermerkt ZIARUL DE GARDA aus Chisinau.
Die russische Zeitung KOMMERSANT stellt heraus: "Moldau glaubt, die Tatsache, dass dort ein Europagipfel abgehalten wird, sei bereits ein positives Signal. In Chisinau hofft man, dass Brüssel die Bestrebungen der Republik, der Europäischen Union beizutreten, unterstützt. Zugleich will Moldau Russlands Einflusssphäre für immer verlassen. Allein die Tatsache, dass das Treffen auf dem Territorium der Republik Moldau stattfindet, ist ein Signal der Unterstützung für das Land und seinen Wunsch, Mitglied der EU zu werden", befindet der KOMMERSANT aus Moskau.
Blicken wir auf die Ausschreitungen im Norden des Kosovo. Die österreichische Zeitung DIE PRESSE erläutert: "Die Eskalation kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die USA und die EU-Staaten schon mit einer anderen – gigantischen – Krise zu kämpfen haben: dem Krieg in der Ukraine. Ein Hochkochen eines neuen, alten Konfliktherdes in Südosteuropa ist das Letzte, was der Westen derzeit brauchen kann. Für Russlands Präsidenten Putin sind die Spannungen im Kosovo ein politisches Geschenk. Der Kreml hat Serbien bereits 'bedingungslose Unterstützung' zugesagt. Das stärkste diplomatische Mittel in der Region wäre nach wie vor die Aussicht auf einen zeitnahen Beitritt zur EU. Doch das funktioniert offenbar nicht mehr so gut wie noch vor einigen Jahren – nicht in Belgrad und auch nicht in Pristina. Es wirkt mittlerweile wie ein Versprechen aus der Welt der Träume", meint DIE PRESSE aus Wien.
Die Onlinezeitung T24 aus Istanbul schreibt über den serbischen Präsidenten: "Außenpolitisch kann Vucic mittlerweile nicht mehr auf zwei Hochzeiten tanzen. Das heißt, zugleich gute Beziehungen zum Westen zu pflegen und die Freundschaft mit Russland und China zu bewahren. Von Belgrad wird erwartet, sich endlich zu entscheiden, denn Serbien erkennt das Kosovo nicht an, beteiligt sich nicht an den Russland-Sanktionen der EU und bleibt hinter den EU-Standards für Demokratie zurück. Man kann jedoch davon ausgehen, dass in Vucics Herz nicht die Begeisterung für Moskau steckt, sondern für Brüssel. Im Zweifel würde sich Vucic für den Westen entscheiden und Moskau den Rücken kehren", glaubt T24 aus der Türkei.
Die Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur stellt die Frage, "ob das Kosovo sich als negatives Beispiel für die Ukraine darstellt. Die klare Überlegenheit der serbischen Armee gegenüber dem Kosovo ist der wahre Grund dafür, dass es im Konflikt bei kleineren Unruhen bleibt. In der Ukraine sieht es anders aus: Dank massiver Waffenlieferungen aus dem Westen, die allem Anschein noch lange anhalten, schwindet militärische Dominanz Russlands zunehmend. Dennoch wird Moskau nicht freiwillig die besetzten ukrainischen Gebiete räumen und einen langfristigen Krieg in Kauf nehmen. Ein baldiger Frieden in der Ukraine ist unwahrscheinlich", ewartet LIANHE ZAOBAO aus Singapur.
Nun zum Drohnenangriff auf Moskau. Der GUARDIAN aus London führt aus: "Der Angriff auf Moskau hat wenig Schaden angerichtet, aber für viel Alarm gesorgt, was wohl auch so beabsichtigt war. Dass der Krieg jetzt für den Durchschnittsrussen sichtbar wird, ist peinlich für den russischen Präsidenten Putin. Die meisten Analysten interpretieren die Angriffe als Teil einer Ablenkungsstrategie, die den Kreml dazu nötigt, Ressourcen zu verlagern und die Frontlinie zu vernachlässigen - und das vor der ukrainischen Gegenoffensive, bei der besetztes Gebiet zurückerobert werden soll. Putins Krieg wird aktuell von seinem gigantischen Stolz genährt, von seiner Bereitschaft, zwangsverpflichtete Soldaten ohne sichtbaren Zweck zu opfern sowie von einem politischen Apparat, der es ihm erlaubt, sein Versagen zu vertuschen", analysiert der GUARDIAN.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT kommentiert: "Aus unerklärlichen Gründen ist Russland von diesen Angriffen überrascht, nennt sie Terrorismus. Wenn die Russen Kiew und andere ukrainische Städte mit Bomben überziehen, wird auch ihr Volk auf die Probe gestellt. Obwohl dieser Krieg bereits 462 Tage dauert, herrscht in beiden Ländern noch immer keine vollständige Kriegsatmosphäre. Allerdings dürfte die Forderung des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow, das Kriegsrecht auszurufen, mit Putin abgestimmt worden sein. Außerdem sind die Drohnenangriffe ein gutes Argument dafür, die Intensität der russischen Angriffe auf die Ukraine zu verstärken", ist MÜSAVAT aus Baku überzeugt.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF aus Amsterdam ist folgender Ansicht: "Bei dem Drohnenangriff auf Moskau ging es um zivile Ziele, darunter ein Viertel, in dem Präsident Putin und einige seiner Gefolgsleute leben. Um zu verhindern, dass die Unterstützung des Westens erodiert, sollte sich die Ukraine lieber auf militärisch-strategische Ziele konzentrieren - mit ihren eigenen Waffen."
Abschließend ein Kommentar zum Ende des Schuldenstreits in den USA. Die LOS ANGELES TIMES freut sich über zwei Aspekte: "Erstens handelt es sich bei der Einigung um einen Vorzeigekompromiss. Beide Seiten haben zugleich gewonnen und verloren, wobei Präsident Biden mehr Gewinne zu verzeichnen hat. Bidens bahnbrechende Initiativen für saubere Energie werden beibehalten, anstatt sie aufzuheben. Der Kompromiss sieht eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben vor, allerdings auf dem von Biden vorgeschlagenen Niveau. Der zweite Silberstreif am Horizont: Die Rechtsradikalen, an die der Sprecher des Repräsentantenhauses, McCarthy, seine Seele verpachtet hat, sind ins Abseits geraten. Die Verabschiedung des Gesetzes in beiden Kammern wurde durch eine seltene Übereinkunft einer breiten politischen Mitte möglich", konstatiert die LOS ANGELES TIMES aus den USA.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN befindet: "Dieser heftige politische Streit zwischen Demokraten und Republikanern war aus dem Ausland betrachtet natürlich eine lästige Sache. Wenn man allerdings in die Geschichte der vergangenen 100 Jahre schaut, ist das Ende dieses Streits doch eine Hoffnung auf einen Fortschritt. Das Congressional Budget Office, die parteiunabhängige Behörde, deren Prognose für eine Gesetzgebung im Haushalt notwendig ist, hat bekannt gegeben, dass mit dem Kompromiss 1,5 Billionen Dollar gespart werden. Die Zahlungsunfähigkeit scheint abgewendet."