
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hat diese Entwicklung erwartet und schreibt von einer guten Entscheidung in mehrfacher Hinsicht: "Zum einen hätte der erstmalige Default Amerikas wirtschaftlich, aber auch geopolitisch katastrophale Folgen gehabt. Es drohten neben einer Rezession in den USA mit Arbeitsplatzverlusten in Millionenhöhe auch weltweit schwere Turbulenzen an den Finanzmärkten. Die autoritären Regime in Russland und China sähen sich zu Recht in ihrer Sicht eines Niedergangs der westlichen Weltmacht bestärkt, könnte diese etwas so Grundlegendes wie das Begleichen ihrer Schulden nicht mehr sicherstellen. Zum anderen zeigte die Abstimmung, dass es auch im Repräsentantenhaus immer noch möglich ist, die radikalen Flügel auf beiden Seiten des politischen Spektrums zu marginalisieren", lobt die NZZ aus der Schweiz.
Der Senatsentscheidung vorausgegangen war ein Ja des Repräsentantenhauses und eine Einigung zwischen Präsident Biden und dem dortigen Mehrheitsführer, dem Republikaner McCarthy. Biden feiere sich nicht als Sieger, beobachtet die WASHINGTON POST: "Er signalisiert damit, dass er weiß, weshalb er als Präsident gewählt worden ist: Es war das Versprechen, dass er die Regierung wieder in einer erkennbaren Form zum Funktionieren bringen könnte. Dass er in der Lage sein würde, Hass und Schuldzuweisungen der Ära seines Amtsvorgängers Trump einzudämmen. Mit der Einigung im Schuldenstreit ist ihm ein Kompromiss über ideologische Grenzen hinweg gelungen."
Die LOS ANGELES TIMES blickt auf McCarthy: "Die Zugeständnisse bei den Ausgaben, die er erreicht hat, sind letztlich vor allem von symbolischem Wert. Aber die Tatsache, dass diese Zugeständnisse so bescheiden sind, spricht eigentlich für den Republikaner aus Bakersfield. Wenn er für die Verknüpfung von Schuldenobergrenze und Ausgabenproblemen kritisiert wird - und das wird er -, dann verdient er auch Anerkennung dafür, dass er einen Kompromiss mit dem Weißen Haus akzeptiert hat, den einige Hardliner unter den Republikanern nicht verkraften konnten", urteilt die LA TIMES.
Auch in China wird der Kompromiss kommentiert. Die Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai findet ihn nicht sehr überzeugend: "Vor allem die sozial schwachen und armen Menschen, für die sich die demokratischen Linken einsetzen wollten, müssen zahlen: Im Gesetzesentwurf werden die Auflagen im sozialen Bereich erheblich verschärft. Besonders berücksichtigt werden hingegen die Interessen spezieller Gruppen wie großer Gas-Lieferanten, deren Interessen den Republikanern am Herzen liegen. Der Kompromiss leistet keinen Beitrag zu einer gerechteren amerikanischen Gesellschaft. Außerdem lässt er das grundsätzliche Problem der immens hohen Staatsschulden ungelöst", kritisiert die Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die FINANCIAL TIMES aus London begrüßt den Kompromiss aus weltwirtschaftlicher Perspektive als - Zitat - "eine große Erleichterung für die Märkte und für das Standing des Dollars als Weltreservewährung". Die eigentliche Aufgabe aber sei noch nicht gelöst: "Die USA haben ein wachsendes langfristiges Schuldenproblem, das sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der Einnahmenseite angegangen werden muss. Dieses Mal konnte eine selbstverschuldete Katastrophe vermieden werden. Aber irgendwann wird sich das US-System wahrscheinlich verkalkulieren und sich selbst in die Luft jagen. Je eher die Schuldenobergrenze abgeschafft und durch vernünftige Maßnahmen zur Erreichung der Schuldentragfähigkeit ersetzt wird, desto besser", meint die FINANCIAL TIMES.
Zum nächsten Thema. Beim Treffen der EPG in Moldau ging es vor allem um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Der Gipfel hat Putin deutlich gemacht, wie isoliert Russland ist", kommentiert die moldauische Zeitung TIMPUL: "Für den Diktator und Kriegsverbrecher gibt es nichts Schlimmeres, als von seinen vermeintlichen Vasallen ignoriert und verachtet zu werden. Das von Putin als dekadent verachtete Europa hat sich getroffen, um darüber zu sprechen, wie man der Ukraine zum Sieg verhelfen und auch Russlands hybrider Kriegsführung entgegentreten kann. Außerdem richtete sich die Aufmerksamkeit des ganzen Kontinents einen Tag lang auf Moldau, und wir durften erleben, wie Geschichte geschrieben wurde – und zwar auch unsere eigene", unterstreicht die Zeitung TIMPUL aus Chisinau.
Die norwegische Zeitung DAGBLADET ergänzt: "Zu den heutigen Krisen gehört die Lage der Republik Moldau mit ihrer abtrünnigen Provinz Transnistrien. Sicher war es auch ein Ziel Putins, die gesamte südliche Ukraine zu erobern, um eine Verbindung zu den in Transnistrien lebenden Russen zu schaffen. Überhaupt ist sein großer Traum, Europa wieder in Interessensphären zu teilen wie einst Stalin. Der löste bewusst in den dreißiger Jahren eine Hungersnot in der Ukraine aus, und auch das erinnert an Putin: Wenn die Ukrainer keine Russen sein oder tun wollen, was der Herrscher in Moskau befiehlt, sollen sie eben sterben. Der Unterschied ist nur, dass sich die Ukraine dieses Mal verteidigen kann", bemerkt die Zeitung DAGBLADET aus Oslo.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA erkennt eine - Zitat - Demütigung des Kreml: "Die wenigen Stunden des Treffens reichten aus, um einen tiefgreifenden Wandel in der westlichen Politik aufzuzeigen. Einen besonders bemerkenswerten Positionswechsel lässt dabei Frankreich erkennen. Noch vor wenigen Monaten hatten die Äußerungen des französischen Präsidenten, Russland dürfe 'nicht gedemütigt werden', bei vielen Empörung ausgelöst. Nun verkündete der Franzose, dass Russland verlieren müsse und die künftige Sicherheitsarchitektur Europas nicht auf der Einbeziehung Moskaus, sondern auf der Unterstützung der Ukraine basieren müsse. Vor drei Jahren hatte Macron die NATO noch für 'klinisch tot' erklärt. Nun räumt er ein, dass sich der Krieg in der Ukraine als 'stärkster Weckruf überhaupt' für das Bündnis herausgestellt habe und damit einen neuen Grund für die Existenz des Pakts liefere", betont die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die belgische Zeitung DE MORGEN zieht eine Verbindung zu den Spannungen im Norden des Kosovo, die in den vergangenen Tagen erneut aufgeflammt sind: "Das Beste wäre, der Region Hilfestellung für eine schnelle Aufnahme in die EU zu geben - auch wenn das schneller gesagt ist als getan, weil der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gerade alle Aufmerksamkeit bindet. Allein so aber werden wir auch den Mythos entlarven, der noch immer im Kopf des russischen Präsidenten Putin herumspukt: dass auch das ehemalige Jugoslawien noch immer zur russischen Einflusssphäre gehört", erklärt die Zeitung DE MORGEN aus Brüssel.
Die portugiesische Zeitung PUBLICO bezieht den Gedanken an eine Aufnahme in die Gemeinschaft auch auf das Gastgeberland und erinnert an die eigene Geschichte: "Es ist nicht nur die Nähe zum Krieg in der Ukraine, die Moldau umtreibt, es ist ein Traum, symbolisiert durch eine Flagge mit blauem Hintergrund und einem Kreis aus goldenen Sternen. Portugal und Spanien wurden aufgenommen, als diese Diktaturen hinter sich gelassen hatten und denen es dank der damaligen EWG gelang, den Sprung zur Demokratie besser zu meistern. Wie kann man den Moldauern (und den Ukrainern) nun verwehren, wie die Portugiesen in den 1980er Jahren davon zu träumen, dass ihr Leben besser sein könnte, wenn ihr Land einem Club beitreten würde, der für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung steht?", fragt die Zeitung PUBLICO aus Lissabon.