07. Juni 2023
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Bewerbungen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner sowie das 500. Staatsjubiläum von Schweden. Haupt-Thema ist aber die Zerstörung des Kachowka-Staudamms am Fluss Dnipro in der Ukraine.

Das Foto zeigt den zerstörten Kachowka-Staudamm in der Ukraine.
Der Kachowka-Staudamm wurde zerstört. (AFP / Energoatom)
Für die estnische Zeitung POSTIMEES ist der Urheber klar: "Russische Truppen haben den Staudamm gesprengt und damit eine riesige Katastrophe ausgelöst. Schon lange wurde die Ukraine gewarnt, dass so etwas passieren könnte. Das Motiv Russlands dürfte die Angst vor der ukrainischen Gegenoffensive sein. Wenn sich Russland deshalb zurückziehen muss, will es verbrannte Erde – oder in diesem Fall überflutetes Land – hinterlassen. Bevor Moskau sein russisches Roulette weiterspielt, müssen sich die Verbündeten der Ukraine fragen, wie sie auf die Staudammkatastrophe reagieren wollen. Russland muss jetzt noch stärker isoliert werden, und die Friedenspläne aus China oder Indonesien sind nicht ernst zu nehmen", findet POSTIMEES aus Tallinn.
Die polnische RZECZPOSPOLITA spricht von "russischem Terrorismus", nicht nur mit Blick auf den Staudamm: "Es wurden Raketen auf Krankenhäuser abgeschossen, auf ein Theater in Mariupol und auf einen Bahnhof voller Zivilisten, die die Flucht ergreifen wollten. Man foltert Menschen, erschießt Passanten, jagt Vertreter der Elite. Dazu passt nun auch die Sprengung des Staudamms, was die Russen bestreiten. Es ist schwer, ihnen zu glauben – sie haben schon so oft gelogen. Und vor allem ist es ihr Stil. Die Russen kümmern sich nicht um Menschenleben, es ist ihnen egal, ob es sich bei den Opfern um Zivilisten, Kinder oder alte Menschen handelt. Die Zerstörung des Staudamms soll einschüchtern - doch der Schritt wurde wohl auch aus Angst unternommen. Aus Angst vor der ukrainischen Gegenoffensive, vor der Rückeroberung der geplünderten Gebiete, vor der Wiederherstellung des richtigen Grenzverlaufs. Wenn man die alltäglichen russischen Verbrechen in der Ukraine betrachtet, muss man es einfach öfter betonen und bestehende Resolutionen zitieren: Russland ist ein Terrorstaat", unterstreicht die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
In China sieht die Zeitung TAKUNGPAO die Situation so: "Kiew behauptet, die russische Armee habe den Damm gesprengt, um einen Gegenangriff der ukrainischen Truppen am anderen Ufer des Dnipro zu vereiteln. Moskau hingegen beschuldigt die Ukraine, die Krim damit von der Wasserversorgung abschneiden sowie vertuschen zu wollen, dass die Gegenoffensive gescheitert ist. Unabhängige Beobachter gehen indes davon aus, dass die Zerstörung des Staudamms weder für Russland noch für die Ukraine von großem Nutzen ist. Demnach war ein ukrainischer Gegenangriff an dieser Stelle nicht zu erwarten, da sich andere Teile der Frontlinie dafür viel eher anbieten. Auch gibt es Satellitenbilder, die zeigen, dass die Schleusentore des Damms bereits seit Oktober 2022 beschädigt waren, nachdem der Wasserstand infolge heftiger Regenfälle stark angestiegen war. Nach ukrainischer Darstellung sollen die russischen Streitkräfte bereits damals den Staudamm angegriffen und beschädigt haben", vermerkt TAKUNGPAO aus Hongkong.
Der britische DAILY TELEGRAPH thematisiert die psychologischen Folgen der Zerstörung des Staudamms: "Die vielleicht größte Konsequenz wird eine Neubewertung der Frage sein, wie weit die Russen zu gehen bereit sind. Viele haben monatelang behauptet, die Möglichkeit, dass Putin einen nuklearen Zwischenfall auslöst, sei weit hergeholt. Jetzt nicht mehr. Die EU wirft Russland eine 'barbarische Aggression' vor. Doch bereits im Oktober hat der ukrainische Präsident Selenskyj davor gewarnt hat, dass die Russen den Damm vermint haben - und internationale Beobachter vor Ort gefordert. Nichts wurde unternommen. Er muss sich fragen, wie oft der Westen noch von Russland schockiert werden kann, bevor er Selenskyjs Analyse als realistisch und nicht als Panikmache ansieht", bemerkt der DAILY TELEGRAPH aus London.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT sieht Russland generell in einer schlechten Lage: "Der Sumpf, in den Russland im Ukraine-Krieg geraten ist, wird immer größer. Vor dem Ukraine-Krieg galten die russischen Streitkräfte als die zweitstärkste Armee der Welt. Jetzt stellt sich heraus, dass Russland weit von modernen Kriegstechnologien entfernt ist. Das hat auch damit zu tun, dass Militärbeamte Gelder veruntreut haben, weil sie dachten, dass niemand es wagen würde, gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Zudem heißt es, zwischen Wagner-Söldnern und der russischen Armee herrsche ein unerklärter Kriegszustand. Mit anderen Worten: Russland bewegt sich immer mehr auf einen Bürgerkrieg zu. Die oppositionellen russischen Militärgruppen, die besser bewaffnet sind als die russische Armee, haben bereits in vielen Teilen des Landes mit Operationen begonnen. Bald könnten sie mehr Unterstützung von der russischen Gesellschaft bekommen", vermutet MÜSAVAT aus Baku.
In den USA steigen immer mehr Republikaner in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur ihrer Partei ein - zuletzt mit Mike Pence und Chris Christie zwei ehemalige Vertraute des früheren Präsidenten Trump. Das US-amerikanische WALL STREET JOURNAL schreibt: "In einem anderen Universum könnte Mike Pence das Rennen anführen: Sein Lebenslauf umfasst zwölf Jahre im Repräsentantenhaus, vier Jahre als Gouverneur von Indiana und dann vier Jahre als Vizepräsident. Während dieser Zeit gab er Trump zwar klugen Rat und das nötige Gewicht. Doch als es beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 darauf ankam, stand Pence zu seinen Prinzipien. Für dieses Zeugnis von Charakter hat Trump ihn als Verräter gebrandmarkt, und viele Republikaner haben ihm nicht verziehen", vermerkt das WALL STREET JOURNAL aus New York.
"Für Donald Trump könnte es nicht besser laufen", meint die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Denn: Dass nun so viele Bewerber gegeneinander antreten, bringt nur noch für Trump einen Vorteil. Für jene Republikaner, die Trump loswerden wollen, ist die Entwicklung hingegen besorgniserregend. Das Problem ist, dass allen bisherigen Bewerbern der Schwung fehlt, um die felsenfeste Anhängerschaft von Trump zum bröckeln zu bringen. Die Vorwahlen bei den Republikanern werden wohl ein Kampf zwischen dem Trump- und dem Anti-Trump-Lager. Entscheidend ist, ob sich das Anti-Trump-Lager am Ende auf einen Kandidaten einigen kann", prognostiziert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK bemerkt: "Seit die Republikanische Partei von Trump transformiert wurde, haben andere kaum Chancen. Die Verurteilungen Trumps und weitere anstehenden Gerichtsverfahren könnten seine Chancen schmälern. Für Trump-Anhänger sind das allerdings nur Komplotte. Pence könnte zwar für die Evangelikalen und die Zentrums-Republikaner ein geeigneter Kandidat sein. Es wird aber schwer sein, Trump auszustechen, weil er eine große Anhängerschaft hat. Stand heute wird das Schicksal der Republikanischen Partei also von Trump bestimmt werden." Zu diesem Schluss kommt YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Und zum Schluss ein Blick nach Schweden. Das Land hat sein 500-jähriges Bestehen als selbstständiger Staat gefeiert. Die norwegische Zeitung VERDENS GANG erklärt: "500 Jahre ist es her, dass Gustav Wasa zum schwedischen König gekrönt wurde. Im ganzen Land weht am 6. Juni die blau-gelbe Flagge. Schweden ist nicht mehr der große Bruder, die souveräne und fast schon arrogante Maschine, die es einmal war. Vorbei ist die Zeit, als Schweden – zu Recht – für das modernste Land gehalten wurde und uns meilenweit voran war. Denn irgendwann haben wir sie eingeholt. Oder doch nicht? Schweden ist und bleibt die weltgewandte rätselhafte große Schwester, ob wir uns das eingestehen wollen oder nicht. Herzlichen Glückwunsch zum 500. Jahrestag! Und hoffentlich gehört ihr bald auch zu unseren Nato-Verbündeten. Die Welt ändert sich schnell – auch im Norden", betont VERDENS GANG aus Oslo - und damit endet die internationale Presseschau.