
Die dänische Zeitung POLITIKEN notiert: "Wer dahinter steckt, steht noch nicht fest, aber der Pfeil weist Richtung Russland, das schon zahlreiche Kriegsverbrechen begangen hat. Sicher ist dagegen, dass die Zerstörung des Staudamms eine Katastrophe für viele unschuldige Menschen ist. Die Flutwelle erweitert den Krieg um eine zusätzliche düstere Perspektive, durch chemische Verunreinigungen und Zerstörung der Infrastruktur. Der Krieg hat bereits Millionen Menschen in die Flucht getrieben und zehntausende Leben gefordert, natürlich vor allem unter ukrainischen Zivilisten, aber auch unter russischen Soldaten, die wegen Putins imperialen Träumen mit miserabler Ausrüstung als Kanonenfutter an die Front geschickt werden. Es sind die unschuldigen Opfer, die den Preis für einen Krieg bezahlen, während wir das weitab der Front in unserem Alltag nur allzu leicht vergessen", erinnert POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die FINANCIAL TIMES aus Großbritannien erklärt: "Ein absichtlich herbeigeführter Dammbruch, der zu Überschwemmungen führt, wäre eine Fortsetzung der russischen Strategie. Russland hat kritische Infrastrukturen angegriffen, um die Moral und die Kampfkraft der Ukraine zu schwächen. Sollte der Damm jedoch ohne Einwirkung von außen zusammengebrochen sein, dann wäre es Russlands Versäumnis gewesen, den Damm zu reparieren. Nachdem er vor Monaten bei Kämpfen beschädigt wurde, käme das in Verbindung mit den jüngsten ungewöhnlich hohen Wasserständen im Grunde genommen einer kriminellen Fahrlässigkeit gleich", stellt die FINANCIAL TIMES aus London heraus.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ergänzt: "Selbst wenn die Besatzer das Bauwerk nicht sprengten, so haben sie mit ihrem Verhalten ein inakzeptables Risiko heraufbeschworen. Aus ungeklärten Gründen unterließen sie es, mit dem Öffnen zusätzlicher Schleusentore den Wasserstand im Stausee auf ein normales Niveau zu bringen. Eine genaue forensische Untersuchung anhand der vorliegenden Indizien wäre für eine Klärung nötig, aber das Putin-Regime wird dazu sicherlich keine Hand bieten. Eine kurzfristige Lehre muss jedoch lauten, trotz Krieg auf die Einhaltung minimaler Sicherheitsstandards in solchen Industrieanlagen zu pochen. Vergeblich hatte die ukrainische Regierung schon im letzten Herbst um eine internationale Überwachung des Kachowka-Damms gebeten. Hätte die Staatenwelt dies mit Nachdruck eingefordert, hätte sich die Katastrophe vielleicht verhindern lassen", konstatiert die NZZ aus der Schweiz.
Die Zeitung THE GLOBE AND MAIL aus Toronto erläutert: "Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Grund für den Dammbruch Inkompetenz war, gibt es keinen Zweifel daran, dass Russland und sein illegaler Angriffskrieg Schuld sind. Die Ukraine ist zwar nicht perfekt - Korruption ist ein erhebliches Problem und Journalisten wird damit gedroht, deren Presseakkreditierungen einzubehalten, um eine positivere Berichterstattung zu erzwingen. Aber was auch immer die Makel der Ukraine sind, das Land ist auf der richtigen Seite der Geschichte im Kampf gegen den russischen Aggressor. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihre eigene Souveränität, sondern das Prinzip, dass Grenzen nicht mit Waffengewalt verschoben werden dürfen. Ukrainer sterben, um nicht nur sich selbst zu verteidigen, sondern für unsere kollektive Sicherheit", unterstreicht die kanadische Zeitung THE GLOBE AND MAIL.
Die schwedische Zeitung AFTONBLADET aus Stockholm betont: "Optimisten deuten die Katastrophe als einen Ausdruck russischer Verzweiflung. Vielleicht ist das so, aber es entspricht auch genau der Art, wie Russland den Krieg betreibt. Ohne Rücksicht auf das Kriegsrecht, das Leid der Zivilbevölkerung oder die langfristigen Konsequenzen."
VERDENS GANG aus Oslo führt aus: "In den letzten Tagen haben die Kämpfe an mehreren Orten entlang der Front in der östlichen und südlichen Ukraine zugenommen, und viel deutet darauf hin, dass die lange erwartete ukrainische Gegenoffensive angelaufen ist. Eine mögliche Erklärung für die Zerstörung des Staudamms könnte sein, dass Russland in einem desperaten Schlag die ukrainischen Truppen an einer Überquerung des Dnipro hindern will – denn schließlich befürchtet Russland nichts so sehr wie eine Niederlage in dem Krieg", hebt die norwegische Zeitung VERDENS GANG hervor.
Die spanische Zeitung EL PAIS aus Madrid ist folgender Überzeugung: "Die ukrainische Offensive wird sich an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen, die durch die Flut entstanden sind. Die Offensive wird sich an die Ostfront verlagern müssen, wo bereits neue Gefechte stattgefunden haben, darunter kleine Vorstöße in Bachmut. Kiew wird nicht nur seine Schlachtpläne ändern, sondern auch viel Energie darauf verwenden müssen, die von der Flut abgeschnittene Bevölkerung zu retten und zu versorgen."
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA kommt zu folgender Einschätzung: "In den westlichen Medien findet man Veröffentlichungen, die erklären, wie der Dammbruch sowohl für Russland als auch für die Ukraine von Vorteil sein kann und warum er gleichzeitig für beide ein Problem darstellt. Moskau gibt keines der erklärten Ziele der Sonderoperation auf. Kiew erklärt, der Konflikt werde erst enden, wenn die Ukraine zu ihren Grenzen von vor 2014 zurückgekehrt sei, obwohl selbst westliche Militäranalysten die Realisierbarkeit solcher Pläne bezweifeln. Die Auseinandersetzungen dauern nun schon 15 Monate an und es ist sehr schwer vorstellbar, dass in diesem Zusammenhang ein aktives Handeln eines Beteiligten zur Deeskalation beitragen könnte. Die Logik des Konflikts liegt in dieser Phase in seiner ständigen Vertiefung." Sie hörten die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMUN vermerkt: "Man kann die Wut der Ukrainer, die unter den ungerechten, unmenschlichen Taten leiden, verstehen. Dennoch steht auch die Ukraine selbstverständlich in der Pflicht, das Völkerrecht zu achten. Kiew sollte sich ernsthaft mit den Themen wie Anti-Personen-Minen, auf deren Verwendung durch die ukrainische Armee Menschenrechtsgruppen hinweisen, auseinandersetzen. Es besteht die Gefahr, dass im Laufe der immer schlimmer werdenden Gefechte das Völkerrecht außer Acht gelassen werden könnte", mahnt ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Die chinesische Staatszeitung HUANQIU SHIBAO befindet: "Wenig überraschend machen die führenden westlichen Politiker Moskau für die Sprengung verantwortlich, ohne Beweise zu präsentieren. Es ist kaum zu verstehen, dass der Westen weiter Öl ins Feuer gießt. Ist jetzt nicht eher die Zeit für eine Deeskalation? Sollte man nicht die Rettung der betroffenen Menschen und das Sichern des Kernkraftwerks Sarporischschja in den Fokus rücken? Die NATO-Mitgliedstaaten sollen endlich mit Waffenlieferungen aufhören und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch bewegen", fordert HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Abschließend eine Stimme zum Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg, bei dem eine Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg gebracht werden soll. Die lettische Zeitung NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE fragt: "Wie soll man mit der illegalen Zuwanderung umgehen? Ein Asylverfahren verschlingt enorme Ressourcen, und darum fordern die Mittelmeerländer und Deutschland Solidarität der anderen Mitglieder ein. Auf der anderen Seite stehen Staaten, die die zu milde Politik Deutschlands direkt oder indirekt kritisieren, weil dadurch überhaupt erst illegale Immigranten angelockt werden. Außerdem ist nicht einmal die Rede davon, wie das Problem an seiner Wurzel gepackt werden kann. Stattdessen wird über technische Fragen wie die Verteilung und die Unterkunft von Flüchtlingen geredet, wie viel das kostet und wer es bezahlen soll. Vorläufig sieht es also danach aus, als fehle es der EU insgesamt an dem politischen Willen, diese Fragen ernsthaft zu klären."