Donnerstag, 25. April 2024

10. Juni 2023
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird die erneute Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump. Zunächst geht es aber um den Kompromiss beim Asylrecht, auf den sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verständigt haben:

10.06.2023
USA, New York: Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, winkt, als er den Trump Tower verlässt. Er ist auf dem Weg zur New Yorker Generalstaatsanwaltschaft, wo er im Rahmen einer zivilrechtlichen Untersuchung aussagen muss.
Der frühere US-Präsident Donald Trump muss sich erneut vor Gericht verantworten. (Julia Nikhinson/AP/dpa)
Dazu schreibt die österreichische Zeitung DIE PRESSE: "Seien wir doch ehrlich: Schön ist das nicht. Europa verschließt sich. Doch gibt es Alternativen? Der Asyl-Deal, der von den EU-Innenministern vereinbart wurde, könnte die Wende in einem der emotionalsten Politikfelder der vergangenen Jahre einläuten. Allein, dass sich die so zerstrittenen EU-Regierungen in der Migrationspolitik erstmals mehrheitlich einigen konnten, ist ein Durchbruch. Die bisherige Situation war untragbar. Zu Tausenden kamen Menschen mithilfe von Schleppern über das Mittelmeer oder über Landgrenzen, um irregulär in die EU zu gelangen. Die Länder an den Außengrenzen registrierten sie nicht, weil sie sonst allein für sie verantwortlich gewesen wären. Sie hielten sie auch nicht fest, sondern sorgten dafür, dass sie bald weiterzogen. Es war so chaotisch, dass weder die EU-Staaten damit zurechtkamen noch die Ankommenden", beobachtet DIE PRESSE aus Wien.
Die ebenfalls in Wien erscheinende Zeitung DER STANDARD geht auf die inhaltlichen Aspekte des Asylkompromisses ein: "Geflüchtete sollen künftig an den Außengrenzen aufgehalten werden. Dazu wird es viele neue Zäune und andere Verstärkungen brauchen. Wer aus Ländern mit EU-weit hoher Asylgewährungswahrscheinlichkeit stammt, kommt sofort ins Asylverfahren. Menschen aus anderen Staaten werden in Aufnahmelager "mit haftähnlichen Bedingungen" transferiert. "Haftähnliche Bedingungen" laufen auf Freiheitsentzug hinaus. Für den braucht es klar definierte Gründe, und er muss so kurz wie möglich sein. Ob die insgesamt sechs Monate, die ein Außengrenzschnellverfahren mit anschließender Abschiebehaft laut der Innenministereinigung dauern darf, diesen Kriterien entsprechen, ist äußerst hinterfragenswert. Höchst problematisch erscheint auch, dass Familien mit Kindern von den Einsperrplänen nicht ausgenommen wurden. Beides wird die europäischen Höchstgerichte beschäftigen, so solche Regelungen wirklich kommen", vermutet DER STANDARD aus Österreich.
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA notiert: "Die im Kompromiss beschlossene Einmalzahlung von 20.000 Euro als Gegenwert für die Nichtaufnahme eines Migranten betrachtet Polen als eine Art Strafe. Wie hoch wäre der Preis für Polen? Mit Blick auf die aktuelle Krisenlage müssten wohl jährlich mindestens 30.000 Migranten in der EU verteilt werden, wovon weniger als 2.000 auf Polen entfallen würden. Der Wert für die Nichtannahme würde für Polen somit 40 Millionen Euro betragen. Das polnische Innenministerium argumentiert, das werde man den polnischen Bürgern nicht erklären können, zumal Polen ganz viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen habe.“ So weit die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
"Nun haben sich die EU-Länder auf ein Migrationsabkommen geeinigt", heißt es in der dänischen Zeitung POLITIKEN: "Es ist ein Skandal, dass das fast acht Jahre gedauert hat, seit uns 2015 Migranten und Asylsuchende auf der Autobahn den Zusammenbruch des Asylsystems vor Augen führten. Da ist es umso erfreulicher, dass es nun gelungen ist. Eine neue Migrationskrise zeichnet sich ab, und es wäre menschliches, systemisches und moralisches Versagen gewesen, wenn sich die EU nicht auf eine bessere Ordnung hätte einigen können. Dadurch werden nicht alle Probleme gelöst, aber es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, mit geordneten Verhältnissen, zügigen Verfahren und europäischer Solidarität. Migration gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit und kann nur international gelöst werden", unterstreicht POLITIKEN aus Kopenhagen.
Nun in die USA. Zur erneuten Erhebung einer Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Von allen strafrechtlichen Vorwürfen gegen Trump scheint es der juristisch stichhaltigste zu sein: Dass der ehemalige Präsident Akten von hoher Geheimhaltungsstufe zurückbehielt, obwohl zunächst das Nationalarchiv und dann die Ermittler sie über Monate zu erlangen versuchten, ist mittlerweile erwiesen. Entscheidend ist deshalb, ob er dabei wissentlich und willentlich gehandelt hat – worauf einiges hindeutet. Das Vorgehen eines unter der Kontrolle eines demokratischen Präsidenten stehenden Justizministeriums gegen einen möglichen republikanischen Rivalen bei der nächsten Wahl ist zwar überaus heikel. Es ist in den USA aber ein ehernes Prinzip, dass niemand über dem Gesetz steht", bemerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
In einem Gastkommentar der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio ist zu lesen: "Trotz der so schweren Vorwürfe beteuert Donald Trump immer noch seine Unschuld und behauptet, dies sei die größte Hexenjagd der Geschichte. Und die Republikaner stärken noch immer dem früheren Präsidenten den Rücken, wenn auch teilweise halbherzig. Das ist der Grund, warum gesagt wird, die Republikaner seien eine reine Trump-Partei geworden."
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO hält fest: "Zwar sind Anklagen inzwischen nichts Ungewöhnliches mehr in Trumps Lebenslauf. Doch solche auf Bundesebene gegen einen ehemaligen Präsidenten sind alles andere als alltäglich. Kein Wunder, dass diese Meldung weltweit Schlagzeilen gemacht hat. Die amerikanische Öffentlichkeit allerdings zeigte sich nicht überrascht. Denn der Geheimdokumenten-Skandal gärt schon seit über einem Jahr in aller Öffentlichkeit. Man hat die Anklage bereits kommen gesehen. Allen Anzeichen nach könnten die Prozesse ungünstig für Trump ausgehen. Im Vergleich etwa zur Fälschung von Geschäftsdaten wiegt der Spionagevorwurf ungleich schwerer", analysiert JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG aus Oslo wirft ein: "Das Deprimierende ist, dass die Republikaner Trumps Auslegungen für glaubwürdig halten. Er bekommt vorbehaltlose Unterstützung. Zu den Verschwörungsmythen in Trumps politischer Sekte gehört, die Demokraten wollten den populären republikanischen Kandidaten aufhalten oder von der angeblichen Korruption in der Familie Biden ablenken. Trump hat jahrelang das Vertrauen seiner Anhänger in die Justiz und in die Behörden untergraben – jetzt heimst er den Gewinn ein."
Themenwechsel. Die türkische Zeitung MILLIYET aus Istanbul blickt auf die Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine: "Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Explosion herbeigeführt zu haben. Die Ukraine behauptet, dass Russland damit die Gegenoffensive habe stoppen wollen. Moskau behauptet, dass es Kiew auf die Trinkwasserversorgung der Krim abgesehen habe. Für den Westen stecken eindeutig die Russen dahinter. Um es in Erinnerung zu rufen: Nach dem Genfer Abkommen gelten Angriffe auf Staudämme, Deiche und Atomkraftwerke als Kriegsverbrechen."
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER ist folgender Meinung: "Der Krieg lastet schwer über der Ukraine. Die Angaben zu den Kämpfen sind widersprüchlich, wie immer. Die russische Propaganda spricht lautstark von großen Verlusten der Ukraine, in Kiew hält man sich dagegen bedeckt. Dort heißt es schon länger, man werde nicht über die Gegenoffensive zur Befreiung der besetzten Gebiete sprechen. Aber es ist klar, dass etwas im Gange ist. Die Ukrainer haben mit unterschiedlichen militärischen Nadelstichen die russische Verteidigung getestet, jetzt kommt es an der ganzen Front zu Angriffen. Was ist die zentrale Strategie? Das wissen wir nicht und sollen es auch nicht wissen. Vielleicht ist es ein Zufall, dass sich die ukrainischen Truppen rund um das Datum 6. Juni in Bewegung setzen, dem Datum, das seit 1944 als D-Day bekannt ist, als die Alliierten in der Normandie landeten und die Befreiung Europas von den Nazis von Westen her begannen", erinnert zum Ende der internationalen Presseschau DAGENS NYHETER aus Stockholm.