15. Juni 2023
Die internationale Presseschau

Neben der Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump geht es in den Kommentaren um das Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz, das das Europaparlament auf den Weg gebracht hat.

Künstlerische Darstellung eines humanoiden Roboters mit künstlicher Intelligenz (Symbolbild)
Kommentiert wird unter anderem der Beschluss des EU-Parlaments für das weltweit erste Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz. (IMAGO / CHROMORANGE / Knut Niehus)
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom erläutert: "Europa schreibt bekanntlich viele Regeln. Zu viele, meinen einige, weshalb die Innovation anderswo stattfindet, in den Vereinigten Staaten oder in China. Aber bei der Künstlichen Intelligenz, der Technologie, die alles zu verändern verspricht, sind es die Innovatoren selbst, die nach Regeln rufen. Und diesmal scheint die europäische Uhr gut zu ticken: Gestern gab das Straßburger Parlament grünes Licht für seine Version des KI-Gesetzes. Der endgültige Text wird nun mit den Regierungen verhandelt, mit dem konkreten Ziel, bis zum Ende der EU-Legislaturperiode verabschiedet zu werden. Damit wäre Europa die erste demokratische Macht, die eine Verordnung über KI hat", notiert LA REPUBBLICA.
Die SALZBURGER NACHRICHTEN aus Österreich geben zu bedenken: "Bis das Regelwerk endgültig mit den 27 EU-Staaten ausverhandelt ist und in Kraft treten kann, werden weitere zwei Jahre vergehen. In dieser Zeit werden neue Anwendungen Künstlicher Intelligenz entstehen. Die Gesetzgebung hinkt dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt also schon wieder hinterher. Aber wenigstens wollen sich die EU-Institutionen diesmal nicht jahrzehntelang abhängen lassen, wie dies im Bereich der sozialen Medien geschehen ist", halten die SALZBURGER NACHRICHTEN fest.
Ähnlich äußert sich die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau: "Es ist zu befürchten, dass Europa Schwierigkeiten haben wird, seine Tendenz, alles zu regulieren, noch unter Kontrolle zu halten. Und die Folgen einer Überregulierung könnten fatal sein für die Wirtschaft, die durch Künstliche Intelligenz auf ein ganz neues Niveau gehoben werden soll, indem sie das Management verbessert, Kosten senkt und die Innovation sprunghaft steigert. Übermäßige Barrieren und Regulierungen in Europa oder den USA werden uns im technologischen und wirtschaftlichen Wettlauf zurückfallen lassen. Der große Gewinner wird China sein, das mit Künstlicher Intelligenz offenbar kein Problem hat und sich anschickt, hier die Pole-Position einzunehmen“, unterstreicht die RZECZPOSPOLITA.
Die französische Zeitung LA CROIX aus Montrouge mahnt beim Thema KI zu Gelassenheit: "Bevor wir uns der Panik hingeben, sollten wir uns an die Sorgen erinnern, die mit dem Aufkommen des digitalen Formats, des Internets, und natürlich schon lange davor, mit Computern und sogar der Eisenbahn einhergingen. Es ist normal - und letztlich auch ziemlich menschlich - dass das Aufkommen einer neuen Technologie, von der man annimmt, dass sie die Art und Weise, wie wir Dinge erschaffen, wie wir arbeiten oder miteinander sprechen, revolutioniert, Ängste hervorruft. Aber diese Angst ist nicht zwangsläufig schlecht: Sie kann uns dabei helfen, über die gute - und schlechte - Nutzung einer neuen Technik nachzudenken", findet LA CROIX.
Themenwechsel. Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm geht ein auf die Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump: "Juristisch ist der Fall nicht besonders kompliziert. Trump hat aus unbekanntem Anlass diese Dokumente mitgenommen. Das haben zwar auch andere getan, darunter Biden und Ex-Vizepräsident Pence. Aber beide haben unverzüglich die Dokumente zurückgegeben, als das Staatsarchiv ihr Fehlen bemerkte. Nicht so Trump – Textmeldungen und eine Tonaufnahme zeigen, dass er absichtlich und wiederholt gehandelt hat und die Unterlagen sogar vor seinen eigenen Anwälten verstecken wollte. Trump behauptet jedoch, die Anklage sei politisch motiviert, und eine Mehrheit der republikanischen Wähler glaubt ihm das. Aktuell sieht es nicht danach aus, als würde ihm der Prozess politisch schaden, eher im Gegenteil", konstatiert DAGENS NYHETER.
Ein Blick in die 49 Seiten lange Anklageschrift zeige, dass der Sonderermittler Smith seine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen habe, betont die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Die darin aufgeführten Indizien wiegen schwer. Trump hat demnach nicht bloß Geheimdokumente in großer Zahl aus dem Weißen Haus mitgenommen und unsachgemäß aufbewahrt. Das könnte man noch als Missgeschick betrachten, das auch anderen Präsidenten und Vizepräsidenten schon passiert ist. Gravierend sind allerdings die in der Anklage minutiös nachgezeichneten Bemühungen Trumps, die Dokumente vor den Behörden aktiv zu verstecken und wissentlich Falschangaben zu machen. Das ist Justizbehinderung, eine schwere Straftat, die langjährige Gefängnisstrafen nach sich ziehen kann, sollte sie vom Gericht bestätigt werden", schreibt die NZZ.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo fragt: "Kann der Fall Trump schaden? Die Reihe seiner Skandale ist so lang, dass jeder andere Politiker in einem demokratischen Land dadurch zu Fall gebracht worden wäre, aber Trump scheint alles zu überleben. Bevor ein eventuelles Urteil rechtskräftig ist, könnte Trump wieder Präsident sein, und dann genießt er Immunität. Umso wichtiger wird daher der Vorwahlkampf der Republikaner. Trumps derzeit stärkster Herausforderer DeSantis hat die Anklage kritisiert. Aber es gibt auch mehrere seriöse Kandidaten. Diese müssten sich dann mit Trump anlegen, und mit Sicherheit werden sie dann den Prozess in Florida gegen ihn verwenden", spekuliert AFTENPOSTEN.
Die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid beobachtet: "Wie in anderen Fällen hat er sich auch bei dem Verfahren in Florida wegen des Umgangs mit streng vertraulichen Dokumenten als unschuldig bezeichnet und spricht von einer Hexenjagd gegen ihn. Außerdem hat er Biden Rache geschworen und will bei seiner Rückkehr an die Macht selbst einen Sonderermittler beauftragen. Mit einer solchen populistischen Rhetorik will Trump davon ablenken, dass er wegen so vieler Punkte unter Anklage steht. Die Vorwürfe sind ernst und könnten ihn auf Jahre hinter Gitter bringen, aber sie scheinen seine Kandidatur für die Wahlen 2024 nicht zu gefährden, im Gegenteil: Umfragen zeigen sogar einen Anstieg der Popularitätswerte seit der ersten Anklage im April. Sein stärkster Gegenkandidat DeSantis hat beschlossen, sich gegen die Richter zu wenden, um den radikalen Flügel der Republikaner nicht gegen sich aufzubringen", analysiert EL MUNDO.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF aus Amsterdam widmet sich Trumps Gefolgsleuten: "Wer ihn nicht nachdrücklich unterstütze, sei automatisch Teil dieser Verschwörung und müsse verschwinden, rief einer seiner Anhänger. Dieser harte Kern ist extremer als die meisten Republikaner. Aber auch auf Fox News wurde US-Präsident Joe Biden als 'Möchtegern-Diktator' bezeichnet, weil er angeblich persönlich hinter Trumps Verfolgung stehe. Auch die Republikaner im Kongress sagen ähnliche Dinge. Über die Kisten mit Staatsgeheimnissen, die in den Toiletten von Trumps Wohnsitz Mar-a-Lago lagerten, reden sie deutlich weniger. Trump ist ein Meister des Spiels mit der öffentlichen Meinung. Wie schon zuvor sorgt er auch jetzt wieder für erhitzte Gemüter. Aber im Gerichtssaal geht das nicht. Dort sagte Trump einfach nur, dass er unschuldig sei", bilanziert DE TELEGRAAF.
Die israelische Zeitung THE JERUSALEM POST zieht Vergleiche zu Verfahren gegen ranghohe Politiker in anderen Ländern: "Der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy wurde wegen illegaler Wahlkampffinanzierung und Fälschung von Dokumenten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er verbüßt jetzt Hausarrest. Der derzeitige Präsident Brasiliens, Luiz Inacio Lula da Silva, wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung kandidierte er für eine weitere Amtszeit und wurde gewählt. Andere demokratische Länder, vor allem Italien und Südkorea haben ähnliche Erfahrungen gemacht. In all diesen Fällen hat die Demokratie überlebt - wenn sie nicht sogar noch gestärkt wurde. Das können auch die Vereinigten Staaten." Und mit diesem Kommentar der JERUSALEM POST endet die internationale Presseschau.