
Für die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen kommt die Entscheidung nicht überraschend: "Schon Mitte Juni stand für die meisten fest, dass der Norweger gegen seinen eigenen erklärten Wunsch ein Jahr Verlängerung bekommen würde. Natürlich ist es positiv, wenn die NATO in unsicheren Zeiten einen so zielsicheren Generalsekretär mir Flair und Führungsstärke an ihrer Spitze hat. So weit, so gut. Aber im ganzen letzten Jahr fanden hinter den Kulissen Diskussionen über seine Nachfolge statt, und als Stoltenbergs formelles Auslaufdatum und der NATO-Gipfel in Vilnius immer näher rückten, war der Geist aus der Flasche. Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen galt als eine der Favoritinnen, ebenso der Niederländer Mark Rutte, die Estin Kaja Kallas und der Brite Ben Wallace. Mann oder Frau? Ost- oder Westeuropäer? Jedenfalls ließ sich keine Einigkeit erzielen", vermerkt POLITIKEN.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo findet: "Für die Allianz ist das alles andere als optimal. Unter anderen Umständen wäre es wohl leichter gewesen, einen neuen Chef zu finden, aber jetzt steht bekanntlich viel auf dem Spiel. Russland hat die Ukraine überfallen, und die Türkei blockiert Schwedens NATO-Beitritt. Sogar US-Präsident Biden soll Druck ausgeübt haben, dass Stoltenbergs Vertrag verlängert wird. Selbst sagte Stoltenberg, er fühle sich geehrt. Aber er muss gar nicht so demütig auftreten, denn es gibt gute Gründe, ihn als Generalsekretär zu behalten. Stoltenberg hat gute Beziehungen zu zahlreichen Staatsführern der Mitgliedsländer, nicht zuletzt zu Erdogan", unterstreicht AFTENPOSTEN.
Stoltenberg habe als NATO-Generalsekretär eine extrem anspruchsvolle Agenda vor sich, betont die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Er muss die Mitgliedstaaten zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine ermuntern und dabei darauf achten, dass die Allianz nicht zur Kriegspartei wird. Er muss sicherstellen, dass die Verbündeten ihre Verteidigungsfähigkeiten ausbauen und das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen. Und schließlich muss er noch die Aufnahme Schwedens in die NATO über die Bühne bringen", erläutert die NZZ.
Zur noch ausstehenden NATO-Aufnahme Schwedens schreibt die regierungsnahe türkische Zeitung SABAH aus Istanbul: "Schweden schafft es wegen der regelmäßigen Provokationen gegen die Türkei und den Islam immer wieder auf unsere Agenda. Außerdem hat die Regierung in Stockholm keinen der Terroristen ausgeliefert, wie es Ankara gefordert hatte. Da stellt sich die Frage, ob Schweden überhaupt in die NATO aufgenommen werden will. Obwohl die Verhandlungen andauern, wissen beide Seiten, wie diese zu Ende gehen werden, aber keiner spricht es aus", moniert SABAH.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER blickt voraus: "Im nächsten Frühjahr feiert die NATO in Washington ihr 75-Jahr-Jubiläum, und kurz danach beginnt in den USA der Wahlkampf, wobei ein Comeback von Donald Trump nicht ausgeschlossen ist. Die Nachfolge müsste also rechtzeitig davor geregelt sein. Den Europäern kommt die Verschiebung vorerst nicht ungelegen. Sie eröffnet mehr Spielraum für ein Personalpaket nach den Europawahlen im Juni nächstes Jahr. Selbst Kommissionschefin Ursula von der Leyen könnte dann einen Wechsel an die Spitze der NATO doch noch in Erwägung ziehen", spekuliert der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Themenwechsel. Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO geht ein auf die israelische Großoffensive im Westjordanland: "Mit der größten Militäroperation seit 20 Jahren hat Israels Regierungschef Netanjahu in Dschenin die Lunte an einem Pulverfass angezündet, denn die Stadt gilt als brisantester Knotenpunkt des Konflikts zwischen Israel und Palästina. Wenn es jetzt zu Vergeltungsmaßnahmen militanter palästinensischer Gruppen kommt, werden die Spannungen zwangsläufig weiter eskalieren. Hauptziel der Luft- und Bodenoffensive ist das Flüchtlingslager in Dschenin, das für Israel als Zufluchtsort von Terroristen gilt. Von allen 19 Flüchtlingslagern im Westjordanland weist es die höchste Arbeitslosen- und Armutsquote auf. Mit dem Militäreinsatz sollen nicht nur mehrere militante palästinensische Gruppen geschwächt, sondern auch ein Signal an alle Palästinenser ausgesandt werden, sie nicht länger zu unterstützen", vermutet JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die israelische Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv stellt fest: "Es ist kein Zufall, dass das Lager sowohl extrem hohe Arbeitslosen- als auch Armutsraten aufweist und zu einer Brutstätte des bewaffneten Widerstands gegen die israelische Besatzung geworden ist. Zum ineinandergreifenden Kreislauf von Armut und Gewalt trägt bei, dass Hunderte Bewohner keinen Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis in Israel haben, weil Israel sie verdächtigt, Militante zu sein. Die Wirtschaft der Stadt Dschenin ist zum Teil davon abhängig, dass palästinensische Bürger Israels dort einkaufen. Aber wenn israelische Drohnen Ziele angreifen und Bodentruppen im Einsatz sind, wird der wirtschaftliche Schaden in einem bereits fragilen Umfeld von Dauer sein", erwartet HAARETZ.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM aus Ramallah spricht von einem Krieg, den Israel gegen Dschenin führe. Dieser sei: "Ausdruck eines politischen Scheiterns. Denn Israel wird im Westjordanland kein wirksames System der Abschreckung errichten können. Der israelische Premier mag in Dschenin zwar einen kurzfristigen Erfolg erzielt haben. Langfristig wird er aber feststellen, dass er mit seiner Politik keinen Schritt weitergekommen ist", meint AL AYYAM.
Die britische Zeitung THE GUARDIAN aus London moniert eine internationale Gleichgültigkeit im Nahost-Konflikt: "Während das UNO-Büro für humanitäre Hilfe seine Besorgnis über das Ausmaß des Einsatzes, einschließlich der Luftangriffe auf ein dicht mit Zivilisten bevölkertes Gebiet, zum Ausdruck brachte, erklärten die USA lediglich, sie unterstützten Israels Sicherheit und sein Recht, sein Volk zu verteidigen. Da so wenig unternommen wird, um die Eskalation zu stoppen, drohen die unter Premierminister Netanjahu entfesselten Kräfte unkontrollierbar zu werden, mit Folgen, die nicht nur Tage, sondern Monate oder Jahre zu spüren sein werden", befürchtet der GUARDIAN.
Nun noch Stimmen zum Gipfeltreffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Die lettische Zeitung DIENA aus Riga erläutert: "Die SCO ist eine der beiden größten Organisationen nicht-westlicher Staaten. Ihr Ziel ist es, in den Mitgliedsländern Stabilität und Sicherheit zu stärken und die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen. Von einer Sicherheitszusammenarbeit ist dagegen nicht die Rede, denn dafür gehen die Interessen der Mitglieder zu stark auseinander, vor allem zwischen Indien und China. Als Anwärter für eine Vollmitgliedschaft gelten derzeit unter anderem Belarus und die Mongolei, und es gibt Partnerstaaten wie die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten als bislang einziges afrikanisches Land. Eine Erweiterung der SCO entspricht einer globalen Tendenz, und wenn Belarus als Nächstes folgt, würde das für das Regime in Minsk eine zusätzliche Hilfe für sein Weiterbestehen und neue wirtschaftliche Chancen bedeuten – schließlich ignorieren die SCO-Länder westliche Sanktionen. Mit einer solchen Realität wird sich dann auch Lettland auseinandersetzen müssen", erwartet DIENA.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio bewertet in einem Gastkommentar die Aufnahme des Iran in die SCO: "China war bislang konsequent gegen den Beitritt eines Staates, gegen den die Vereinten Nationen Sanktionen verhängt haben. Peking ging mit dieser Haltung auf Distanz zu Russland, das sich für die SCO-Mitgliedschaft Teherans eingesetzt hatte. In dieser Hinsicht dürfte die Genehmigung für den Beitritt des Iran in diese Organisation einen großen Kurswechsel der Außenpolitik der Volksrepublik bedeuten." Das war zum Ende der internationalen Presseschau ein Auszug aus NIHON KEIZAI SHIMBUN.