
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo vermisste Antworten auf wichtige Fragen, wie etwa: "Wie soll die Ampelkoalition ihre Streitigkeiten und den Eindruck von Handlungsunfähigkeit überwinden? Wie will er in die Offensive gehen? Das sichtbarste Ergebnis der Krise ist das Umfragehoch der AfD. Die versprochene Energiewende tritt auf der Stelle. Es werden nicht genug Wohnungen gebaut. Die Inflation ist unangenehm hoch. Die Einwanderungspolitik ist wieder ein heißes Eisen. Die Digitalisierung kommt nicht voran. So betrachtet ist der Zuspruch für die AfD eher ein Symptom, aber Scholz weist das Problem von sich. Man mag seine Gelassenheit bewundern, aber wünschenswert wären klare politische Signale. Statt Optimismus zu verbreiten, wirkt er müde und fahrig", beobachtet AFTENPOSTEN.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER aus Zürich hält fest: "Nein, dieser deutsche Kanzler ist nicht für seine Selbstkritik bekannt. Von 'Planet Scholz' sprechen manche, wenn der Sozialdemokrat mal wieder eine Sicht auf die Dinge hat, die er nicht mit vielen anderen teilt. Andere nennen es einfach Arroganz. Der Kritik an seiner Regierung widersprach der Kanzler vor den Medien jedenfalls diametral: Deutschland sei unter seiner Führung zum zweitgrößten Unterstützer der Ukraine aufgestiegen, seine Koalition sei daran, Deutschland zu modernisieren und klimaneutral zu machen, sie stärke den Zusammenhalt der Gesellschaft und kehre nach Jahren hoher Schulden zur finanzpolitischen Normalität zurück. Auf den Einwand, die Stimmung im Land passe so gar nicht zu dieser Schilderung, antwortete Scholz, indem er unbeirrt weitere Erfolge aufzählte. 'Planet Scholz' auf seiner Umlaufbahn", bilanziert der TAGES-ANZEIGER.
Themenwechsel. "Hat die Türkei Schwedens NATO-Beitritt wirklich grünes Licht gegeben?", fragt die türkische Onlinezeitung T24 aus Istanbul: "Die Worte von Präsident Erdogan vor seinem Abflug zum NATO-Gipfel in Vilnius, die Aufnahme Schwedens von EU-Beitrittsgesprächen mit der Türkei abhängig zu machen, ist im Grunde das Eingeständnis, dass man bei den Verhandlungen mit Schweden am Ende angekommen ist. Mehr war von Schweden für die Türkei nicht herauszuholen. Das hat Ankara gemerkt. Doch das war’s nicht damit. Lediglich die Grundlage der Verhandlungen hat sich geändert. Wichtig ist die Erklärung Erdogans, dass die Türkei im westlichen Lager bleiben will. Doch die Verhandlungen werden vor allem mit den USA als mit der EU geführt werden. Und im Mittelpunkt der Gespräche steht die Lieferung der F-16 und vielleicht auch die der F-35-Kampfjets. Sollte dies unerwartet vor dem US-Kongress scheitern, könnte das türkische Parlament die Aufnahme Schwedens in das Verteidigungsbündnis ablehnen", vermutet T24.
Die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET aus Stockholm ist sich sicher: "Die ganze Geschichte ist nicht vorbei, bevor nicht alles unterschrieben und genehmigt ist. Erdogan hat schon früher für Unsicherheit in Bezug auf die Umsetzung seiner eigenen Versprechen gesorgt. Aber hier geht es nicht um die Beziehungen zwischen Schweden und der Türkei, sondern um das persönliche Verhältnis zwischen Erdogan und Verbündeten, von denen er abhängig ist", analysiert SVENSKA DAGBLADET.
Die SALZBURGER NACHRICHTEN bewerten das Ergebnis des NATO-Gipfels mit Blick auf den russischen Präsidenten: "Putin hatte den Rückbau der NATO in Osteuropa verlangt. Bekommen hat er stattdessen die Norderweiterung des Bündnisses. Unabhängig vom Ausgang des Ukraine-Kriegs ist das eine geostrategische Niederlage des Kremls. Dass sie ihm auch von Erdogan beigebracht wird, lässt, bei aller Vorsicht über die wankelmütige Politik des türkischen Präsidenten, einen Schluss zu: Erdogan sieht – auch wegender wirtschaftlichen Misere in der Türkei – den allergrößten Nutzen für sich und sein Land im Westen, in der NATO, in Europa. Besser könnte Erdogan nicht ausdrücken, dass er für das System Putin keine Zukunft sieht", finden die SALZBURGER NACHRICHTEN.
Da Japan kein NATO-Mitglied ist, hält die Zeitung MAINICHI SHIMBUN aus Tokio eine engere Zusammenarbeit mit Europa in Sicherheitsfragen für notwendig: "Dabei geht es vor allem um Maßnahmen gegen die drastische Aufrüstung von China. In Vilnius wurde allerdings die Entscheidung über die Eröffnung eines neuen NATO-Büros in Tokio vertagt - wegen des Protests der französischen Regierung, was die Sorgen einiger europäischer Staaten nun offensichtlich gemacht hat, nicht in den amerikanisch-chinesischen Konflikt involviert werden zu wollen. Die japanische Regierung sollte zunächst ihre eigene China-Strategie entwickeln. Auf dieser Basis könnte die Zusammenarbeit zwischen Tokio und der NATO vorangetrieben werden", empfiehlt MAINICHI SHIMBUN.
Die estnische Zeitung POSTIMEES aus Tallinn geht ein auf die China-Strategie der deutschen Regierung: "Im Großen und Ganzen steht sie in Einklang mit dem strategischen Dokument der EU, das Ende Juni vorgelegt wurde. Gleichzeitig gliedert sich das Dokument weitgehend in zwei Teile: die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und China zum einen und zwischen China und der EU zum anderen. Auch die Lage der Menschenrechte bleibt nicht unerwähnt. Gewiss, China ist für Deutschland nach wie vor ein wichtiger Handelspartner und Absatzmarkt. Allerdings bedeutet das auch, dass der chinesische Einfluss auf Deutschland und damit auf ganz Europa wächst. Die Hauptsache ist, dass Deutschland nicht die Fehler wie beim Umgang mit Russland wiederholt. Natürlich war Nord Stream nicht nur ein bilaterales Projekt, sondern hatte Auswirkungen auf die Sicherheit im ganzen Ostseeraum und führte zu einer Abhängigkeit Deutschlands von Russland. Das darf mit China nicht noch einmal passieren", mahnt POSTIMEES.
Die chinesische Staatszeitung XINJING BAO aus Peking meint, problematisch an diesem Strategiepapier sei, "dass es die widersprüchliche Haltung der deutschen Ampelregierung offenbart. Für das grüne Außenministerium kann man nicht hart genug gegen Peking vorgehen. Es würde China am liebsten sowohl politisch als auch wirtschaftlich ausgrenzen. Das gefällt dem sozialdemokratisch geführten Kanzleramt überhaupt nicht, wie man jüngst beim Einstieg des chinesischen Unternehmens Cosco im Hamburger Hafen deutlich sehen konnte. Und die deutsche Wirtschaft hat sowieso mit der Rekordinvestition in China im vergangenen Jahr eine eigene Antwort gegeben", vermerkt XINJING BAO.
Die Zeitung LIANHE BAO aus Taipeh bemerkt mit Blick auf Taiwan: "Einerseits will Berlin seine Beziehungen zu Taipeh ausbauen. Andererseits zeigt es Vorsicht wegen der Ein-China-Politik. Auch Hongkong, Xingjiang und Tibet werden in der Strategie erwähnt, spielen aber nur eine Nebenrolle. Ambition ist die eine Sache, Realität eine andere. Die kommunistische Regierung in Peking würde sich keine Härte erlauben, wenn sie keine wirksame Druckmittel in der Hand hätte."
Abschließend noch ein Kommentar zur politischen Lage in Thailand. Die polnische RZECZPOSPOLITA aus Warschau führt aus: "Thailand, das seit fast zwei Jahrzehnten von internen Konflikten und Polarisierung zerrissen ist, hat trotz der eindeutigen Ergebnisse der Wahlen im Mai leider nicht den Weg der Demokratie eingeschlagen. Die Polarisierung zwischen Gelb- und Rothemden wird nun erwartungsgemäß erneut die thailändische Realität bestimmen, denn die bisher privilegierten Klassen haben nicht die Absicht, ihren Einfluss aufzugeben – egal, was die Nation darüber denkt. Und so erleben wir nun in Thailand statt der erwarteten Demokratie weitere Erscheinungsformen der Autokratie. Hoffen wir, dass die Machthaber nun nicht zur Gewalt greifen, um ihre Interessen zu verteidigen", betont die RZECZPOSPOLITA zum Ende der internationalen Presseschau.