22. Juli 2023
Die internationale Presseschau

Mit Kommentaren zu den Protesten gegen die Koranschändungen in Schweden und einem Fall sexualisierter Gewalt, der in Indien Empörung auslöst. Zunächst geht es aber um das Auslaufen des Getreideabkommens zwischen der Ukraine und Russland.

Ein Storch steht vor einer Erntemaschine auf einem Getreidefeld bei Shuriwka in der Ukraine.
Ein Storch steht vor einer Erntemaschine auf einem Getreidefeld bei Shuriwka in der Ukraine. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Efrem Lukatsky)
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN schreibt: "Laut UNO-Generalsekretär Guterres sind hunderte Millionen Menschen von Hunger bedroht. Manche glauben, dass Putin am Ende doch noch einlenkt, denn Russland braucht die Freundschaft zu Ländern in Afrika. Vielleicht glaubt er aber auch, von der Verschärfung der Krise profitieren zu können? Putin darf das Getreideabkommen nicht als Druckmittel verwenden, um die internationale Solidarität für die Ukraine zu schwächen. Kiew prüft bereits eine Steigerung der Exporte über seine Häfen an der Donau sowie die Einrichtung alternativer Transportrouten über rumänische Hoheitsgewässer. Kroatien hat außerdem angeboten, Eisenbahnlinien und Häfen zur Verfügung zu stellen. Alle diese Alternativen haben eines gemeinsam: Sie sind mühsamer", unterstreicht AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die russische Zeitung KOMMERSANT hält fest: "Es gab keine eindeutige Reaktion der westlichen Welt auf die Beendigung des Getreideabkommens. Zu hören waren nur ein paar Routinephrasen, nach dem Motto: Wir hoffen auf den gesunden Menschenverstand, natürlich ist das alles gefährlich, aber wir müssen der Ukraine weiterhin helfen. Offenbar hat man beschlossen, nicht überstürzt zu reagieren. Auffällig ist das kategorische Schweigen der Türkei: Keine einzige Stellungnahme aus Ankara zu diesem Thema. Obwohl die Türkei einer der Hauptnutznießer der Vereinbarung war und theoretisch Gründe haben sollte, sich zu Wort zu melden. Doch vielleicht wird hier eine taktische Pause eingelegt, um die Gedanken zu sammeln und einen Plan für das weitere Vorgehen festzulegen", spekuliert KOMMERSANT aus Moskau.
Die jüngsten Koranschändungen in Schweden haben in vielen islamisch geprägten Ländern Kritik und Proteste ausgelöst. Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN sieht Parallelen zum Karikaturenstreit im Jahr 2005: "Trotz aller ausgestreckter Hände und dem Willen zum Dialog ist Schweden zur Zielscheibe dessen geworden, was auch dieses Mal als der kollektive Zorn von 1,3 Milliarden Muslimen bezeichnet werden muss. Die Koranverbrennungen in Stockholm haben zur Stürmung der schwedischen Botschaft in Bagdad geführt, und der Irak hat die Botschafterin ausgewiesen. In mehreren Ländern gibt es Boykottaufrufe gegen schwedische Waren. Das Ganze folgt einem Drehbuch, das man auch schon längst vorher hätte schreiben können. Dabei hat gerade Schweden immer besonders viel Entgegenkommen gegenüber der muslimischen Welt gezeigt, sich besonders offen für Einwanderer gegeben und sich als Vermittler positioniert. Es ist besonders bitter für Schweden, dass das jetzt alles nichts hilft", vermerkt JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Die türkische Zeitung STAR schreibt: "Inmitten der Debatte über Schwedens Aufnahme in die NATO wurde das Heilige Buch der Muslime vor der türkischen Botschaft verbrannt. Diese feige Tat sollte eine Botschaft an die Türkei sein. Doch bei genauerem Hinsehen sind die Angriffe gegen die ganze islamische Welt gerichtet. Trotz all dieser Tatsachen sind die Reaktionen von den islamischen Ländern ausgeblieben oder ziemlich klein ausgefallen. Die Taten wurden lediglich verurteilt. Dabei hätten diese Länder dringend zusammenkommen, die schwedischen Botschafter zu Persona non grata erklären und alle Handelsbeziehungen zu Schweden auf Eis legen müssen. Weil Schweden weiß, dass keine harten Maßnahmen zu erwarten sind, lässt das Land Koranverbrennungen weiterhin zu", meint STAR aus Istanbul.
Die schwedische Zeitung EXPRESSEN unterstreicht hingegen: "Schwedische Politiker dürfen sich nicht aus Furcht vor Konflikten zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit hinreißen lassen – und zwar egal, wie gekränkt sich Erdogan gibt. Sie dürfen sich auch nicht beeinflussen lassen, wenn schwedische Botschafter in autoritären Staaten einbestellt werden, ja nicht einmal wenn eine Botschaft gestürmt wird wie in Bagdad. Gerade um Werte wie die Meinungsfreiheit zu verteidigen, will Schweden der NATO beitreten, und deshalb können sich Politiker nicht vor lautstarken Vertretern des Islam beugen, die Koranverbrennungen für innenpolitische Zwecke ausschlachten", fordert EXPRESSEN aus Stockholm.
In Indien hat ein vielfach geteiltes Video Kritik an der Regierung ausgelöst. Das Video zeigt öffentliche sexualisierte Gewalt gegen zwei Frauen durch mehrere Männer in dem nordöstlichen Bundesstaat Manipur. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf einen andauernden Konflikt zwischen drei ethnischen Gruppen in der Region. Damit befasst sich der INDIAN EXPRESS aus Bombay: "Womöglich wird Premierminister Modi noch weitere Erklärungsversuche unternehmen. Das sollte aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Regierung die Situation in Manipur verschärft hat. Sie hat das Mehrheitsprinzip legitimiert und Ängste zwischen den ethnischen Gruppen geschürt. Dass der Staat in Fällen ethnischer Gewalt, Vertreibung und gezielter Angriffe auch nach fast 80 Tagen hilflos ist, ist eine Schutzbehauptung. Jede Institution in Indien - von der Polizei bis zur Nationalen Kommission für Menschenrechte - ist zu einem Teil des Problems geworden. Schon jetzt kommt die Frage auf: Wie kann man die Medien an der Berichterstattung über Manipur hindern? Und wie kann man sie zur Rechenschaft ziehen, wenn sie doch darüber berichten? Es werden sicherlich auch Verschwörungsmythen ausgeheckt, die den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos zum Thema haben. Alles, um von den eigentlichen Tatsachen abzulenken", kritisiert der INDIAN EXPRESS.
"Worte allein können nicht viel bewirken, wenn keine konkreten Taten folgen", moniert die Zeitung DAILY TIMES aus Pakistan. "Es gibt einen alarmierenden Anstieg von Gewalt gegen Frauen in den letzten Jahren und alle Forderungen nach mehr Verantwortung laufen ins Leere. Für ein Land, das keine Gelegenheit auslässt, seine Nachbarn über die Rechte von Frauen und Minderheiten zu belehren, tut sich Indien schwer damit, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Viele, wenn nicht sogar alle Fälle von Übergriffen und Missbrauch geschehen, weil die Täter durch das allgemeine Gefühl der Straffreiheit ermutigt werden. Egal wie schrecklich das Verbrechen auch sein mag, sie werden höchstwahrscheinlich mit einem Klaps auf die Hand davonkommen. Eine Regierung, die nur daran interessiert ist, Brände mit Plattitüden und hitzigen Kampagnen gegen ihre Nachbarn zu bekämpfen, mag zwar für bunte Schlagzeilen sorgen, aber mehr auch nicht", urteilt die DAILY TIMES aus Lahore.
In den GULF NEWS aus den Vereinigten Arabischen Emiraten liest man: "Alle haben in Manipur versagt. Die Regierung, die Polizei, die Medien (mit einigen herausragenden Ausnahmen) und alle, die teilnahmslos zugesehen haben, wie der Staat von einer Krise in die nächste schlitterte. Zu sagen, dass all das weit weg ist, reicht nicht mehr aus."
Zum Ende der Presseschau noch zwei Stimmen zur Hitze in Europa. Die niederländische VOLKSKRANT sieht allen Grund zur Sorge. "Der Klimawandel ist ein Prozess mit offenem Ausgang, und die Verwüstungen, die er bereits angerichtet hat, lassen kaum Raum für Hoffnung. Doch weder die apokalyptisch anmutende Hitze noch die enorme Herausforderung, Schlimmeres zu verhindern, sind ein Grund, das Handtuch zu werfen. So wie jede Tonne CO2, die ausgestoßen wird, die Probleme vergrößert, hilft jede Tonne, die nicht ausgestoßen wird, gegen eine weitere Eskalation", betont die VOLKSKRANT aus Amsterdam.
LA REPUBBLICA aus Rom kommentiert: "Wir stehen nicht mehr einer unbekannten Pandemie gegenüber, die in Italien in kurzer Zeit tausende Opfer gefordert hat, sondern vor wiederkehrenden und immer extremeren Phänomenen, gegen die man etwas unternehmen kann. Zugunsten der Arbeitnehmer und zugunsten der Alten und Schwachen, die, genau wie zu Zeiten des Gesundheitsnotstands, am stärksten betroffen sind." Das war die italienische Zeitung LA REPUBBLICA.