02. August 2023
Die internationale Presseschau

Neben der Lage im Niger und der Strafreduzierung für Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Myanmar kommentieren einige Zeitungen bereits das Top-Thema in den USA. Dort wurde der frühere US-Präsident Trump im Zusammenhang mit der Wahl 2020 und der Erstürmung des Kapitols in Washington angeklagt. Ihm wird unter anderem Verschwörung gegen den Staat vorgeworfen.

Trump steht im dunklen Wintermantel und mit roter Krawatte an einem Rednerpult mit dem Präsidentensiegel und sptricht in ein Mikrofon.
US-Präsident Donald Trump bei seiner Ansprache am 6. Januar 2021 vor der Erstürmung des Kapitols in Washington durch seine Anhänger. (dpa / Capital Pictures)
Für die NEW YORK TIMES ist dies ein Wendepunkt: "Die dritte Anklageschrift gegen den ehemaligen Präsidenten ist die erste, die zum Kern der Sache vordringt: Darf ein amtierender Staatschef Lügen verbreiten, um sich an der Macht zu halten, auch wenn die Wähler ihn ablehnen? Was die Anklage so atemberaubend macht, ist nicht, dass es das erste Mal ist, dass ein Präsident wegen eines Verbrechens angeklagt wird. Diesen Rekord hält Trump bereits. Aber so schwerwiegend Schweigegeld und geheime Dokumente auch sein mögen, es ist diese dritte Anklage in vier Monaten, die die Zukunft der amerikanischen Demokratie bestimmen wird. Es geht um die Lebensfähigkeit des Systems", betont die NEW YORK TIMES aus den USA.
"Trump steht vor seinem bisher schwersten Prozess", stimmt THE GLOBE AND MAIL aus der kanadischen Metropole Toronto zu: "Die Anklage im Zusammenhang mit den Wahlen 2020 ist schockierend. Politisch könnte sie für Trump aber wieder ohne Konsequenzen bleiben."
"Mit jeder Anklage, die gegen ihn erhoben wurde, bekam Trump mehr Spenden, weil er sich erfolgreich als Opfer einer politischen Hexenjagd darstellen konnte", stimmt der SYDNEY MORNING HERALD der These zu, wonach die Prozesse Trump gar nicht schaden. Aber das australische Blatt gibt zu bedenken,... "...dass die jüngsten Anklagen die bisher schwerwiegendsten sind und für Trump eine ganz andere Herausforderung darstellen. Die Vorwürfe betreffen das Herz der amerikanischen Demokratie. Schweigegeld und geheime Dokumente sind zwar wichtige Angelegenheiten, aber nichts im Vergleich zu den jetzigen Vorwürfen."
Themenwechsel. Nach dem Militärputsch im Niger fragt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Was, wenn sich die Junta hält? Soll man mit ihr kooperieren? Westliche Länder haben viel investiert in den letzten Jahren, die USA allein seit 2012 mehr als 500 Millionen Dollar an Hilfe im Sicherheitsbereich. Die USA haben rund 1100 Soldaten im Niger stationiert, Frankreich 1500. Und die EU hat zu Beginn des Jahres eine Ausbildungsmission im Land gestartet. Soll man das alles einfach aufgeben? Auch dank der Unterstützung durch westliche Länder war die Gewalt im Niger weniger groß als in den Nachbarländern, wo Hunderttausende durch die Dschihadisten vertrieben wurden. Abzuziehen hieße vermutlich, Chaos zu hinterlassen; mehr Gewalt, vor allem gegen Zivilisten. Es hieße vielleicht auch, Russland ein weiteres Feld in der Sahel-Zone zu überlassen. Die Europäer werden den Niger auch aus dem Grund nicht einfach aufgeben wollen, weil das Land ein Drehkreuz der Migration Richtung Mittelmeer ist", erläutert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die FINANCIAL TIMES aus London kritisiert die bisherige Haltung des Westens gegenüber Niger und vielen andern afrikanischen Staaten: "Zu lange haben sowohl Europa als auch die USA das Potenzial und die strategische Bedeutung Afrikas aufgrund einer anachronistischen Betrachtung des Kontinents als rein humanitäres Problem ignoriert. In letzter Zeit ist beiden bewusst geworden, dass sie deshalb dort zunehmend Boden an China und Russland verloren haben. Nur wenn sie den Kontinent ernster nehmen und ihm helfen zu gedeihen, können sie verlorenes Terrain zurückgewinnen", ist die britische FINANCIAL TIMES überzeugt.
Die türkische Zeitung BIRGÜN weist auf die Rolle des Kremls hin: "Auch in Westafrika zeigen sich die Folgen des Ukraine-Krieges. Der Westen versucht Russland unter Druck zu setzen, und Moskau antwortet mit Aktionen in Regionen der Welt, die für den Westen geopolitisch wichtig sind. So auch im Niger. Moskau weist zwar jede Beteiligung zurück, die Bilder von Anhängern der Putschisten, die mit russischen Fahnen durch die Straßen laufen, sprechen aber eine andere Sprache. Die Putschisten versuchen offensichtlich mit Hilfe Russlands ihre Position zu festigen", heißt in der Istanbuler Zeitung BIRGÜN.
"Wenn jetzt auch noch Niger dauerhaft an Putschisten fällt, wird es noch schwieriger, den Islamismus zu bekämpfen", fügt die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo an: "Noch ein Putsch ist das Letzte, was die Sahelzone braucht. Der Niger ist eines der ärmsten Länder Afrikas. Er ist auch sehr instabil. Seit der Loslösung von Frankreich im Jahr 1960 erlebte das Land vier Staatsstreiche und mehrere Putschversuche. Es gehört zudem zur Sahel-Zone, die sich mit der Bekämpfung des islamistischen Aufstands abmüht, der sich seit zehn Jahren von Mali aus ausbreitet. Bis zur vergangenen Woche war der Niger eines der wenigen demokratischen Länder in dieser Region. Ein weiterhin demokratisches Regierungssystem im Land ist wichtig für die Stabilität und wirtschaftliche Lage in der gesamten Region."
"Eigentlich kann es sich der Westen nicht erlauben, tatenlos zuzusehen, wie die Regierung im Niger vom Militär abgesetzt wird", schätzt die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai: "Man würde dann einen wichtigen Verbündeten verlieren, zumal der Staatsstreich zeitlich mit Putins Afrika-Gipfel und den fortgesetzten Aktivitäten der russischen Söldnergruppe Wagner in Afrika zusammenfiel. Zudem wäre die Antiterrorstrategie des Westens in der Region dann vollends gescheitert."
In Myanmar hat die Militärjunta die Haftstrafe für die von ihr abgesetzte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi von 33 auf 27 Jahren reduziert. NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Japan vermutet dahinter ein taktisches Spiel der Machthaber: "Eigentlich wollten Myanmars Militärs bis Ende Juli Parlamentswahlen abhalten, um sich formell als gewählte Regierung bestätigen zu lassen. Dies jedoch haben ins Ausland geflohene Abgeordnete vereitelt. Mit einer Bürgerwehr und juntakritischen Teilen des Militärs drohen sie Stützpunkte der Machthaber anzugreifen. Mit der Strafreduzierung für Suu Kyi versuchen die regierenden Militärs die Wut in der Bevölkerung zu mildern. Gleichzeitig behalten sie die Friedensnobelpreisträgerin jedoch als Trumpf in der Hand, als eine Art Geisel in der Auseinandersetzung mit der Demokratiebewegung im Land und der internationalen Gemeinschaft", analysiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
"Für die 78-jährige Aung San Suu Kyi hat es keine größere Bedeutung, wenn sich ihre Haftstrafe um fünf Jahre verkürzt", konstatiert die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen: "Aber die Opposition könnte nun vermuten, dass sie jetzt in einen Dialog mit der Junta eintritt. Sie ist damit die perfekte Geisel für das Regime und dient als Lockvogel für die internationale Gemeinschaft."
Zum Abschluss blickt die Budapester Zeitung NEPSZAVA nach Russland. Das Blatt beobachtet dort einen drastischen Bevölkerungsschwund: "Die schwierige demographische Entwicklung des Landes war schon lange vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine unübersehbar. Vor zwei Jahren schlug man in Moskau schließlich Alarm, weil die Bevölkerungszahl des Landes, das sich selbst für ein Imperium hält, auf unter 143 Millionen gesunken war. Jährlich wandern rund 300.000 Russen aus. Das sind in erster Linie bestens ausgebildete junge Leute. Seit dem Ukraine-Krieg hat sich die Auswanderungswelle noch verstärkt - und zwar gewaltig. Jüngsten Schätzungen zufolge könnte die Bevölkerung Russlands bis 2050 um weitere zwölf Millionen Menschen schrumpfen. Und darin sind noch gar nicht die Opfer der Corona-Pandemie und auch nicht die aus Putins Ukrainekrieg eingerechnet. Die Verluste an der Front wirken sich umso dramatischer aus - schließlich sterben dort vor allem junge Männer und damit potenzielle Väter und Familiengründer." Mit dieser Stimme der NEPSZAVA aus Ungarn endet die internationale Presseschau.