15. August 2023
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden unter anderem die weitere Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump und die Vorwahlen in Argentinien. Doch zunächst geht es um Afghanistan, wo die Taliban heute vor zwei Jahren erneut die Macht übernommen haben.

Eine verschleierte Frau geht in Bamian, Afghanistan, an einem Wandgemälde vorbei, das die Rechte von Frauen und Kindern in Afghanistan einfordert.
Viele Frauen fühlen sich in Afghanistan wie im Gefängnis. Wandgemälde für Frauen- und Kinderrechte in Bamian, Afghanistan. (Getty Images / Nava Jamshidi)
Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich erläutert: "Erschreckend wenige Antworten hat der Westen bis heute geliefert. Zuerst wurde betont, die Taliban seien altersmilde und keineswegs mit den grausamen Gotteskriegern der Vergangenheit zu vergleichen. Dann kam hier und da kurz der naive Vorwurf auf, die afghanische Bevölkerung sei für ihre Tragödie selbst verantwortlich. Nun wird geschwiegen. Afghanistan stirbt einen Tod in Zeitlupe. Vor den Augen der internationalen Staatengemeinschaft, die alles daran setzt, das Desaster am Hindukusch – auch unter dem Deckmantel des Krieges in der Ukraine – zu vergessen. Das ist historisch", urteilt die KLEINE ZEITUNG, die in Graz erscheint.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA vertritt diese Ansicht: "Die zwei Jahre Taliban-Herrschaft in Afghanistan waren größtenteils nur dank der anhaltenden finanziellen Unterstützung der USA möglich: Nach offiziellen Angaben spendeten die Amerikaner in den Jahren 2021 bis 2023 über verschiedene Nichtregierungsorganisationen über zwei Milliarden US-Dollar in Form von humanitärer Hilfe an die Taliban. Ein weiteres Ergebnis der letzten zwei Jahre: Das Taliban-Emirat hat sich in ein regionales Piratenkönigreich verwandelt, das vom kriminellen Geschäft lebt, Angst exportiert und von Nachbarstaaten Tribut kassiert. Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban riesige Vorräte an Drogen angehäuft, vor allem Heroin, dessen Verkauf ein Schlüsselelement der dschihadistischen Wirtschaft der Taliban ist", beobachtet die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die irische Zeitung IRISH EXAMINER aus Cork stellt fest: "Die Taliban sind im eigenen Land mit keinem nennenswerten Widerstand konfrontiert, der sie stürzen könnte. Sie haben interne Spaltungen vermieden, indem sie sich hinter ihren ideologisch strammen Führer stellten. Sie haben eine angeschlagene Wirtschaft am Leben gehalten, unter anderem durch Investitionsgespräche mit kapitalreichen Ländern in der Region, auch wenn die internationale Gemeinschaft die formelle Anerkennung verweigert", notiert der IRISH EXAMINER.
Die kanadische Zeitung THE GLOBE AND MAIL stellt fest: "In den ersten Monaten nach der Machtübernahme der Taliban versprachen zahlreiche Länder - darunter die USA, Kanada und Deutschland - gefährdete Afghanen umzusiedeln. Aber sie haben dies nur sehr langsam umgesetzt. Viele Afghanen sitzen entweder in Drittländern fest oder verstecken sich vor den Taliban. Die Art und Weise, wie die Welt und insbesondere die Europäische Union reagiert haben, um Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, war ein gutes Beispiel." So weit THE GLOBE AND MAIL aus Toronto.
Die britische Zeitung THE INDEPENDENT aus London geht ein auf die Programme der Regierung zur Wiederansiedlung in Afghanistan. Diese hätten zwar "rund 25.000 Flüchtlinge vor der sicheren Hinrichtung durch die Taliban gerettet. Doch viele weitere mussten in ihrem eigenen Land untertauchen oder kamen in Lagern in Pakistan unter, wo ihnen die Abschiebung zu ihren Peinigern droht. Zudem wurden die Afghanen von den willkürlichen und bürokratischen Prozessen überrascht, die erforderlich sind, um sich für eine Neuansiedlung zu qualifizieren. Andere wurden abgelehnt, weil die Regelungen zu eng gefasst und starr ausgelegt sind. Die Art und Weise, wie unsere afghanischen Verbündeten behandelt wurden, ist geradezu eine Schande", kritisiert THE INDEPENDENT.
Die französische Zeitung LE MONDE aus Paris hebt in einem Gastbeitrag hervor: "Es wird Zeit, dass die Welt aufhört, die Situation in Afghanistan lediglich zu 'verfolgen'. Um positive Veränderungen zu erreichen, müssen die Bemühungen koordiniert werden, diplomatische Kanäle genutzt, alle wirtschaftlichen und politischen Hebel in Bewegung gesetzt und abschreckende Sanktionen umgesetzt werden. Zudem ist es wichtig, die Ansiedlung und das Asyl afghanischer Frauen und Mädchen in den Ländern zu unterstützen, die ihnen Sicherheit und bessere Lebensmöglichkeiten bieten, und die Frauen gleichzeitig darauf vorzubereiten, eine wichtige Rolle bei der künftigen Entscheidungsfindung für ihr Land zu spielen", vermerkt LE MONDE.
Themenwechsel. Die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid äußert sich zum überraschenden Erfolg des libertären Populisten Javier Milei bei den Vorwahlen in Argentinien: "Milei hat es verstanden, die Frustration der durch die Inflation zunehmend verarmten Gesellschaft aufzufangen, die überdies unter der Gewalt und der Korruption im Land leidet. Er setzte auf dasselbe Rezept wie der von ihm verehrte Trump, indem er sich als Außenseiter gegenüber einer ineffektiven und parasitären Politik präsentierte. Dafür bietet er ein anarchokapitalistisches Programm, das unter anderem eine Auflösung der Zentralbank, den freien Zugang zu Waffen, das Verbot von Abtreibungen und die Privatisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens vorsieht. Vor allem die jungen Argentinier sind wütend über ihre Regierung, die als Einziges eine Kapitalflucht bewirkt hat. Sie sehen daher in der von Milei versprochenen Einführung des US-Dollars den einzigen Ausweg aus der Misere", schreibt EL MUNDO.
Die argentinische Zeitung LA NACION aus Buenos Aires bemerkt zu Mileis Sieg: "Das sagt freilich noch nicht allzu viel über die Wahlen am 22. Oktober aus, denn die wichtigsten Gegner lagen nur knapp dahinter. Aber für Argentinien bedeutet das noch mehr Unsicherheit und Instabilität, wie sich an den Finanzmärkten gezeigt hat. Es bestehen ernste Zweifel an den nächsten Schritten der Regierung zur Bewältigung der finanziellen Probleme des Landes wie der immer höheren Inflation. Deshalb muss die Opposition endlich verstehen, dass die Lösungen nicht einfach so kommen – und sie sollte lieber nach Gemeinsamkeiten suchen, um eine effektive Antwort auf die dramatische Lage von heute zu liefern", empfiehlt LA NACION.
Die weitere Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump ist Thema in der norwegischen Zeitung DAGBLADET. Diesmal gehe es um "versuchten Wahlbetrug und Einmischung in die Wahl im Bundesstaat Georgia. Die Beweislast scheint erdrückend, sowohl in der Form von Dokumenten als auch von Tonaufnahmen und Zeugenaussagen. Wie so oft sind es die eigenen Parteifreunde, die als Kronzeugen der Staatsanwaltschaft auftreten. In einer normalen Welt wäre eine so ernste Anklage eine schlechte Nachricht für jemanden, der Präsident werden will – erst recht wenn man die weiteren Anklagen dazuzählt. Aber bei Trump ist eben nichts normal. Für ihn bieten diese Anklagen eine Gelegenheit, die Show an sich zu reißen und noch mehr Spendengelder einzusammeln", analysiert DAGBLADET aus Oslo.
Die US-amerikanische Zeitung THE WASHINGTON POST betont, in der Anklageschrift des Bundes würden "sechs weitere Staaten aufgeführt, in denen Trump und seine Mitverschwörer angeblich versucht haben, das Wahlergebnis zu verfälschen. Wird er auch in diesen Staaten strafrechtlich verfolgt werden? Irgendwann wird es unfair - ja, sogar gegenüber Trump -, wenn in jedem einzelnen Bundesstaat Anklagen gegen ihn erhoben werden."
Abschließend noch ein Auszug aus einem Leitartikel der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN zum 78. Jahrestag der Kapitulation des Landes im Zweiten Weltkrieg: "Nicht nur in Taiwan oder auf der Korea-Halbinsel, sondern auch in China und Südostasien: Überall hat Japan den Menschen die Freiheit geraubt, sie ausgebeutet und ihnen unbeschreibliches Leid zugefügt. Japan konnte durch seine Niederlage seine Freiheit zurückgewinnen. Diese Option hat aktuell die Ukraine nicht. Seit fast achtzehn Monaten dürfen ukrainische Bürger wegen der Mobilmachung das Land nicht mehr verlassen. Bei ihrem Leid sollten unsere Gedanken sein." Das war zum Ende der internationalen Presseschau ASAHI SHIMBUN aus Tokio.