29. August 2023
Die internationale Presseschau

Es geht unter anderem um das Kühlwasser aus dem havarierten japanischen Atomkraftwerk Fukushima und den Tod von Wagner-Chef Prigoschin. Zunächst aber nach Bayern – die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den bayerischen Wirtschaftsminister Aiwanger sind auch Thema in einigen ausländischen Zeitungen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mit Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.
Die Antisemitismus-Vorwuerfe gegen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und die Folgen für die Koalition mit der CSU werden auch international kommentiert. (picture alliance / SvenSimon / Frank Hoermann )
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA meint: "Die Flugblatt-Affäre könnte Aiwangers Rücktritt und damit ein politisches Erdbeben in Bayern auslösen. Der Skandal kam nur fünf Wochen vor der für den 8. Oktober geplanten Landtagswahl in Bayern ans Licht. Der amtierende Ministerpräsident und CSU-Chef Söder hatte sich bisher für eine Fortsetzung der Koalition mit Aiwangers Freien Wählern ausgesprochen. Die CSU wird im Landtag zu wenig Sitze haben, um allein die Regierung zu stellen, und ist dazu verdammt, einen Koalitionspartner zu finden. Möglicherweise bringt der Skandal die Freien Wähler nun ins Wanken und führt zur Abwanderung der Wähler. Und wenn die Freien Wähler aus dem Landtag geworfen werden, müsste die CSU über eine ungewollte Koalition mit den Grünen nachdenken", vermerkt die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz wirft der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, die den Fall ins Rollen gebracht hatte, grobes Fehlverhalten vor: "Die angebliche Affäre Aiwanger entpuppt sich als Affäre der 'SZ'. Fünf Autoren schrieben einen Text namens 'Das Auschwitz-Pamphlet'. Unter der Überschrift prangt ein Foto des Hubert Aiwanger. Schon diese Kombination lässt wenig Zweifel an der Zielrichtung: Der Chef der Freien Wähler sei als stellvertretender Ministerpräsident untragbar, denn er 'soll' vor dreieinhalb Jahrzehnten eine 'Hetzschrift' mit 'antisemitischen Fantasien' geschrieben haben. Weder in diesem Text noch in einem der folgenden gelingt der 'SZ' aber der Beweis, dass das Flugblatt von Hubert Aiwanger verfasst wurde. 'Das Auschwitz-Pamphlet' markiert eine Bankrotterklärung, was handwerkliche, presserechtliche und medienethische Grundsätze betrifft", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK greift den Tod von Wagner-Chef Prigoschin auf, der in Russland inzwischen offiziell bestätigt wurde. Das Blatt wundert sich, dass bisher keine Leiche präsentiert worden ist: "Es ist zu einfach, sich damit herauszureden, diese sei verbrannt und nicht wiederzuerkennen. Unter Kriminalisten gibt es den Spruch 'keine Leiche, kein Mord'. Er bedeutet, dass die Mord-Akte nicht geschlossen werden kann, solange keine Leiche gefunden wurde. Es wäre nicht schwer, Prigoschins Namen auf die Passagierliste zu setzen. Und einen offiziellen, von außen nicht einsehbaren Bericht zu erstellen, auch nicht." Das war YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Ein Gastkommentator der belgischen Zeitung DE STANDAARD ist überzeugt, Prigoschin sei beseitigt worden. Damit sei der Status Quo der Macht in Russland aber nicht wiederhergestellt. "Das Fundament unter Putins Regime ist ausgehöhlt. Zwei Jahrzehnte lang warb der Kreml für sich als Garant für 'Frieden und Ordnung'. Diejenigen, die sich nicht in die Politik oder das große Geld einmischten, genossen privaten Komfort. Die Meuterei der Wagner-Söldner hat dieses Narrativ durchkreuzt und damit den Frieden der herrschenden Elite gestört. Putin ist bisher nur selten gegen Personen aus seinem inneren Kreis vorgegangen. Aber seit letzter Woche weiß selbst der Kern der Elite, dass er nicht sicher ist. Das Anfang vom Ende ist deshalb aber nicht in Sicht. Nur wenn sich die Lage auf dem Schlachtfeld und/oder in der Wirtschaft zuspitzt, könnte die Elite beginnen, sich gegen Putin zu stellen", betont DE STANDAARD aus Brüssel.
Die chinesische Zeitung XINJINGBAO beschäftigt die Entsorgung des aufbereiteten Kühlwassers aus der japanischen Atomruine Fukushima: "Seit nunmehr fünf Tagen lässt Tokio nuklear verseuchtes Wasser ins Meer leiten. Auf den Fischmärkten in Südkorea herrscht seitdem Flaute, obwohl der Staatspräsident des Landes die Köche in seiner Residenz aufgefordert hat, eine Woche lang nur Meeresfrüchte aufzutischen, um die Verbraucher zu beruhigen. Die Öffentlichkeit scheint ihm aber nicht abzukaufen, dass die Entsorgungsmaßnahme in Japan unbedenklich sei. Deshalb wird bereits geplant, die heimische Fischerei- und Aquakulturbranche mit Subventionen zu stützen. Inzwischen formieren sich die Oppositionsparteien und die Zivilgesellschaft gegen die Regierung in Seoul, die ein hartes Vorgehen gegen Japan scheut, anstatt die Interessen und die Gesundheit der eigenen Bürger wirksam zu schützen," beobachtet XINJINGBAO aus Peking.
Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN hat kein Verständnis für die Anschuldigungen aus China: "Die kommunistische Führung in Peking lässt durch die Staatsmedien die wissenschaftlich völlig unbegründete Behauptung verbreiten, das Wasser aus Fukushima sei verseucht und solle deshalb nicht ins Meer eingeleitet werden. Mit dieser Meinung steht China auf der Welt aber fast alleine da. Mit der jüngsten radikalen Maßnahme, dem kompletten Importverbot der Meeresfrüchte aus Japan, scheint Peking sich aber selbst in eine Sackgasse manövriert zu haben. Für die japanische Regierung ist es nun wichtig, gegenüber der chinesischen Propaganda gelassen zu bleiben und weiterhin in der internationalen Gemeinschaft Überzeugungsarbeit zu leisten, dass das aufbereitete Kühlwasser objektiv sicher ist", empfiehlt YOMIURI SHIMBUN aus Tokio.
Die arabische Zeitung AL QUDS befasst sich mit dem inoffiziellen Treffen der inzwischen entlassenen libyschen Außenministerin El-Mangusch mit ihrem israelischen Kollegen Cohen. "Die öffentliche Reaktion in Libyen auf die Begegnung lässt erkennen, dass die Palästina-Frage für die Araber vom Ozean bis zum Golf immer noch ein zentrales Thema ist. Die empörten Proteste der libyschen Bevölkerung gegen das Treffen, das ja ein normalisiertes Verhältnis zwischen beiden Staaten anstrebte, könnte man als eine Art allgemeines und spontanes Schiedsgericht über die Position der arabischen Bevölkerung zu dieser Frage werten. Diese in weiten Teilen der Bevölkerung ablehnende Haltung findet sich auch in jenen Ländern, deren Regierungen beschlossen haben, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Die Menschen trauen sich dort bloß nicht, ihre Position kundzutun. Dieser Ablehnung war sich die libysche Außenministerin durchaus bewusst. Denn nur deshalb fand das Treffen geheim und in einem europäischen Land statt - und nicht etwa in Form eines Besuchs in Tel Aviv", unterstreicht AL QUDS, die in London erscheint.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN kommentiert den Kuss-Skandal um den spanischen Fußball-Verbandschef Rubiales und ärgert sich, dass die Affäre das eigentliche Hauptereignis in den Hintergrund stellt: "Spaniens WM-Sieg hätte ein Tag des Glücks für die Nation sein sollen. Aber die Ehrung der Spielerinnen wurde vom Verhalten des spanischen Fußballpräsidenten überschattet. Das Schlimmste ist jedoch, was danach passierte. Rubiales spielte die Opferrolle. Die Spielerinnen verdienen einen ganz anderen Respekt als den, der ihnen bisher gezollt wurde. Die FIFA hat Rubiales für 90 Tage suspendiert, seine Tage als Verbandspräsident scheinen gezählt. Aber der Fußball sollte sich fragen, warum Führungskräfte wie er überhaupt so mächtig werden können. Und warum es an den Frauen liegt, gegen solche Kräfte zu kämpfen. Nur dann kann dies zu einem äußerst notwendigen Wendepunkt werden", notiert AFTENPOSTEN aus Oslo.
Ähnlich sieht es die ungarische Zeitung NEPSZAVA: "Dem Frauen-Fußball ist es nach Jahrzehnten ausdauernder Arbeit gelungen, sich Anerkennung zu verschaffen und populär zu werden. Doch Skandale dieser Art werfen ein Schlaglicht darauf, dass Frauen auch jenseits des Spielfelds mehr leisten müssen, um nicht anders behandelt zu werden als Männer. In den Fußballverbänden wiederum ist noch die Männerherrschaft bestimmend. Nach dem Fall Rubiales geht es vor allem darum, diese zu beenden", verlangt NEPSZAVA aus Budapest, und damit endet die Internationale Presseschau.