
"Wenn man der Europäischen Union den Krieg beim Thema Migration erklärt, so wie es Giorgia Meloni getan hat, um Wahlen zu gewinnen, muss man sich darauf vorbereiten, den Preis einer Niederlage zu zahlen. Die Anlandungen von Migrantenbooten in Italien, die gestoppt werden sollten, haben sich drastisch erhöht. Die Zahl der Todesfälle im Meer ebenfalls. Die italienische Regierung hat das europäische Dublin-Abkommen auf jede erdenkliche Weise verletzt und das Schengen-Abkommen zur freien Personenbewegung gefährdet. Als Konsequenz wird Italien nun von Frankreich, Deutschland und Spanien mit offener Feindseligkeit betrachtet", bedauert LA REPUBBLICA aus Rom.
Die IRISH TIMES befasst sich mit dem Erstarken populistischer Parteien in Europa: "Wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt, werden populistische Parteien in den kommenden Jahren einen noch größeren Einfluss ausüben. Es könnte sein, dass sie sich, wie manche meinen, mit zunehmender Nähe zur Macht mäßigen. Es ist aber ebenso gut möglich, dass sie den europäischen Institutionen dauerhaften Schaden zufügen", warnt THE IRISH TIMES aus Dublin.
Der britische Premierminister Sunak hat mit einer Neubewertung der Klimaziele eine Kontroverse in Großbritannien ausgelöst. THE DAILY TELEGRAPH führt aus: "Die Pläne, ab 2026 den Austausch von Ölheizungen durch Wärmepumpen und ab 2030 den Wechsel von Benzin- und Dieselautos zu Elektrofahrzeugen vorzuschreiben, diese Pläne verärgerten Millionen Menschen. Die Kluft zwischen dem hochtrabenden Gerede von der Rettung des Planeten und den Kosten der angeblich notwendigen Maßnahmen, insbesondere für ärmere Menschen, ist groß. Man kann es nicht oft genug betonen, dass das Erreichen der Klimaziele letztlich von China, Russland und Indien abhängt. Diese Staaten verursachen fast die Hälfte der weltweiten Kohlenstoffemissionen. Und diese Länder tun nicht einmal so, als würden sie die Ziele bis 2050 erreichen. Das Ziel eines weitgehenden Verzichts auf eine kohlenstoffbasierte Energieerzeugung ist für diese Länder eine dekadente westliche Eitelkeit, aus der sie Kapital schlagen", resümiert THE DAILY TELEGRAPH aus London
Weiter geht es nach Polen, wo der Wahlkampf das Verhältnis zur Ukraine belastet. Die polnische Regierung lässt wegen des Getreidestreits Zweifel an der Waffenhilfe für Kiew aufkommen. Die Zeitung VERSLO ZINIOS aus Litauen hält fest: "Die regierende PiS-Partei verliert an Zuspruch unter den Bürgern und will ihre Macht über die nächsten Wahlen hinwegretten. Dafür ist sie bereit, selbst die in der heutigen Geopolitik so lebensnotwendige Solidarität mit der Ukraine in Frage zu stellen. Polens Regierung verteidigt ihre Interessen bei dem Getreidestreit mit einer unglaublichen Härte. Natürlich muss man die Sorgen der Landwirte verstehen. Aber es ist unbegreiflich, wie man diese Sorge mit den Nöten eines Landes gleichsetzen kann, das unter einem Krieg leidet und überdies die EU-Außengrenze verteidigt", urteilt VERSLO ŽINIOS aus Vilnius.
Für die polnische RZECZPOSPOLITA sollten die Ukrainehilfen Staatsraison sein: "Die Wahrheit ist, dass es im Interesse Polens liegt, dass die Ukraine ein starker, von Russland unabhängiger Staat ist. Wichtig ist, dass eine freie Ukraine die russische Expansion in Richtung unseres Landes verhindert." Das war die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die tschechische Zeitung PRAVO aus Prag mahnt zur Mäßigung: "Auch in Brüssel sollte man strategischer denken. Jede weitere Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und den europäischen Ländern kann die Entscheidung über weitere Hilfsmaßnahmen für Kiew negativ beeinflussen. Ende des Jahres sollen die Staats- und Regierungschefs über ein neues Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von 74 Milliarden Euro entscheiden."
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio hält fest: "Ein Konflikt zwischen der Ukraine und den unterstützenden Staaten wäre genau das, was der russische Präsident Putin will. Polen sollte das Thema Ukraine nicht innenpolitisch instrumentalisieren und gemeinsam mit der EU eine Lösung finden."
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET resümiert: "Sicher wird Polen seine Hilfe nicht einstellen. Nach den Wahlen wird es irgendeine Vereinbarung über Getreideimporte geben, und dann läuft die Waffenhilfe wieder an. Aber auf diese Weise spielt man Putin in die Hände, und diese Wahlen gelten als die wichtigsten seit dem Ende des Kommunismus. Es könnte dies die letzte Gelegenheit sein, ein autoritäres System wie in Ungarn zu verhindern, was auch Auswirkungen auf die gesamte EU haben könnte. Es kommt nun darauf an, inwieweit die Polen einsehen, dass Demokratie und Rechtsstaat wichtig und schützenswert sind", unterstreicht das HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.
Nun ein Blick nach China. EU-Handelskommissar Dombrovskis wird am Montag in Peking zu Konsultationen erwartet. Im Vorfeld hatte er die Handelsbeziehungen der Europäischen Union mit China als sehr unausgewogen bezeichnet. Die Staats-Zeitung HUANQIU SHIBAO bemerkt: "Die Stimmung in Europa ist nicht günstig für die anstehenden Gespräche. Die EU erwägt eine Anti-Subventionsstrategie gegen chinesische Elektroauto-Hersteller. Dabei haben die Europäer wohlwollend vergessen, dass sie sich schon lange im Wettlauf mit den Amerikanern um Subventionen für eigene Industrien befinden. Selbst innerhalb der Europäischen Union gibt es Regierungen wie die deutsche und die französische, die ihre Automobilindustrie mit staatlichen Maßnahmen stützen. Das Vorgehen gegen China ist nur ein Deckmantel für den eigentlichen Handelsprotektionismus und hilft nicht dabei, eigene Produkte auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu machen. Stattdessen sollten die Europäer lieber die Ursache für den Rückstand in den eigenen Reihen suchen", empfiehlt HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Zum Schluss geht es um den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach. Der Schweizer TAGES-ANZEIGER thematisiert die Rolle der EU: "Nicht lange ist es her, da zeigte sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lächelnd und händeschüttelnd mit dem Diktator von Aserbaidschan. Es sah nach dem Anfang einer neuen Freundschaft aus. Gas für Haushalte und Unternehmen in Europa kommt seither vermehrt aus Aserbaidschan statt aus Russland, das sein Nachbarland Ukraine überfallen hat. Diese Woche hat Präsident Aliyew seine Truppen im mehrheitlich armenisch besiedelten Berg-Karabach einmarschieren lassen und blamierte damit auch die EU. Kommissionspräsidentin von der Leyen und der aserbaidschanische Staatschef hatten im Sommer die neue Partnerschaft mit einer gemeinsamen Absichtserklärung besiegelt. Aserbaidschan soll die Exporte Richtung EU bis 2027 über den südlichen Gaskorridor schrittweise auf 20 Milliarden Kubikmeter verdoppeln. Die Europäische Union habe beschlossen, sich breiter aufzustellen, sich von Russland unabhängiger zu machen und sich 'zuverlässigeren, vertrauenswürdigeren Partnern' zuzuwenden, sagte von der Leyen damals. Das klingt spätestens jetzt naiv", findet der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA erläutert, warum Russland den Waffenstillstand und die Gespräche über den zukünftigen Status der Region Bergkarabach vermittelt hat: "Russland steckt bis zum Hals im Ukraine-Krieg und wollte deshalb keine weitere Front, und darum war Moskau ein solches Abkommen wichtig. Der Konflikt ist ein Erbe aus der Zeit der Auflösung der Sowjetunion. Bergkarabach ist nur ein Mosaiksteinchen im Pulverfass Kaukasus. Noch spielen Russland und die Türkei eine wichtige Rolle, um ein gewisses Gleichgewicht zu bewahren, aber ein weiterer Krieg auf ehemals sowjetischem Territorium ist bei Weitem nicht ausgeschlossen."