30. September 2023
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren unter anderem zur vorgezogenen Parlamentswahl in der Slowakei und zum Konflikt um Berg-Karabach. Doch zunächst geht es um die andauernde Asyldebatte in Europa.

30.09.2023
In Bratislava steckt ein Mann seinen Stimmzettel in eine Wahlurne.
Die vorgezogenen Parlamentswahlen in der Slowakei sind ein Thema in der Presseschau. (Jaroslav Novák / TASR / dpa / Jaroslav Novák)
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT beleuchtet die Stimmung in Deutschland: "Die Kommunen schlagen Alarm. Länder und Bund streiten über die Kostenbeteiligung. Bis zu 84 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass ihr Land zu viele Flüchtlinge aufnimmt. Nicht zuletzt deshalb sind die Rechtsextremen auf dem lange befürchteten Vormarsch. Deutschland hat sich inzwischen der strengeren Migrationspolitik im übrigen Europa angeschlossen, aber selbst im konservativen Bayern hört man örtliche CSU-Anhänger noch sagen: Menschen, die tatsächlich von Krieg oder Katastrophen bedroht sind, verdienen unseren Schutz. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen sieht das, trotz aller Sorgen über die Zahl der Asylbewerber, genauso. Das heißt: Es geht darum, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die kein Recht auf Asyl haben, auch tatsächlich wieder gehen", vermerkt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz findet, es sollte den Staaten ermöglicht werden, eigene "Wege auszuprobieren, um die illegale Migration zu bekämpfen – so wie dies Großbritannien plant, das Personen, die auf irregulärem Weg über den Ärmelkanal ins Land gelangen, unverzüglich nach Ruanda schicken will, wo sie auf die Abwicklung ihres Asylverfahrens warten sollen. Der Widerstand ist enorm, die Justiz hat das Vorhaben blockiert. Tatsächlich wirft ein solch unzimperliches Vorgehen moralische Fragen auf; doch mit Moral allein gelangt man nicht unbedingt zu einer humanitären Lösung", meint die NZZ.
Die italienische Zeitung IL FATTO QUOTIDIANO kritisiert: "Es ist schäbige Wahlpropaganda, so zu tun, als ob man die Migration mit Abkommen mit autoritären Regimen stoppen und die Seenotrettungsaktivitäten von NGOs mit dem Vorwand von Seeblockaden sanktionieren könne. Die italienische Regierung macht sich mit ihren Parolen mitschuldig an einem Völkermord, für den wir alle zur Rechenschaft gezogen werden. Eine Änderung der Dublin-Regeln ist notwendig, um wenigstens den Asylberechtigten zu ermöglichen, europäischen Boden zu erreichen", verlangt IL FATTO QUOTIDIANO aus Rom.
Der Konflikt um Berg-Karabach ist Thema in der dänischen Zeitung JYLLANDS-POSTEN: "Über die Hälfte der ursprünglich 120.000 Bewohner sind bereits nach Armenien geflohen, die Übrigen könnten bald folgen. Das ist nichts anderes als eine ethnische Säuberung, wie sie Europa zuletzt in den neunziger Jahren auf dem Balkan erlebt hat. Inzwischen haben die Behörden der selbstausgerufenen Republik Arzach erklärt, dass sie sich zum Jahresende auflösen. Das ist zwar eher ein symbolischer Schritt, da die Unabhängigkeit von Berg-Karabach international nicht anerkannt war. Aber trotzdem stand sie für den Traum der armenischen Minderheit auf dem Territorium von Aserbaidschan. Vor dem Hintergrund des Völkermords an den Armeniern 1915 müsste die internationale Gemeinschaft umso heftiger gegen die Vertreibung protestieren", unterstreicht JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT geht ein auf den aserbaidschanischen Diktator Aliyev. Dieser habe geschickt "zwischen dem Westen und Russland laviert. Gegenüber der EU präsentiert er sich als wichtiger Gaslieferant, und er nutzt die Tatsache für sich, dass der Westen seinen Fokus vor allem auf die Ukraine richtet und die Unverletzlichkeit von Grenzen fordert. Natürlich gibt es keine Rechtfertigung für die Vertreibung der Armenier aus ihrer angestammten Heimat Bergkarabach, und schon seit dem Konflikt 2020 hat die EU nur zugesehen. Da nun Aliyev womöglich auch noch über einen Angriff auf Armenien nachdenkt, muss die EU erkennen, dass die Zeit sanfter Gespräche vorbei ist", betont HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
Die russische Zeitung KOMMERSANT hält den Konflikt um Berg-Karabach für beendet und erwartet: "Armenien und Aserbaidschan werden sich nun mit anderen Problemen auseinandersetzen müssen. Ein Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern wurde bekanntlich noch nicht unterzeichnet. Grenzfragen sind nicht geklärt und die Frage der Verbindung der Autonomen Republik Nachitschewan mit dem 'großen' Aserbaidschan ist nicht gelöst. Doch nun bekundet Baku nicht nur seine Bereitschaft, die Arbeit am Friedensabkommen abzuschließen, sondern hält auch eine schnelle Unterzeichnung für möglich. Der Fall Berg-Karabach bestätigte erneut: Territorialkonflikte im postsowjetischen Raum werden bisher nur durch Kriege gelöst. Und am Ende bekommt der Stärkste das Territorium." So weit KOMMERSANT aus Moskau und so viel zu diesem Thema.
Die tschechische Zeitung PRAVO blickt mit Sorge auf die heutigen Parlamentswahlen in der benachbarten Slowakei: "Die größten Aussichten auf einen Wahlsieg hat laut Umfragen Robert Fico mit seiner Partei Smer. Nach dreieinhalb Jahren in der Opposition ist Ficos Rhetorik schrill geworden: Er kritisiert Brüssel wegen der antirussischen Sanktionen, droht mit einer Flut von Migranten, weigert sich, 'auch nur eine Kugel' in die Ukraine zu schicken, falls er an die Macht zurückkehrt, feiert den Jahrestag des Slowakischen Nationalaufstands mit Faschisten und verbrüdert sich offen mit prorussischen Gruppierungen. Sollte Fico an die Macht zurückkehren, bedeutet dies nichts Gutes und die Slowakei könnte dorthin gelangen, wo sie schon einmal war – in die Isolation", befürchtet PRÁVO aus Prag.
Die ebenfalls in Prag erscheinende Zeitung LIDOVÉ NOVINY sieht die Abstimmung dagegen etwas nüchterner: "Natürlich wird erst die Zeit zeigen, ob die Warnungen vor der Rückkehr der giftigen Verbindung des Staates zur Mafia und dem gefährlich entgegenkommenden Gesicht des Kremls berechtigt waren. Aber es wäre ratsam, ruhig Blut zu bewahren. Denn anders als 1998, als die Ära des autokratischen Premierministers Vladimir Mečiar endete, der die Slowakei zu einem schwarzen Loch auf der europäischen Landkarte machte, wirbt diesmal kein einheitlicher Kandidat gegen den größten 'Schädling' um die Gunst der Wähler. Offenbar stellt die mögliche Rückkehr von Robert Fico für die Parteien, die zur Wahl antreten, keine so große Bedrohung dar, wie die sich vertiefende Isolation des Landes unter Mečiar vor einem Vierteljahrhundert", spekuliert die tschechische Zeitung LIDOVÉ NOVINY.
Mit Polen, wo Mitte Oktober ein neues Parlament gewählt wird, beschäftigt die spanische Zeitung EL PAIS: "Die Regierungspartei PiS hat ihre schlimmsten Register gezogen. Auf einmal wurden Waffenlieferungen an die Ukraine in Frage gestellt, und gemeinsam mit Ungarn und der Slowakei widersetzte sich Polen bei der Frage von Getreideimporten offen der EU-Kommission. Manches mag dem Wahlkampf geschuldet sein, aber die ideologische Ausrichtung ist klar. Inzwischen erstarkt laut Umfragen mit 'Konföderation' außerdem eine Partei, die sogar noch weiter rechts als die PiS liegt, und beide kämpfen um den konservativen Wählerrand. 'Konföderation' leugnet den Klimawandel, ist gegen Gleichberechtigung und Feind jeglicher Einwanderung. Sie macht auch gar keinen Hehl aus ihrer Fremden- und Europafeindlichkeit. Die Ultranationalisten überbieten sich inzwischen mit radikalen Parolen, und es wäre schlimm, wenn sie nach der Wahl eine antieuropäische, antideutsche und offen fremdenfeindliche Regierung bilden würden", betont EL PAIS aus Madrid.
Abschließend äußert sich die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN zur Entscheidung von Russlands Präsident Putin, einen früheren Wagner-Kommandeur mit dem Aufbau einer Freiwilligen-Truppe zu beauftragen: "Andrej Troschew ist der Mann, den Putin bereits unmittelbar nach dem kurzen Aufstand von Prigoschin als neuen Wagner-Chef vorgeschlagen hatte. Die Entscheidung zeigt, dass Putin, für den vor allem das Aufrechterhalten seines Regimes wichtig ist, offenbar weiterhin kein Vertrauen in sein Militär hat. Eine separate, starke Truppe soll abschrecken. Allerdings: Putins Strategie birgt auch Risiken, wie Verrat oder Chaos in der Kommunikation zwischen Militär und Söldnern." Das war zum Ende der internationalen Presseschau ASAHI SHIMBUN aus Tokio.