02. Oktober 2023
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird unter anderem die Einigung des US-Kongresses auf einen Übergangshaushalt. Im Mittelpunkt steht aber der Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahlen in der Slowakei.

Slowakei, Bratislava: Robert Fico (M), Vorsitzender der Partei Smer-Sozialdemokratie, spricht auf einer Pressekonferenz über die Ergebnisse der vorgezogenen Parlamentswahlen.
Viele ausländische Zeitungen kommentieren den Ausgang der vorgezogenen Parlamentswahlen in der Slowakei. (Darko Bandic/AP/dpa)
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona erläutert, das linkspopulistische Bündnis SMER-SD unter der Führung von Robert Fico habe einen Sieg errungen: "Fico ist ein Politveteran und war bereits mehrmals slowakischer Premierminister. In seinem Wahlkampf setzte er auf prorussische und antiwestliche Positionen und wandte sich gegen die LGBT-Gemeinschaft, gegen Migranten und gegen Militärhilfe für die Ukraine. Für die Slowakei würde das eine vollständige Neuausrichtung ihrer Außenpolitik bedeuten. Zwar ist sie mit fünfeinhalb Millionen Einwohnern ein relativ kleines Land, aber der Sieg von Fico verstärkt die Spannungen in Europa, und Polen und Ungarn hätten damit einen weiteren Verbündeten", notiert LA VANGUARDIA.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD aus Wien gibt zu bedenken, Fico müsse zunächst "eine Koalition zimmern, bevor er zum vierten Mal Premierminister werden kann. Der 59-Jährige hat dabei zwar sehr gute Karten – aber das eine oder andere Zugeständnis an seine potenziellen Partner wird wohl auch er machen müssen. Interessanter ist die Frage, in welche Richtung Fico das EU- und NATO-Land Slowakei lenken wird, sobald er wirklich erneut am Steuer sitzt. Die Anzeichen, die es bisher dafür gibt, sind durchaus widersprüchlich", findet DER STANDARD.
Mit Blick auf die nun anstehende Regierungsbildung im Nachbarland hebt die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY hervor: "Die Frage ist, ob sie radikal antiwestlich und undemokratisch sein wird oder mit Rücksicht auf Brüssel pragmatischere Züge annimmt. Es wird sich zeigen, wie sehr sich der EU- und Mitgliedstaat Slowakei hin zum ungarischen Modell eines autoritären Staates bewegt. Fico hat bereits erklärt, dass er die Spitzen der Polizei und der Sonderstaatsanwaltschaft auswechseln will, die er für politisiert hält. Doch damit dürften die Ermittlungen in Dutzenden Fällen, in denen es um die Verwicklung des organisierten Verbrechens mit der Politik in Ficos früheren Amtszeiten geht, im Sande verlaufen", befürchtet HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
Die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid stellt fest: "Bis 2000 war Fico noch ein erklärter Europäer, aber er hat sich grundlegend gewandelt. Seine Bewunderung für Putin und Orbán und seine ständigen Attacken gegen die Ukraine und ihre EU- und NATO-Ambitionen lassen befürchten, dass er die Rüstungshilfe für Kiew einstellt. Während seiner früheren Amtszeiten als Premierminister gab Fico der Slowakei eine illiberale Ausrichtung, er hetzte gegen Flüchtlinge und griff die Presse an. Für die EU ist das Anlass zur Sorge, wenn immer mehr Mitglieder ihre Grundlagen in Frage stellen", unterstreicht EL MUNDO.
Die irische Zeitung THE IRISH TIMES aus Dublin bewertet den designierten slowakischen Regierungschef wie folgt: "Als Fico in der Vergangenheit an der Macht war, erwies er sich als pragmatischer und verständnisvoller gegenüber seinen EU-Kollegen, als es seine Wahlkampfrhetorik befürchten lässt. Er wird sich sicherlich der Notwendigkeit bewusst sein müssen, dringend benötigte EU-Mittel für die verschuldete Wirtschaft seines Landes weiterhin zu erhalten."
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA analysiert: "Es entsteht nun ein starker Block EU-kritischer Länder. Auch die derzeitige polnische Regierung greift die EU weiterhin an und erhält aufgrund der Verletzung der Rechtsstaatlichkeits-Grundsätze und der Unabhängigkeit der Justiz keine Zahlungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds. All dies ermutigt Frankreich, Spanien oder Deutschland nicht, die Ukraine in die EU aufzunehmen. Stattdessen werden sie dazu ermutigt, eine Reform der Gemeinschaft durchzuführen, die die EU-Länder, die nicht bereit sind, ihre Souveränität zu teilen, und die demokratischen Werte nicht respektieren, schrittweise an den Rand drängt", erwartet die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio prognostiziert in einem Gastkommentar: "Sollte Fico tatsächlich zum dritten Mal Ministerpräsident werden, wird die EU Schwierigkeiten haben, der Ukraine weiter zu helfen. Denn: Wenn in zwei Wochen in Polen die Regierungspartei gewinnen sollte, könnten drei von vier Visegrad-Staaten – nämlich Ungarn, die Slowakei und Polen – von der Unterstützung für die Ukraine aussteigen, was eine gemeinsame Entscheidung der Europäischen Union für die Ukraine-Hilfe sicherlich erschweren wird", vermutet NIHON KEIZAI SHIMBUN.
Themenwechsel. Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN aus Århus geht ein auf den Haushaltstreit in den USA: "Zuletzt konnte ein Shutdown verhindert werden, der ernste Folgen für die Weltwirtschaft, auf jeden Fall aber für Millionen Staatsbedienten in den USA gehabt hätte. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy hatte lange eine Entscheidung verhindert, legte aber am Schluss einen revidierten Vorschlag zur Abstimmung vor, ohne zu wissen, ob dieser angenommen werden würde. Natürlich ist es gut, dass im letzten Augenblick eine Lösung gefunden wurde, aber es handelt sich nur um eine Atempause: In 45 Tagen muss die Welt wieder bangen", hebt JYLLANDS-POSTEN hervor.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF aus Amsterdam betont, die weiteren Ukraine-Hilfen der USA stünden auf der Kippe: "So war in dem Deal, der vorerst sicherstellt, dass es keinen 'Shutdown' der USA geben wird, kein Platz für ein Budget für Kiew. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat Washington 43,9 Milliarden Dollar an Hilfe geleistet. Die Frage ist, ob der Dollarfluss nun versiegt oder stark reduziert wird."
Das WALL STREET JOURNAL verweist darauf, dass es bei den Republikanern nun die Bemühungen gebe, den Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses aus dem Amt zu jagen: "Die Gegner McCarthys behaupten, die einzigen Republikaner mit Prinzipien zu sein, aber ihre einzige offensichtliche Strategie - und ihr einziges scheinbares Ziel - besteht darin, alles in die Luft zu jagen. Wer auch immer nach McCarthy den Vorsitz des Repräsentantenhauses gewinnt, würde mitten in der Legislaturperiode des Kongresses in den Job gedrängt werden, inmitten einer Haushaltsverhandlung, bei der viel auf dem Spiel steht, und eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Biden. Er wäre derselben Erpressung ausgesetzt, den Stuhl zu räumen, die über McCarthy schwebt. Welcher Masochist will diese Aufgabe?", fragt das WALL STREET JOURNAL.
Abschließend noch Stimmen zu der Sprengstoffattacke im Regierungsviertel der türkischen Hauptstadt Ankara. Die arabische Zeitung RAI AL-YOUM spekuliert: "Verantwortlich für den Anschlag ist in erster Linie offenbar die separatistische Arbeiterpartei Kurdistans. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass andere Parteien hinter ihr stehen, die von den USA unterstützt werden. Deren Beziehung zur Türkei ist angesichts der immer engeren Freundschaft zwischen Präsident Erdogan und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin sowie der militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen ihren Ländern wie auch des anhaltenden türkischen Veto gegen die NATO-Mitgliedschaft Schwedens in eine Krise geraten. Die Antwort von Präsident Erdogan auf diesen Terrorplan kann nur eine rasche Annäherung an Syrien und Iran sowie engere Beziehungen zu Russland und China sein", meint RAI AL-YOUM, die in London erscheint.
Die türkische Zeitung HÜRRIYET aus Istanbul führt aus: "Dass die Angreifer den Eröffnungstag der neuen Legislaturperiode der Großen Türkischen Nationalversammlung gewählt haben, ist auch im Hinblick auf die Botschaft, die sie vermitteln wollen, bemerkenswert. Ziel des Angriffsversuchs war das Innenministerium, eine der führenden Institutionen der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus. Auch das ist ein wichtiges Detail. Es sollte wohl das Signal gesendet werden, dass die Terrororganisation PKK, die in der Türkei untergegangen ist, durch ihren Ableger in Syrien immer noch stark ist." Das war zum Ende der internationalen Presseschau ein Auszug aus HÜRRIYET.