
Die WASHINGTON POST aus den USA analysiert: "McCarthys Führung war bemerkenswert chaotisch. Unter seiner Aufsicht geriet das Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Die Trumpisten in seiner Partei demütigten ihn regelmäßig, indem sie verhinderten, dass wichtige Vorhaben im Repräsentantenhaus überhaupt zur Abstimmung kamen. Nur mit Hilfe der Demokraten gelang es ihm, am Wochenende genügend Stimmen zu sammeln, um die Haushaltssperre in letzter Minute abzuwenden. Nachdem McCarthy seine Entscheidung kundtat, nicht erneut zu kandidieren, sagte er mit schwarzem Humor: 'Ich habe Geschichte geschrieben, nicht wahr?' Tatsächlich hat er Spuren hinterlassen: McCarthy hat der Institution des Repräsentantenhauses eine große Wunde zugefügt, die nur schwer heilen wird", prognostiziert die WASHINGTON POST.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE ist folgender Meinung: "Die Demontage des Kongressführers Kevin McCarthy zeigt, dass sich die einstige 'Grand Old Party' vollends zur Partei von Ex-Präsident Donald Trump gewandelt hat. Wie eine Naturgewalt hat er sich erst der Republikaner und dann der US-Politik bemächtigt, und es steht zu befürchten, dass Päsident Biden ihm nicht ein zweites Mal Paroli bieten kann. Die Perspektiven für die USA sind, Stand heute, nicht eben gut. Den Republikanern und ihren Kongressführern Mitch McConnell und Kevin McCarthy fehlte es an Zivilcourage, Trump nach der verlorenen Wahl 2020 ins Ausgedinge zu schicken. Stattdessen hat sich die Partei radikalisiert, und es wurden darin Trumpisten groß. Die Staatskrise, ein Staatsnotstand, droht unter Trump II zum Dauerzustand zu werden", befürchtet DIE PRESSE aus Wien.
"Republikaner in Trümmern“, titelt die polnische RZECZPOSPOLITA und führt aus: "Die Partei ist so schockiert, dass sie sich eine Woche Zeit gelassen hat, um Kandidaten für die Nachfolge von Kevin McCarthy zu finden. Und dies trotz der Tatsache, dass sich das Land in einer politischen Krise befindet und der Kongress bis zum 17. November einem Kompromiss-Haushaltsentwurf zustimmen muss, um eine Lähmung der grundlegenden Institutionen des Staates zu vermeiden. Der Zustand der Republikaner steht in krassem Gegensatz zur sehr effizienten Maschinerie der Demokratischen Partei. Da die USA demnächst in eine entscheidende Phase des Präsidentschaftswahlkampfs eintreten, könnten die Einigkeit der Demokraten und die Spaltung der Republikaner darüber entscheiden, wer letztlich das Weiße Haus gewinnt“, vermutet die Warschauer RZECZPOSPOLITA.
"Bei der historischen Absetzung des Repräsentantenhaus-Sprechers McCarthy lohnt es sich, auch einen Blick auf das Verhalten der Demokraten zu werfen", heißt es in der taiwanesischen Zeitung LIANHE BAO: "Warum haben sie McCarthy nicht beigestanden, der beim Haushaltsstreit erfolgreich mit Präsident Biden zusammengearbeitet hat? Die Antwort ist eine traurige. Im Repräsentantenhaus gibt es kaum noch Raum für die politische Mitte. Beide Parteien bekämpfen sich und versuchen dem Gegner zu schaden. McCarthy ist für die Demokraten ein Vertreter der Rechten, und für die rechten Republikaner ist er nicht rechts genug. Dieser radikalisierten politischen Welt ist McCarthy zum Opfer gefallen", meint LIANHE BAO aus Taipeh.
Die LOS ANGELES TIMES aus den USA merkt an: "Der Übergangshaushalt, für den McCarthy einen politischen Preis zahlte, hält die US-Regierung bis zum 17. November am Laufen. Danach wird eine Zusammenarbeit beider Parteien erforderlich sein, um den Regierungsbetrieb fortzusetzen. Im Interesse ihrer Partei und des Landes sollten die Republikaner bei der Wahl eines neuen Sprechers einen Vermittler und keinen Chaoten suchen."
Die dänische Zeitung POLITIKEN bemerkt: "Als man dachte, die politische Spaltung in den USA könne nicht noch schlimmer werden, hat das Chaos nun durch die Absetzung von McCarthy durch die Republikaner weiter zugenommen. Der Sprecher des Repräsentantenhauses war kein Held. Er war unglaubwürdig und ein schwacher Anführer, und darum sprangen ihm die Demokraten nicht zur Seite. Aber dass ihn die Republikaner aus Wut über einen Kompromiss mit den Demokraten hinauswarfen verdeutlicht die Radikalisierung der Partei. Die Republikaner verfügen zwar über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, können sich aber nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die Republikaner waren einst eine langweilige konservative Partei, heute sind sie ein heterogener Haufen von Anarchisten, Trumpisten und Verschwörungsgläubigen. In einem Land mit einem Zwei-Parteien-System kommt es einer Katastrophe gleich, wenn eine der beiden Parteien auf diese Weise quasi implodiert", gibt POLITIKEN aus Kopenhagen zu bedenken.
Die spanische Zeitung EL PAIS aus Madrid schreibt: "Die USA haben nun keinen Sprecher des Repräsentantenhauses mehr. Das bedeutet nicht weniger, als dass das dritthöchste Amt im Staat vakant ist. Acht Dissidenten aus den Reihen der Republikaner haben gereicht, um die Institutionen des Landes ins Chaos zu stürzen. So eine Situation hat es in den USA noch nie gegeben, und deshalb sind Verfassungsspezialisten gefragt, wie es weitergehen soll."
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG notiert: "Die Abwahl McCarthys aus seinem Amt belegt die wachsende Unfähigkeit des amerikanischen Kongresses, seinen eigentlichen Zweck zu erfüllen: Gesetze zum Wohle der Bürger zu verabschieden und das Funktionieren der Administration und Bundesverwaltung zu ermöglichen. Alle Abgeordneten, die McCarthy ihre Stimme verweigerten, wissen genau, dass sie Tür und Tor für politisches Chaos in Washington öffneten. Das Repräsentantenhaus hat sich vertagt, bis es frühestens in einer Woche zur Wahl eines neuen Speakers schreiten wird. Das allein wäre nicht weiter schlimm, wenn jemand eine Ahnung hätte, wie ein mehrheitsfähiger Nachfolger bestimmt werden könnte. Doch die Ratlosigkeit ist groß", beobachtet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT aus Amsterdam wirft ein: "Der Speaker des Repräsentantenhauses hat eine mächtige Rolle im amerikanischen System: Ohne ihn gibt es keine Gesetze und Entscheidungen, auch nicht über die Ausgaben. Jetzt herrscht Chaos im Kapitol. McCarthy wurde für einen seltenen Kompromiss bestraft. Er hatte sich am Samstag mit den Demokraten verständigt, um zu verhindern, dass die Regierung blockiert wird und kein Geld mehr ausgeben kann. Doch eine Zusammenarbeit mit der gegnerischen Partei gilt einigen radikalen Republikanern als Verrat."
Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN aus Tokio erläutert: "Die Vereinigten Staaten führen die auf Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit basierte Weltordnung an. Diese Rolle kann Washington allerdings nicht mehr ausüben, sollten die USA auf längere Zeit mit ihrem innenpolitischem Chaos beschäftigt sein. Das könnte dann die gesamte Welt in eine instabile Lage bringen. Das US-Parlament sollte dies erkennen und sich seiner Verantwortung bewusst werden."
Nun noch ein Kommentar zur irregulären Migration nach Europa. Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY erläutert: "Wie eine Welle breiten sich in Mitteleuropa die Nachrichten über neue und vorerst noch vorübergehende Grenzkontrollen aus. Tschechien und Polen haben sie an der Grenze zur Slowakei eingeführt, Deutschland wiederum an seinen Grenzen zu Polen und Tschechien. Doch kein europäischer Staat ist in der Lage, alleine mit dem Ausmaß der Migration, das wir heute sehen und für die Zukunft auch aufgrund der Klimakrise erwarten, klarzukommen. Selbstverständlich wird es schwer sein, eine Balance zu finden zwischen den Befürchtungen um die eigene Sicherheit und Identität auf der einen und den Bedürfnissen der Wirtschaft auf der anderen Seite. Doch es bleibt uns nichts anderes übrig, als von den Politikern in ganz Europa zu verlangen, dass sie sich um eine gemeinsame Lösung bemühen." Das war zum Ende der internationalen Presseschau HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.