11. Oktober 2023
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird das Leck an der Gas-Pipeline Balticconnector in der Ostsee. Bestimmendes Thema in den Kommentarspalten bleibt aber der Krieg im Nahen Osten.

Israel, Ofakim: Israelische Soldaten beziehen Stellung. Israelische Soldaten konnten nach Medienberichten Geiseln, die in einem Haus in Ofakim an der Grenze zum Gazastreifen festgehalten worden seien, wieder befreien.
Hamas-Großangriff auf Israel (Ilan Assayag/AP/dpa)
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE blickt auf die Hilfszahlungen an die Palästinenser: "Nach dem unfassbaren Terrorakt der Hamas in Israel haben Österreich und Deutschland nun also die Zahlungen an die Palästinensergebiete erst einmal gestoppt. Da geht es immerhin um rund 270 Millionen Euro im Jahr, die aus Steuermitteln an die Palästinenser fließen – und damit zumindest indirekt das umfangreiche Waffenarsenal der dortigen Terrororganisationen mitfinanzieren, während sich die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung gleichzeitig permanent verschlechtert. Jetzt wird evaluiert. Das ist grundsätzlich einmal eine gute Idee, denn die Entwicklungshilfe in ihrer derzeitigen Form hat nicht nur in Palästina große Schwächen: Sie behindert vielfach wirtschaftliche Entwicklung, statt sie zu fördern. Sie ist ein Quell riesiger Korruption", unterstreicht DIE PRESSE aus Wien.
Die meisten EU-Staaten lehnen dagegen das Einfrieren von Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde ab. Dazu meint die niederländische Zeitung DE VOLKSRANT aus Amsterdam: "Das ist richtig. Die EU sollte sich nach den schrecklichen Hamas-Anschlägen nicht von Emotionen leiten lassen. Sie muss weiterhin zwischen der Hamas und dem palästinensischen Volk unterscheiden. Zwar darf kein europäisches Geld an die Terrororganisation Hamas gehen, aber die Palästinenser dürfen auch nicht zu Opfern werden."
Die in London erscheinende arabischsprachige Zeitung SHARQ AL-AWSAT schreibt: "Israel war immer stolz auf seine Fähigkeit zur Abschreckung. So kann man davon ausgehen, dass es versuchen wird, die Situation wieder so herzustellen, wie sie vor dem Angriff war. Das ist der Hamas und ihren Anhängern offenbar nicht bewusst - und zwar nicht nur in dieser Schlacht, sondern in allen ihren sinnlosen Kriegen. Denn die Hamas und ihre Anhänger haben die Angewohnheit, Kriege zu beginnen, ohne an den nächsten Tag zu denken."
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT aus Baku sieht es so: "Der Gazastreifen wird dem Erdboden gleichgemacht. Daran sind die Palästinenser selbst schuld. Die Frage ist, wie und wann sie aus dieser Lage herauskommen. Die Hamas hat ein Massaker an hunderten unschuldigen Menschen angerichtet, an 18- und 20-Jährigen, deren einzige Schuld war, dass sie das Militärdienstalter erreicht haben. Sogar Babys, Kinder, Teenager fielen der Hamas zum Opfer. Einige von ihnen erschossen die Terroristen an Ort und Stelle, andere nahmen sie als Geiseln und ließen sie später enthaupten."
Die israelische Zeitung HAARETZ kommentiert: "Am vierten Kriegstag kann man hoffen, dass sich eine Veränderung abzeichnet, die zum Teil auf eine Änderung der israelischen Vorgehensweise zurückzuführen ist. Der Schock und die Lähmung, die nach dem Überraschungsangriff der Hamas und seinen schrecklichen Folgen herrschten, beginnen offenbar nachzulassen. Das Militär mobilisiert Reservekräfte in besonders großer Zahl, greift den Gazastreifen ununterbrochen aus der Luft an und bereitet gleichzeitig ein mögliches Bodenmanöver vor, dessen Ausmaß noch unklar ist. Die irreguläre Entscheidung der USA, einen Flugzeugträger in die Nähe Zyperns zu verlegen, könnte eine abschreckende Wirkung haben", hält HAARETZ aus Tel Aviv fest.
In der EU und den USA steht die Hamas schon seit vielen Jahren auf den Terrorlisten. In der Schweiz bislang noch nicht. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG merkt dazu an: "Schon seit Jahren ist bekannt, dass es sich bei der Hamas um eine terroristische Organisation handelt, die nicht weniger als die Vernichtung des Staates Israel zum Ziel hat. Doch erst die beispiellosen Anschläge vom 7. Oktober mit Hunderten von Toten scheinen der Schweiz diese Realität vor Augen geführt zu haben. Jetzt fordern Vertreterinnen und Vertreter aus allen Lagern plötzlich die Einstufung der Hamas als Terrororganisation. Bisher stellte sich die Schweiz konsequent gegen ein Verbot, unter anderem weil es die Vermittlerrolle der Schweiz in der Region gefährden könnte." So weit die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die chinesische Zeitung MINGPAO aus Hongkong wirft ein: "Während seines Besuchs in China brachte der demokratische US-Senator Schumer seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass China den Angriff der Hamas auf Israel nicht verurteilt habe. Dabei hat Chinas ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen klipp und klar erklärt, dass die Regierung in Peking jeden Angriff auf Zivilisten verurteilt. Der einzige Ausweg für eine friedliche Koexistenz von Israelis und Palästinensern ist die Umsetzung der Zweistaatenlösung."
Die taiwanesische Zeitung ZHONGGUO SHIBAO aus Taipeh notiert: "Noch vor kurzem hat der nationale Sicherheitsberater der USA freudig verkündet, dass der Nahe Osten dank der von Washington vermittelten Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien so stabil sei wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr. Inzwischen muss Washington aber fürchten, sich zu übernehmen, sollte es sich neben dem Krieg in der Ukraine und dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern auch noch um die Verteidigung Taiwans kümmern müssen."
"Kiew nicht vergessen", titelt die österreichische Zeitung DER STANDARD und führt aus: "Kreml-Chef Putin hat einen Lauf. Die ukrainische Gegenoffensive gegen die russischen Invasoren kommt kaum voran, Streitigkeiten im US-Kongress blockieren die Unterstützung für Kiew, und nun verschiebt der Angriff der Hamas auf Israel den Fokus der Weltpolitik. Man sollte nicht hinter allem und jedem den langen Arm Moskaus vermuten. Auch für Russland läuft der Krieg gegen die Ukraine nicht wie geplant. Putins angebliches strategisches Geschick hat sich allzu oft als Trugbild erwiesen. Die Entwicklung aber spielt ihm in die Karten", beobachtet der Wiener STANDARD.
Die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD ist ähnlicher Meinung: "Der brutale Angriff der Hamas auf Israel geschah an Wladimir Putins Geburtstag. Die Angriffe könnten am Ende das Geschenk sein, um das der russische Präsident gebeten hatte. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Russland materielle Unterstützung geleistet hat. Doch Analysten des 'Institute for the Study of War' haben angemerkt, dass der Kreml den Gewaltausbruch in Israel wahrscheinlich nutzen wird, um von seinen Operationen in der Ukraine abzulenken."
Nun zu einem anderen Thema. Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm bemerkt zu den Schäden an der Gas-Pipeline Balticconnector: "Noch ist nicht wirklich klar, was zu dem Druckabfall in der Gaspipeline 'Balticconnector' zwischen Finnland und Estland geführt hat, aber das finnische Gasunternehmen 'Gasgrid' spricht von einem großen Leck auf dem Meeresgrund. Man muss sich vor allzu raschen Schlussfolgerungen hüten, aber Finnlands Premier Orpo bestätigte gestern, dass der Schaden nicht auf natürliche Ursachen zurückzuführen sei. Da liegt der Verdacht nahe, dass Russland dahintersteckt und es sich um nichts anderes handelt als Sabotage."
Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki erläutert: "Russland wurde bislang nicht als Schuldiger benannt, ist aber der einzige Verdächtige und hat ein Motiv für einen solchen Angriff. Lange hat Finnland versucht, Arbeitsbeziehungen zu Russland aufrecht zu erhalten, aber im Februar 2022 erklärte Präsident Niinistö nach dem Überfall auf die Ukraine, die Maske sei gefallen. Finnland hat jetzt keine Illusionen mehr, wie der Staat hinter seiner Ostgrenze aussieht und rechnete schon länger mit einem russischen Vergeltungsschlag."
In der estnischen Zeitung EESTI PÄEVALEHT aus Tallinn ist zu lesen: "Es ist durchaus möglich, dass Russland getestet hat, was es in der Ostsee alles anstellen kann. Aber unabhängig davon, was die Suche nach einem Schuldigen ergibt: Die Ostsee ist dabei, zu einem nahezu vollständigen NATO-Binnenmeer zu werden, und wir haben es mit einer Situation zu tun, bei der nicht nur Estland und Finnland, sondern auch unsere Verbündeten ihre Wachsamkeit erhöhen müssen.“ Das war zum Ende der internationalen Presseschau EESTI PÄEVALEHT aus Tallinn.