
Die russische Zeitung KOMMERSANT bewertet die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels: "Die in Brüssel versammelten Staats- und Regierungschefs versuchen zu demonstrieren, dass die EU durchaus in der Lage ist, zwei Konflikten gleichzeitig die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken – sowohl den Ereignissen in der Ukraine als auch dem Krieg Israels gegen die Hamas. Außerdem bemüht man sich zu zeigen, dass die EU-Mitglieder in beiden Spannungsfeldern einer Meinung sind. Bisher ist dies noch nicht sehr überzeugend gelungen. Die EU wird ihre Aufmerksamkeit und finanziellen Ressourcen zwischen der Ukraine und Gaza aufteilen müssen. Die Ukraine dürfte dabei im Schatten stehen und es wird für die EU schwieriger sein, sich auf die Bereitstellung großer Mengen makroökonomischer und militärischer Hilfe für Kiew zu einigen", vermutet der KOMMERSANT aus Moskau.
Die spanische Zeitung EL PERIODICO DE CATALUNYA ausBarcelona bilanziert: "Es gab einen Minimalkompromiss über das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegenüber der Hamas, aber damit ging die Forderung nach der Einhaltung des Völkerrechts einher. Auch waren stundenlange intensive Gespräche nötig, um eine Erklärung zu verabschieden, in der humanitäre Pausen für Hilfslieferungen gefordert werden. Diese Äußerungen waren wohl nach innen gerichtet und dienen weniger dazu, die EU zu einem relevanten Akteur in diesem Konflikt zu machen. Es ließ sich nicht verbergen, dass Länder wie Deutschland und Österreich Israels Recht auf Selbstverteidigung über alles andere stellen", notiert EL PERIODICO DE CATALUNYA.
Die EU habe mit ihrer Gipfelerklärung nur vorübergehend Zeit gewonnen, meint die dänische Zeitung POLITIKEN: "Zunächst einmal herrscht Nervosität über die Entwicklung im Nahen Osten, und erste Länder wie Frankreich und Spanien finden schon jetzt, dass Israel gegen das Völkerrecht verstößt. Wie soll man außerdem die humanitäre Krise in Gaza lösen und Geiseln befreien? Aber niemand glaubt ernsthaft, dass Israel oder die Hamas gespannt auf die Schlussfolgerungen der EU warten, und nichts deutet auf sogenannte humanitäre Pausen hin. Obwohl die Gipfelteilnehmer mehrfach wiederholten, der Krieg in der Ukraine dürfe nicht in den Hintergrund rücken, ist genau das passiert", unterstreicht POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die britische Zeitung THE TELEGRAPH bemerkt zu Forderungen des Londoner Bürgermeisters Khan und weiterer Labour-Politiker nach einer Waffenruhe im Gazastreifen: "Befürworter sollten ehrlicherweise auch sagen, was das tatsächlich bedeuten würde. Erwarten sie etwa von der Hamas, dass sie sich ergibt, den Raketenbeschuss auf Israel einstellt und alle Geiseln freilässt? Oder erwarten sie stattdessen nur, dass Israel seine Waffen niederlegt und den Terroristen die Möglichkeit gibt, sich neu zu formieren? Jetzt von einer politischen Lösung zu sprechen, die vermutlich Verhandlungen mit der Hamas beinhalten würde, ist absurd naiv", urteilt THE TELEGRAPH aus London.
Auch das LUXEMBURGER WORT findet, Rufe nach Treibstofflieferungen und einer Waffenruhe sicherten allenfalls "das Überleben der Hamas und verlängern die Leiden der Menschen. Es geht um die Existenz Israels, die Befreiung der Gaza-Bevölkerung und einer ganzen Region aus der Geiselhaft von Hamas & Co. durch einen Regimewechsel. Israel hat den Willen und die Stärke, die Hamas zu vernichten, aber um ins sanierte Gaza nachzurücken, muss eine wehrhafte NATO-Friedenstruppe ins Spiel gebracht werden, die zusammen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde Gaza übernimmt", ist sich das LUXEMBURGER WORT sicher.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN äußert sich zur UNO-Vollversammlung in New York, die eine Resolution für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen und eine Verbesserung der humanitären Situation verabschiedet hat: "Das Ergebnis dieser Abstimmung zeigt deutlich, wie die Welt die aktuellen Angriffe von Israel auf Gaza betrachtet. Diese Resolution ist ein Spiegelbild dafür, dass die Behauptung Israels, es habe ein 'Recht auf die Selbstverteidigung' gegen den Terror durch die Hamas nicht alle überzeugt. Die USA und die westlichen Staaten sollten sich von ihrer Illusion endlich verabschieden, die Weltordnung aufrechterhalten zu können, indem sie die von ihnen selbst verursachte Problematik Palästina ignorieren", vermerkt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die arabisch-sprachige Zeitung AL QUDS AL-ARABY beleuchtet die Strategie Washingtons: "Insgesamt verhalten sich die USA wie Israels Senior-Partner, der die Operationen im Gaza-Krieg leitet. Allerdings deutet vieles auf die Möglichkeit unkalkulierbarer Entwicklungen hin. Denn dieser Krieg lässt sich nicht berechnen. Vielmehr könnten hier historische Dynamiken, zahlreiche politische, soziale und religiöse Konflikte miteinander kollidieren und auf beispiellose Weise explodieren", befürchtet AL QUDS AL-ARABY, die in London erscheint.
Die chinesische Zeitung XINJING BAO geht ein auf einen Medienbericht, wonach die USA bereits einen Evakuierungsplan im Falle einer Eskalation der Lage im Nahostkonflikt erwägen: "Es würden schätzungsweise 700.000 amerikanische Bürger betroffen sein. Die Ausweitungen der militärischen Konflikte auf weitere Gebieten der Region wie Syrien und Libanon könnten der Grund dafür sein. Das ist das Szenario, das Washington am meisten fürchtet. Auch das US-Militär ist nun involviert. Und hinter dem Amerika-Hass in der arabischen Welt könnte sich eine noch größere Gefahr für die Vereinigten Staaten verbergen. Die Frage ist, ob es der Biden-Regierung gelingt, Israels Wut in Grenzen zu halten." So weit XINJING BAO aus Peking.
Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Klimaschutzorganisation Fridays for Future sind Thema in der schwedischen Zeitung SVENSKA DAGBLADET: "Die Bewegung, die von den Schulstreiks der Aktivistin Greta Thunberg ins Leben gerufen wurde, ist längst durchzogen von Kräften, die Kolonialismus, Kapitalismus und die Unterdrückung durch weiße heterosexuelle Männer als die Ursachen aller gesellschaftlichen Probleme sehen. Es ist auch nicht die einzige Klimabewegung, die sich radikalisiert hat, wie die Blockaden von Straßen und Flugplätzen zeigen – Aktionen, die der Sache in der breiten Öffentlichkeit Sympathien gekostet haben. Der harte Kern dieser Aktivisten hält sein Anliegen für so wichtig, dass weder die Allgemeinheit noch die Demokratie im Weg stehen dürfen. Es ist auch nicht weiter erstaunlich, dass die Radikalisierung gerade jetzt erfolgt. 2015 war es einfach, sich hinter die ehrgeizigen Pariser Klimaziele zu stellen. Jetzt aber kollidieren diese Ambitionen mit der Wirklichkeit", analysiert SVENSKA DAGBLADET aus Stockholm.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER gibt zu bedenken, es sei klar, dass in einer internationalen Bewegung dieser Größe "niemals alle politisch im Gleichschritt marschieren. Andererseits muss man wissen, dass eine internationale Bewegung dieser Grösse natürlich längst selbst ein Unternehmen ist. Die Idee, dass man nicht manipuliert und gehirngewaschen sein muss, um die Massaker der Hamas zu verurteilen und solidarisch mit Israelis zu sein, hat im internationalen Fridays-for-Future-Kosmos keinen Raum mehr. Ebenso wenig der Gedanke an Frieden. Hier wird nur noch ein Feindbild gepflegt", argumentiert der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD aus Wien vertritt diese Ansicht: "Rechte und rechtskonservative Politiker weltweit warten nur darauf, Klimaaktivisten als radikal und terroristisch abstempeln zu können. Die jüngsten Postings spielen ihnen in die Hände. Dabei haben die Fridays-for-Future-Mitstreiterinnen in vielen Punkten der Klimapolitik recht. Aber gerade sie müssten wissen: Die Klimakatastrophe kennt keine Staatsgrenzen. Umso wichtiger wäre es, dass klimaaktivistische Organisationen in internationalen Konflikten neutral auftreten und keine einseitige Propaganda verbreiten." Das war zum Ende der internationalen Presseschau DER STANDARD.