
"Wer glaubt, in deutschen Medien würden die Unterdrückung und das Leid der Menschen in Palästina verschwiegen und Israel bejubelt, was immer es tue, liest keine deutschen Zeitungen. Die Berichterstattung ist über alle Medien hinweg so vielfältig, vielstimmig und fair, wie es möglich ist. Israels aktuelle Regierung wurde von deutschen Medien vielleicht sogar härter kritisiert als anderswo. Gewiss ist aber auch, dass die Debatte über Israel und die Juden in Deutschland anders verläuft als in anderen Ländern, weil das Land sich eine besondere Schuld aufgeladen hat. Robert Habeck hat die Maximen dieses Diskurses gerade noch einmal dargestellt - nicht als Erster, aber so eindringlich und gültig, wie man es eigentlich von Kanzler Olaf Scholz oder Präsident Frank-Walter Steinmeier erwartet hätte", urteilt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT schreibt: "Antisemitismus ist eine alte, verwerfliche Ideologie, die jetzt durch den israelisch-palästinensischen Konflikt wiederauflebt. Dabei ist es besonders verhängnisvoll, Israel mit dem Judentum gleichzusetzen, als ob jeder einzelne Jude für die Politik des Staates Israel verantwortlich wäre. Der einzelne Mensch wird so auf seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe reduziert, gegen die man einen Groll hegt. Leider ist dieser unselige Mechanismus auch in anderer Hinsicht zu beobachten. Allzu oft wird berechtigte Kritik am Staat Israel als Antisemitismus interpretiert. Dann wird jemand, der Israels Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen als unverhältnismäßig empfindet, leicht des Judenhasses bezichtigt", stellt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam fest.
Die türkische Zeitung EVRENSEL sieht es so: "Deutschland hat mit all jenen ein Problem, die die von Israel begangenen Greueltaten kritisieren. Vor allem Menschen aus arabischen Ländern und Muslime werden als Antisemiten abgestempelt. Dabei sind es die Europäer, die den Hass zwischen Juden und Arabern in Palästina gesät haben. Rückblickend fällt auf, dass dies den Juden keine zusätzliche Sicherheit gebracht hat, im Gegenteil. Inzwischen stellen sich auch Juden gegen das Massaker Israels in Gaza. Das ist auch gut so", findet EVRENSEL aus Istanbul.
Die israelische Zeitung JERUSALEM POST beobachtet Widersprüche in vielen Reaktionen auf das militärische Vorgehen Israels: "Vielen Menschen auf der Welt ist klar, dass die Hamas nach ihrem Massaker in israelischen Gemeinden 'ausgelöscht' werden muss. Das Problem ist, dass ein solcher Krieg nicht auf eine saubere, sterile Art und Weise ausgetragen werden kann - weder in Gaza noch in sonst irgendeinem Krieg in einem städtischen Umfeld. Wenn sich die Hamas in einem Wohnhaus versteckt, was erwarten diese Leute dann von Israel? Die Welt betont zwar stets das Recht Israels auf Selbstverteidigung, aber dass das Land dieses Recht wahrnimmt und tatsächlich kämpft, damit hat die Welt plötzlich ein Problem. Mit dieser Reaktion spielen die Menschen der Hamas in die Hände. Die Hamas will, dass Zivilisten getötet werden, um das Mitgefühl des Westens zu wecken und die führenden Politiker der Welt dazu zu bringen, gegen Israel vorzugehen", stellt die JERUSALEM POST klar.
Die lettische Zeitung DIENA geht auf die Sorge ein, dass sich der Krieg auf die ganze Region ausweiten könnte: "Ungeachtet der kriegerischen Äußerungen in weiten Teilen der muslimischen Welt ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass sich diese Länder in den Konflikt zwischen Israel und der Hamas hineinziehen lassen. Hauptgrund sind die religiös, geopolitisch und wirtschaftlich bedingten Spannungen zwischen den arabischen Staaten, dem Iran und der Türkei. Ein breites Bündnis all dieser Kräfte gegen Israel bleibt damit graue Theorie, und ein Großkrieg in der Region ist deshalb eher nicht zu befürchten. Dennoch wird eine Lösung für die Palästinenserfrage benötigt, und die ist leider nicht in Sicht", notiert DIENA aus Riga.
Auch die polnische RZECZPOSPOLITA befasst sich mit Zukunftsperspektiven für Nahost: "Inzwischen fordert auch US-Präsident Biden, dass die israelische Führung dem Aufbau eines palästinensischen Staates zustimmen sollte, nachdem sie die Kontrolle über den Gazastreifen wiedererlangt hat. Aber mit Netanjahu als derzeitigem israelischen Premierminister ist das nicht möglich. Der wichtigste Politiker des Landes führte nicht nur keine ernsthaften Verhandlungen zu diesem Thema, sondern unterstützte auch den verstärkten Bau jüdischer Kolonien im Westjordanland. Darüber hinaus ist der Premierminister inzwischen äußerst unbeliebt geworden. Ein solcher Politiker verfügt sicherlich nicht über die entsprechende Autorität, um wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Errichtung eines separaten palästinensischen Staates zu treffen", unterstreicht die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG meint, auch Russland profitiere vom Krieg im Nahen Osten: "Denn dadurch wird die globale Aufmerksamkeit von Russlands Krieg in der Ukraine abgelenkt. Gleichzeitig kann Präsident Putin auf Kosten der USA seine Position in der arabischen Welt stärken. Die Uhr wird damit zurückgedreht zum kalten Krieg, als die Sowjetunion enge Bande zu arabischen Regimes und Bewegungen knüpfte. Repressive und autoritäre Regimes finden zueinander, wenn sie einen gemeinsamen Feind haben. Alles, was den Einfluss der USA reduziert, dient den gemeinsamen Interessen. Auch hofft Putin auf mehr Einfluss in anderen arabischen Ländern, die traditionell den USA näherstehen, denn so kann er die internationale Isolation nach dem Einmarsch in die Ukraine durchbrechen", hält VERDENS GANG aus Oslo fest.
Die britische TIMES mahnt, die Militärhilfe des Westens für die Ukraine dürfe nicht nachlassen: "Ohne die Unterstützung mit hoch entwickelter militärischer Ausrüstung wäre die Ukraine bald nicht mehr in der Lage, ernsthafte Offensivmaßnahmen gegen Russland zu ergreifen, und müsste sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Frieden abfinden, der die Aufgabe großer Teile ihres Territoriums beinhaltet. Aber selbst die Abtretung von Gebieten, die derzeit von russischen Streitkräften besetzt sind, würde den Eroberungsdrang Putins kaum bremsen können. Auf ein paar Jahre unruhigen Friedens würde zweifellos ein erneuter Versuch folgen, die Ukraine zu unterwerfen", ist sich THE TIMES aus London sicher.
Zum Schluss noch zwei Stimmen zum internationalen Gipfel in Großbritannien, bei dem sich mehrere Länder auf staatliche Kontrollen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz geeinigt haben. Die spanische Zeitung EL PAIS bilanziert: "Die Vertreter der 28 Teilnehmerländer, darunter China und die USA, konnten sich dabei auf eine Erklärung einigen, in der das Potenzial der KI bei der Verbesserung der Lebensbedingungen bestätigt wird. Allerdings wird gleichzeitig auch auf die Risiken hingewiesen, die bis zur Katastrophe reichen. Das unterstreicht die Notwendigkeit einer gemeinsamen Regulierung, und die Botschaft lautet: Es eilt. An dem Gipfel nahmen auch führende Persönlichkeiten der KI-Szene teil. Es ist eindeutig ein Erfolg dieses Gipfels, dass es trotz aller Auseinandersetzungen gelungen ist, so unterschiedliche Kräfte an einen Tisch zu bringen und zu bündeln", urteilt EL PAIS aus Madrid:
Die chinesische Zeitung XINJING BAO bezweifelt, dass die Konferenz als Meilenstein gewertet werden kann: "Es ist gut, dass sowohl bei der Politik als auch bei den Tech-Konzernen ein Konsens darüber besteht, dass KI vor Missbrauch geschützt werden muss und ihre Entwicklung nicht außer Kontrolle geraten darf. Bei der genauen Zielsetzung und den konkreten Instrumenten der Regulierung herrscht aber noch Uneinigkeit. Der goldene Mittelweg, der die KI-Entwicklung bei angemessener Regulierung fördert, muss noch gefunden werden", hält die XINJING BAO aus Peking fest, und damit endet die Internationale Presseschau.