04. November 2023
Die internationale Presseschau

In der heutigen Ausgabe geht es überwiegend um den Krieg zwischen Israel und der Hamas in seinen unterschiedlichen Facetten. Auch der Krieg in der Ukraine findet Beachtung.

Israelische Panzer in Gaza-Stadt am 1. November 2023. Überall stehen zerstörte Gebäude.
Israelische Panzer in Gaza-Stadt am 1. November 2023 (picture alliance / Anadolu / Israel Defense Forces)
Zunächst in den Nahen Osten. "Unmittelbar nach den Anschlägen der Hamas wurde der 7. Oktober bereits als Israels 11. September bezeichnet", ruft die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER ins Gedächtnis. "Die Zahl der Opfer und der Schock über die Grausamkeiten legten diesen Vergleich nahe. Aber es gibt noch eine Parallele: Lösen diese Angriffe eine Überreaktion aus? Wird Israel denselben Fehler wie die USA nach dem 11. September begehen? So lautete auch die Warnung von US-Präsident Biden. Er erklärte zwar nicht, was genau er damit meinte, aber es lässt sich leicht denken. Der sogenannte Krieg gegen den Terror mit allem, was dazu gehört. Historische Parallelen führen nicht immer zur richtigen Entscheidung. Dass eine Überreaktion falsch ist, liegt in der Natur dieses Wortes. Aber was wäre eine angemessene Reaktion? Die Anschläge vom 7. Oktober haben gezeigt, wozu die Hamas in der Lage ist, wenn sie den Gazastreifen als Basis nutzen kann. Die Bodenoffensive ist deshalb notwendig. Israel muss aber entscheiden, wie der Krieg geführt wird", lautet die Einschätzung in der Zeitung DAGENS NYHETER, die in Stockholm erscheint.
In einem Gastkommentar in der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN heißt es dazu: "Denkt Israel wirklich, dass sich alle Angriffe auf Hamas-Einrichtungen rechtfertigen lassen, obwohl dort Zivilisten ums Leben kommen? Diese Logik darf sich international nicht durchsetzen. Die New York Times will aus israelischen Regierungskreisen erfahren haben, dass solche Angriffe erlaubt werden, solange sie zur Beseitigung der Hamas dienen. Dabei soll auch der Atombombenabwurf der USA auf Hiroshima erwähnt worden sein. Es ist aber absolut nicht zu akzeptieren, wenn dies als 'Vorbild' genommen wird. Die Vereinten Nationen haben am Donnerstag gewarnt, die palästinensische Bevölkerung sei der Gefahr eines Genozids ausgesetzt. Und Washington? Vor ein paar Wochen noch wurde eine fast bedingungslose Unterstützung für Israels militärische Aktionen zugesichert. Im Vergleich dazu hat sich die Haltung zwar etwas geändert. Aber man spürt immer noch nicht, dass die USA einen möglichen Genozid unbedingt verhindern wollen", bilanziert die Gastkommentatorin in der Tokioter Zeitung ASAHI SHIMBUN.
Der Gastkommentator in der israelischen Zeitung JERUSALEM POST verweist hingegen auf das Leid in Israel. "Über das Ausmaß der Vertreibung in Israel infolge des Krieges wird nur unzureichend berichtet. Mindestens eine halbe Million Israelis sind in ihrem eigenen Land zu Flüchtlingen geworden. Dazu gehören Israelis aus mehr als 100 Gemeinden nahe der südlichen und nördlichen Grenze, die auf Anordnung des Militärs evakuiert wurden, und Israelis, die auf eigene Faust zu Verwandten in das etwas sicherere Zentrum des Landes geflohen sind. Das ist die schockierende Realität und nicht hinnehmbar", lautet der Gastkommentar in der JERUSALEM POST.
In der niederländischen Zeitung DE VOLKSKRANT ist von einer "Spirale aus Hass und Gewalt" die Rede. "Wegen der kriegerischen Polemik der ultrarechten Hardliner in Israel, die die Hamas als 'Bestien, die vernichtet werden müssen' bezeichnen, wächst die Befürchtung, dass es zu sogenannten ethnischen Säuberungen kommt. Es gibt keinen Plan für den Gazastreifen nach der 'Vernichtung' der Hamas. In jedem Szenario ist es fast sicher, dass die Palästinenser den Kürzeren ziehen werden, was den Hass auf Israel weiter verstärken wird. Um die hoffnungslose Spirale zu durchbrechen, bedarf es einer politischen Lösung, die beiden Völkern gerecht wird", lautet die Einschätzung in DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Mit solchen möglichen Lösungsansätzen beschäftigt sich der Kommentator der britischen Zeitung THE GUARDIAN. "Die einzige langfristige Lösung sind zwei Staaten nebeneinander. Die einzige kurzfristige Lösung für den Gazastreifen ist ein Plan, der palästinensische Staatlichkeit verspricht. Bei jedem Schritt auf dem Weg dorthin werden die Personen auf beiden Seiten, die das ganze Land für sich haben wollen, zur Stelle sein, um den Fortschritt zu vereiteln. Diejenigen auf beiden Seiten, die an Kompromisse glauben, werden Verbündete brauchen. Und die Hilfe einer Welt, die endlich beschließt, dass sie zu viel Blutvergießen gesehen hat und nicht noch mehr ertragen kann." Sie hörten THE GUARDIAN aus London.
"Die Konflikte zwischen Israel und der Hamas verändern die politische und wirtschaftliche Weltordnung", lesen wir in der taiwanesischen Zeitung JINGJI RIBAO aus Taipeh. "Die Abstimmungen bei UNO-Resolutionen zum Nahostkonflikt zeigen das. Die arabische Welt steht hinter den Palästinensern. Die USA und Israel sind zunehmend isoliert. Auch die Gemeinschaft des Westens bricht immer mehr auseinander. Die vor allem von Amerika gestaltete Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg droht zu bröckeln."
Der Hisbollah-Führer Nasrallah äußerte sich zum ersten Mal öffentlich seit Kriegsausbruch und warnte vor einer militärischen Eskalation an der israelisch-libanesischen Grenze. In der panarabischen Zeitung AL QUDS AL-ARABY heißt es dazu: "Es wurde klar, dass die Hisbollah Israel aus vielerlei Gründen nicht den Krieg erklären kann. Einer davon ist die Lage des politisch und wirtschaftlich in Trümmern liegenden Libanon, ein anderer die des Iran, der unter amerikanischen und europäischen Sanktionen leidet und intern wie extern unter enormem politischem Druck steht. Der Umstand, dass die USA gleich zwei Flugzeugträger in die Region geschickt haben, ist zudem ein Hinweis darauf, dass sie den Iran daran hindern wollen, in einen offenen Krieg mit Israel einzutreten. Wenn Teile der arabischen Öffentlichkeit nun enttäuscht über die Rede sind, dann ignorieren sie die politischen und militärischen Grenzen des iranisch-libanesischen Bündnisses", lesen wir in der panarabschen Zeitung AL QUDS AL-ARABY, die in London erscheint.
Um den Krieg in der Ukraine geht es im Kommentar der Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio, an dem - Zitat - "das Interesse nicht verloren gehen sollte". "Europa kann Kiew politisch unterstützen - nämlich durch Beitrittsverhandlungen zur EU. Sollte in einem Jahr Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt werden, könnte Washington die Hilfen für die Ukraine stoppen. Besorgniserregend für Kiew ist außerdem, dass der Nahost-Krieg nun die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf sich zieht. Genau das ist das Ziel Russlands. Man darf Präsident Putin nicht erlauben, das Thema Palästina für sich zu nutzen. Eine langfristige Unterstützung der Ukraine dient dazu, die Bastion der Demokratie zu schützen", heißt es in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN.
"Es ist beeindruckend, wie die Ukrainer es schaffen, dass das Leben bei ihnen weitergeht", bemerkt die Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen. "Trotz Putins Invasion und der Raketen, die auf die Zivilbevölkerung abgefeuert werden. Der Krieg ist für viele Ukrainer zum Alltag geworden. Sie haben nicht nur überlebt, sondern auch gelernt, mit der Gefahr zu leben. Das muss uns imponieren, zeigt aber auch, dass die Ukraine und der Westen ihre Strategie überdenken müssen. Die ukrainische Gegenoffensive ist in fünf Monaten nur wenige Kilometer vorgerückt, und die Lage ähnelt immer mehr einem Stellungskrieg, bei dem keine Seite die andere wirklich besiegen kann. Der Gewinner dabei ist leider Russland. Wir müssen unsere militärische Unterstützung fortsetzen und gleichzeitig alles tun, um die Ukraine in die westlichen Strukturen zu integrieren. Die EU-Beitrittsverhandlungen müssen vorangetrieben werden, und es muss deutlich gemacht werden, dass eine Mitgliedschaft nicht von einem Frieden abhängt."