14. November 2023
Die internationale Presseschau

Angesichts der Lage im Gaza-Streifen auch diesmal wieder mit Stimmen dazu. Im Vordergrund aber stehen die politischen Entscheidungen in Großbritannien. Darauf geht etwa die spanische Zeitung LA VANGUARDIA ein:

Der neue britische Außenminister Cameron in der Downing Street. Er lächelt in die Kamera.
Ex-Premier Cameron wurde zum neuen Außenminister in Großbritannien ernannt. (AP / James Manning)
"In Großbritannien läuft allmählich der Wahlkampf an. Um eine drohende Niederlage abzuwenden, hat Premierminister Sunak nun beschlossen, eine der letzten Karten auszuspielen, die ihm überhaupt noch geblieben ist: Bei einer Kabinettsumbildung hat er Innenministerin Braverman entlassen, die zuletzt durch polemische Äußerungen auffiel und überdies als mögliche Nachfolgerin von Sunak an der Parteispitze gehandelt wurde. Die große Überraschung ist jedoch die Ernennung von Ex-Premier Cameron zum neuen Außenminister", findet LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Ein Gastkommentar in der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN beschreibt den früheren Regierungschef so: "David Cameron ist bekannt, besitzt administrative Fähigkeiten und wird das Amt des Außenministers sicherlich souverän ausführen. Allerdings ist dieser Herr genau derjenige, der als Premierminister den bittersten Weg der politischen Geschichte Großbritanniens eingeleitet hat, nämlich den zum Brexit. Deshalb steht hinter seiner politischen Entscheidungskompetenz ein großes Fragezeichen", notiert ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Nach Ansicht des britischen GUARDIAN ändert die Rückkehr Camerons für die Tories und Premierminister Sunak gar nichts: "Der Mann war für eine strenge Spar-Politik verantwortlich, und nun kehrt er in dem Moment als Außenminister zurück, in dem die Auswirkungen der Sparmaßnahmen den öffentlichen Dienst in den Ruin treiben. Wenn Sunak glaubt, Cameron könnte ihm zu mehr Popularität verhelfen, dann hat er die jüngste Umfrage nicht gesehen. Diese ergab auch, dass die drei größten Sorgen in fast jedem Wahlkreis folgende sind: die Lebenshaltungskosten, der öffentliche Gesundheitsdienst und die Wirtschaft. Kulturkriege wie der jetzige sollen die Menschen von den steigenden Lebenshaltungskosten ablenken. Das aber wird nicht funktionieren. Genausowenig, wie das Umstellen der Liegestühle auf der sinkenden Titanic funktioniert hätte", ist der GUARDIAN aus London überzeugt.
"Deutlicher könnten die Torys ihre Krise kaum illustrieren", befindet die dänische Zeitung POLITIKEN "Cameron war der Mann, der Großbritannien das Brexit-Referendum mit all seinen schmerzhaften Auswirkungen bescherte. Dabei wollte er eigentlich in der EU bleiben - und es ging ihm nicht darum, die Meinung seiner Bevölkerung einzuholen, sondern er versuchte mit diesem Schritt, die eigene Partei zu befrieden. Der Mann, der alles auf eine Karte gesetzt und verloren hat, erhält jetzt ausgerechnet auch noch einen Posten, der viel internationale Glaubwürdigkeit erfordert. Das wirkt wie eine reine Panikaktion", urteilt POLITIKEN aus Kopenhagen.
THE GLOBE AND MAIL aus Kanada nennt einen Punkt, der FÜR Cameron spricht: "Dass er weit weniger schrecklich ist als die anderen katastrophalen Politiker, die bei den Tories in den letzten Jahren etwas zu sagen hatten. Trotzdem bleibt ein entscheidender Fehler: dass er das Brexit-Referendum verloren hat. Danach trat Cameron zurück - und zwar auf eine beinahe unbeschwerte Art und Weise, die nicht zu einem Mann passt, der Großbritannien gespalten hat. Das öffentliche Eingestehen von Fehlern ist selten bei Politikern. Vielleicht sind sie einfach nicht dazu in der Lage. Vielleicht aber liegt es auch daran, dass sie die Empörung derer, die sie verletzt haben, ohnehin niemals beschwichtigen könnten. Und so versuchen sie es gar nicht", vermutet THE GLOBE AND MAIL aus Toronto.
Die chinesische Zeitung XINJINGBAO fragt sich, ob Cameron die britische Außenpolitik verändern wird: "Als Cameron noch Premierminister war, betonte er einmal, dass Großbritannien zwar ein treuer, aber kein blind ergebener Verbündeter der Vereinigten Staaten sei. Er hätte nun die Möglichkeit, den Blick wieder stärker auf die EU zu richten. Was die Beziehungen zu China betrifft, so dürfte seine Haltung von Pragmatismus geprägt sein. Es ist zu hoffen, dass nun eine konstruktivere und stärker auf Dialog ausgerichtete britische Außenpolitik beginnt", schreibt das Blatt XINJINGBAO, das in Peking erscheint.
Zur Lage im Gaza-Streifen. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kommentiert den Vormarsch der israelischen Armee auf das Al-Schifa-Krankenhaus, unter dem diese das Hauptquartier der Hamas vermutet: "Für die israelische Armee ist die Sache heikel. Greift sie das Spital nicht an, kann sie weder die Existenz des Hamas-Quartiers zweifelsfrei beweisen noch eine der mutmaßlich wichtigsten Schaltzentralen der Terroristen unschädlich machen. Greift sie hingegen an, gefährdet sie potenziell das Leben von Hunderten schutzlosen Zivilisten. Völkerrechtlich kann zwar auch ein Spital ein legitimes Ziel sein, wenn es tatsächlich als militärische Basis genutzt wird und bei einem Angriff die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Doch einerseits lässt sich der Begriff der Verhältnismäßigkeit kaum klar definieren. Und andererseits wäre die Außenwirkung eines Angriffs auf das Spital in jedem Fall fatal", fasst die NZZ aus der Schweiz zusammen.
Für die JORDAN TIMES verstößt Israel klar gegen das humanitäre Völkerrecht: "Der Konflikt in Gaza muss ein Ende haben. Um dieses Ziel zu erreichen, reist König Abdullah nach Europa, unter anderem nach Großbritannien, Italien, Frankreich und Deutschland. Der König weist seit Jahren darauf hin, dass Frieden und Stabilität nicht ohne eine gerechte Lösung der Palästinenserfrage erreicht werden kann. Grundlage muss eine Zwei-Staaten-Lösung sein - mit einem unabhängigen palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Gewalt und Krieg werden niemals Frieden und Sicherheit bringen, sondern führen zu Zerstörung, Leid und Verzweiflung", unterstreicht die JORDAN TIMES, die in der jordanischen Hauptstadt Amman erscheint.
Die israelische Zeitung HAARETZ kritisiert in ihrer Analyse zu möglichen Lösungen des Konflikts, dass Premierminister Netanjahu der Palästinensischen Autonomiebehörde skeptisch gegenüber steht: "Der Gaza-Streifen ist auch nach einer Zerstörung der Hamas kein luftleerer Raum, sondern das Zuhause von mehr als 2,2 Millionen Menschen. Für diese Menschen kann nur Israel die Rahmenbedingungen finden, zu denen sie weiterhin dort leben können. Nicht nur, weil Israel momentan de facto die militärische Kontrolle hat, sondern weil die Regierung bisher keine Alternativen zugelassen hat. Die einzige Institution, die Erfahrung mit der Verwaltung der palästinensischen Zivilstruktur hat, ist die Palästinensische Autonomiebehörde", betont die Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv.
Die türkische Zeitung KARAR nimmt die Auswirkungen des Gaza-Krieges außerhalb des Kriegsgebietes in den Blick und meint: "Der Verlierer sind die USA. Denn der Angriff durch die Hamas und andere islamistische Organisationen hat die Vereinigten Staaten bei der Erreichung ihrer strategischen Ziele um mindestens zehn Jahre zurückgeworfen. Seit dem 7. Oktober stehen die Themen Russland und China hintan. Das lässt alle mit den USA verfeindeten Länder aufatmen", beobachtet KARAR aus Istanbul.
Die WASHINGTON POST hält die Führung der USA in diesen Zeiten für unabdingbar, sieht die Glaubwürdigkeit der Nation aber in Gefahr, denn: "Die USA sind nur noch wenige Tage von einem peinlichen teilweisen Stillstand der Regierung entfernt. Er wird am Freitag um 23:59 Uhr eintreten, es sei denn, der Kongress kann einen Ausgabenplan verabschieden. Wieder einmal sind Bundesbedienstete besorgt, dass sie nicht rechtzeitig bezahlt werden. Es scheint jedoch einen aussichtsreichen Weg zu geben, die Regierung am Laufen zu halten: Einen Plan des neuen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Johnson, der die Behörden zumindest bis zum 19. Januar finanzieren würde. Die Abgeordneten beider Parteien sollten ihn annehmen." Mit diesem Rat der WASHINGTON POST endet die internationale Presseschau.