23. November 2023
Die internationale Presseschau

Thema sind weiterhin die geplante Freilassung israelischer Geiseln und die damit verbundene Einigung zwischen der Hamas und Israel. Doch zunächst in die Niederlande, wo die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders stärkste Kraft geworden ist.

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders von der Partei PVV.
Der Rechtspopulist Geert Wilders liegt mit seiner Partei PVV nach der Parlamentswahl klar vorn und will nun will neuer Premier werden. Für eine Mehrheit braucht es ein Bündnis mit anderen Parteien. Die Regierungsbildung könnte dauern. (IMAGO / ANP / IMAGO / Remko de Waal)
Dazu schreibt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA: "Nachdem Mark Rutte insgesamt vier aufeinanderfolgende Mitte-Regierungen geführt hatte, könnte der Sieg von Wilders die Niederlande nun auf den Weg eines dramatischen Richtungswechsels bringen. Doch es ist ungewiss, ob die Partei für die Freiheit PVV andere Parteien davon überzeugen kann, eine Koalitionsregierung zu bilden. Denn in den letzten zehn Jahren haben sich die Führungen der größten Parteien geweigert, mit Wilders bei der Machtteilung zusammenzuarbeiten. Wilders hat in den letzten Wochen angedeutet, dass er nach der Wahl in eine Koalition gehen möchte. Er erklärte, seine radikalen Ansichten zum Islam würden in den Hintergrund treten, weil es ‚Prioritäten‘ gebe, die nach den Wahlen angegangen werden müssten. Doch obwohl Wilders‘ Partei die meisten Sitze gewann, ist es unwahrscheinlich, dass er Premierminister wird", notiert RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT erläutert: "In den vergangenen vier Jahrzehnten hat die größte Partei auch stets den Premierminister gestellt. Diese Selbstverständlichkeit wird nun in Zweifel gezogen. Dilan Yesilgöz, die Vorsitzende der rechtsliberalen bisherigen Regierungspartei VVD, sagte noch am Montag, dass ihre Partei unter ihrer Führung niemals einem Kabinett mit Geert Wilders als Premierminister angehören werde. Der PVV-Vorsitzende sei nicht fähig, zusammenzuführen und nicht geeignet, die Niederlande auf der Weltbühne zu vertreten. Die VVD wird jedoch unter immensen Druck geraten, doch mit Wilders zusammenzuarbeiten. Sie hat eine Kooperation mit Wilders vor den Wahlen nicht explizit ausgeschlossen, warum also danach?", fragt die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT.
Die belgische Zeitung DE STANDAARD aus Brüssel führt aus: "Bevor das Ergebnis bekannt war, hielten die meisten Parteien wenig von einem Kabinett mit Wilders, geschweige denn mit ihm als Premierminister. Aber mit diesem Ergebnis führt kaum ein Weg an einem Premier Wilders vorbei. Er selbst lässt keinen Zweifel daran, dass er regieren will und dass er dafür auch zu Zugeständnissen bereit wäre."
Die niederländische Zeitung TROUW aus Amsterdam konstatiert: "Die Wähler haben die politischen Linien in den Niederlanden ausradiert und neu gezogen. Gleichzeitig mit den Zugewinnen der PVV haben sie auch deren linke Gegner gestärkt. Das Ergebnis zeigt ein tief gespaltenes Land, in dem die Parteien, die zuvor die Regierung bildeten, hart abgestraft wurden."
Nun zur Vereinbarung zwischen der militant-islamistischen Hamas und Israel. Der britische GUARDIAN hebt hervor: "Der Deal wird nicht das Ende des Krieges bedeuten. Fast 200 Geiseln werden noch immer in der Gewalt der Hamas sein. Das israelische Militär hat erklärt, es handle sich um eine Pause der Militäroperation, keine Waffenruhe. Premier Netanjahu betont, man werde den Krieg fortführen. Und die Hamas insistiert, sie habe die Hand weiter am Abzug. Die gleichen Kräfte, die die Vereinbarung verzögert haben, werden seiner Verlängerung entgegenwirken. Die Hamas wird einen höheren Preis für die verbleibenden Geiseln fordern. Netanjahu kämpft um sein politisches Überleben. Israel betont, Ziel sei es weiterhin, die Hamas zu eliminieren. Wenn der Plan wie vereinbart umgesetzt wird, dürfte es sich zumindest um eine längerfristige Abschwächung des Angriffs auf Gaza handeln. Die Vereinbarung, so limitiert sie auch sein mag, ist zu begrüßen", unterstreicht der GUARDIAN aus London.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN stellt heraus: "Auch wenn es nur vier Tage sind: Um das Leben der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu retten, ist es notwendig, die Feuerpause maximal zu nutzen. Allerdings bekommt man den Eindruck, dass es zwischen der Entscheidung des israelischen Kabinetts und dem Statement der Hamas Ungereimtheiten gibt. Das steigert die Unsicherheit darüber, ob die Freilassung der Geiseln in der Hand der Hamas und der palästinensischen Häftlinge in Israel tatsächlich stattfinden wird", argumentiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Auch die chinesische Staatszeitung HUANQIU SHIBAO aus Peking warnt vor Optimismus: "Die humanitäre Katastrophe in Gaza wird andauern. Tragischerweise mangelt es dort an allem, von Grundnahrungsmitteln bis sauberem Trinkwasser. Es fehlen Transport- und Verteilungsmöglichkeiten für Hilfsgüter. Das Leid der Menschen in Gaza hört mit der Feuerpause leider nicht auf. Die internationale Gemeinschaft muss weiter an einer längerfristigen Waffenruhe und an dauerhaftem Frieden arbeiten."
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN kommentiert: "Netanjahu ist einen Pakt mit dem Teufel eingegangen. Der Terrorangriff auf Israel ist ein kollektives Trauma, das die Gesellschaft noch lange beschäftigen wird. Die Menschen sind hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihre Bürger zu retten, und die Hamas auszulöschen. Allein dadurch zeigt sich der abgrundtiefe Unterschied zwischen dem demokratischen Israel und den Terroristen. Israel nimmt explizit Rücksicht auf Zivilisten in Gaza, während sie der Hamas vollkommen gleichgültig sind", befindet JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Die kolumbianische Zeitung EL TIEMPO aus Bogota hält fest: "Nun müssen die Grundlagen für einen Friedensprozess gelegt und die Lebensbedingungen der Palästinenser verbessert werden, denn eine Neutralisierung der Bedrohung durch die Hamas darf nicht zur Kollektivstrafe werden. Die Suche nach einem friedlichen Ende des Konflikts ist ein moralisches Gebot – und alles, was hinter einer Zwei-Staaten-Lösung zurückbleibt, wäre ein gigantisches Scheitern."
Die türkische Onlinezeitung T24 vermerkt: "Bei der Vermittlung zwischen Israel und der Hamas waren neben Katar Ägypten und die USA involviert. Dabei hatte sich die Türkei mit Erdoğan an der Spitze immer wieder für diese Position ins Spiel gebracht. Allerdings hat sich Erdoğan selbst ins Aus geschossen, in dem er große Reden schwang, die den Palästinensern aber rein gar nichts gebracht haben. Er hat Erklärungen abgegeben, die dafür sorgten, dass er seine Qualifikation als 'friedlicher Vermittler' in dieser Angelegenheit sowohl für Israel als auch für die USA verlor." Sie hörten T24 aus Istanbul.
Die Zeitung AL AYYAM aus Ramallah kommt zu folgender Einschätzung: "Nachdem es Israel trotz aller Versuche und aller Zerstörungskraft nicht gelungen ist, die Geiseln zu befreien, droht sich eine massive Protestbewegung im Land zu formieren. Doch auch die USA und mit ihnen viele westliche Staaten stehen angesichts der Protestwellen in ihren Ländern unter Druck und dürften Israel auf Zurückhaltung gedrängt haben. Schließlich dürfte die israelische Regierung auch die Reaktionen der Bevölkerung in der arabischen und islamischen Welt zur Kenntnis genommen haben. Deren Zorn könnte langfristig zu einer enormen Gefahr werden." Sie hörten die palästinensische Zeitung AL AYYAM aus dem Westjordanland.
Die Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv nimmt die Rolle des israelischen Regierungschefs Netanjahu in den Blick: "Seit Beginn der Bodenoffensive wurden 77 Soldaten getötet. Diese Zahl, die steigen wird, muss allen Israelis präsentiert werden, egal für wie notwendig sie die Bodenoffensive halten. Die Fortsetzung des Krieges verhindert eine Wiederaufnahme des Prozesses gegen Netanjahu sowie eine Untersuchungskommission. Der Krieg hat außerdem dafür gesorgt, dass Spitzenpersonal im Bereich Verteidigung nicht wie erwartet zurückgetreten ist. Zahlreiche Reservisten können nicht nach Hause zurückkehren und sich der massiven Protestwelle anschließen. Wenn es nach Netanjahu geht, wird dieser Krieg niemals enden."