DER STANDARD aus Österreich findet die Regierungserklärung von Bundeskanzler Scholz zu dem Thema "enttäuschend": "Von Selbstkritik keine Spur. Und die bittere Lage, in die die Politik seiner Ampel geführt hat, nennt er schlicht die 'neue Realität'. Es wirkte bei Scholz so, als müsse man sich mit all diesen Krisen und der daraus resultierenden Haushaltsnotlage einfach abfinden. Irgendwo ist jetzt ja immer Krise, die einen in viele neue Schulden zwingt. Wie praktisch." Das war DER STANDARD aus Wien.
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ist die Rede von zweierlei Realitäten, in denen Regierung und Bevölkerung leben würden: "Realität eins ist die, in der die zunehmend ampelverdrossene Mehrheit der deutschen Bevölkerung lebt. In Realität zwei dagegen macht die Koalition ausgezeichnete Arbeit. Wenn Bürger aus Realität eins auch nur die kleinste Regel übertreten – wenn sie falsch parken oder wenn sie eine Einnahme bei der Steuererklärung vergessen – verfolgt sie der Staat mit liebevoller deutscher Unnachsichtigkeit. Aber in Realität zwei soll die Entlassung eines Staatssekretärs die einzige personelle Konsequenz sein, die die Regierung zieht? Zu anderen Zeiten hätten andere Politikerpersönlichkeiten über Rücktritt nachgedacht. Jetzt geht es um Machterhalt", konstatiert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Nach Ansicht der chinesischen Zeitung WENHUI BAO hat die Bundesregierung nun vier Optionen, um auf das Loch in ihrem Etat zu reagieren: "Sie kann die Steuern erhöhen, die Staatsausgaben durch Sozialkürzungen und Wegfall von Subventionen senken, einen Notstand ausrufen, um die Schuldenbremse wie schon während der Corona-Pandemie auszusetzen, oder die geldverschlingende Energiewende zeitlich strecken. Bei jeder dieser Möglichkeiten müsste mindestens eine der Parteien der Ampelkoalition eine Kröte schlucken. Sollte es Kanzler Scholz nicht gelingen, das Problem angemessen zu lösen, wäre dies sowohl für die soziale Stabilität als auch für das Vertrauen der Unternehmen in den Standort Deutschland ein schwerer Schlag", ist sich die WENHUI BAO aus Schanghai sicher.
Nun nach Nahost. Die arabische Zeitung AL QUDS verlangt, der Waffenstillstand, den Israel mit der Hamas geschlossen hat, müsse verlängert und in eine dauerhafte Form gebracht werden: "Denn die Fortsetzung der Kämpfe bedeutet nicht nur das Töten von Menschen und die Zerstörung von Häusern und Gebäuden, sondern auch, dass alle Hoffnung auf Frieden zerstört wird. Es gilt, ernsthafte Friedensgespräche zu führen, in denen den Palästinensern das Recht auf einen eigenen Staat zugestanden wird. Das würde auch Ruhe und Stabilität für Israel bedeuten. Koexistenz und gemeinsames Handeln sind die Grundlage für eine Entwicklung weg von Leid, Blutvergießen und Zerstörung", schreibt AL QUDS, das Blatt erscheint in Jerusalem.
Die israelische JERUSALEM POST erinnert an den Teilungsplan für Palästina, der heute vor 76 Jahren von der UNO-Vollversammlung angenommen wurde: "Dieser visionäre Plan hat zweifellos den Grundstein für die Friedenspläne und die Zukunft der Region gelegt. Allerdings scheinen die UNO und einige ihre Mitgliedstaaten inzwischen sowohl vom Geist als auch vom Inhalt der Resolution abzuweichen. So hätte die UNO eine viel größere Rolle bei der Dokumentation der von der Hamas am 7. Oktober verübten Verbrechen spielen müssen. Zudem haben einige UNO-Mitgliedsstaaten das Massaker der Hamas an den Israelis noch immer nicht verurteilt. Die Vereinten Nationen müssen unbedingt ihre Rolle und ihre Aufgaben neu überdenken. Der Geist von 1947 muss wiederbelebt werden, durch die unerschütterliche Unterstützung der Rechte Israels, aber auch indem das Recht der freien Völker der Region auf ein Leben ohne Bedrohung durch Extremismus verteidigt wird", unterstreicht die JERUSALEM POST.
Die spanische Zeitung EL MUNDO blickt auf das NATO-Außenministertreffen in Brüssel, bei dem auch der Krieg in der Ukraine Thema war: "Die NATO hat gestern unterstrichen, wie wichtig die Unterstützung für Kiew ist, während bei einigen ihrer Mitglieder die Kritik zunimmt und die Krise im Nahen Osten diplomatische Kapazitäten bindet. Die Lage im Gazastreifen darf nicht dazu führen, dass die Ukraine aus dem Fokus des Westens gerät. Schließlich findet dort ein Krieg statt, in dem nicht weniger als die Sicherheit und das demokratische Modell Europas auf dem Spiel stehen. Wenigstens hat die Allianz ein deutliches Signal ausgesendet, um die Sorge zu beschwichtigen, die Ermüdungserscheinungen bei manchen NATO-Ländern könnten dazu führen, dass um jeden Preis ein Frieden mit Russland geschlossen werden soll", notiert EL MUNDO aus Madrid.
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET moniert, dass der NATO-Beitritt Schwedens noch immer nicht vollzogen ist: "Eigentlich bestand die Hoffnung, dass Schweden an dem NATO-Außenministertreffen als Vollmitglied teilnehmen würde, aber dann wurde der Prozess wieder einmal durch die Türkei verzögert. Nachdem die Ratifizierung im Oktober dem türkischen Parlament vorgelegt wurde, dachten alle, die Frage sei endlich gelöst, doch jetzt ist wieder eine Frist verstrichen. Für die NATO geht diese Verzögerungstaktik mit der schmerzlichen Erkenntnis einher, dass es ihr nicht gelingt, störrische Mitglieder auf Linie zu bringen. Solange Schweden im Wartezimmer Platz nehmen muss, sind die Autorität und die Glaubwürdigkeit der gesamten Allianz gefährdet“, meint HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER befürchtet den Verlust wichtiger Unterstützer und mahnt zur Eile: "Die meisten NATO-Mitglieder ratifizierten im vergangenen Jahr blitzschnell den Beitrittsantrag Schwedens, denn sie wollten das Land zusammen mit Finnland in der Allianz haben, um die NATO-Nordflanke gegenüber Russland entscheidend zu stärken. Jetzt braucht Schweden die Hilfe seiner Freunde, damit sie den Druck auf die Türkei erhöhen. Aber die USA steuern auf ein Wahljahr zu, und die Unterstützung der Bevölkerung für die Ukraine bröckelt. Es ist nicht auszuschließen, dass Trump erneut Präsident wird. Niemand weiß, was das für Schwedens NATO-Ambitionen bedeutet. Wir haben nicht mehr ewig Zeit, um die Angelegenheit unter Dach und Fach zu bringen", stellt DAGENS NYHETER aus Stockholm klar.
Zu einem weiteren Thema. In Polen hat Präsident Duda das neue Kabinett des bisherigen Regierungschefs Morawiecki vereidigt, obwohl die neue Regierung wegen fehlender Mehrheiten im Parlament als chancenlos gilt. Die polnische RZECZPOSPOLITA vermutet, dass so ein Machtwechsel hinausgezögert werden soll: "Demokratie bedeutet insbesondere, dass eine parlamentarische Mehrheit die Regierung bildet. Diese Wahrheit hat man in unserem Land offenbar noch nicht verstanden. Mit dem Ergebnis der Parlamentswahl hat die polnische Gesellschaft ein klares Urteil über die bisherige Führung abgegeben. Die Aufgabe des Präsidenten bestünde nun eigentlich darin, eine reibungslose Machtübergabe an die parlamentarische Mehrheit zu ermöglichen. Stattdessen verlängert Duda die Regierungszeit einer Partei, die keine demokratische Legitimität besitzt", stellt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau fest.
GAZETA WYBORCZA, ebenfalls aus Warschau, verweist auf den hohen Frauenanteil im gerade eingesetzten Kabinett, der aber keineswegs ein Erfolg für feministische Gleichheitsvorstellungen sei: "Es hat nichts damit zu tun, dass hier eine Art Geschlechterquote eingeführt wurde. Durch die Entsendung so vieler Frauen in eine Regierung, die kurz vor ihrem Abgang steht, demütigen die PiS-Politiker die Frauen. Die Ministerinnen in dieser Regierung haben eigentlich nur drei Aufgaben zu erfüllen - auf Fotos gut aussehen, hinter ihren männlichen Kollegen in den Ministerien aufräumen und später ihr Amt an die Vertreter der Regierung von Donald Tusk abgeben", heißt es in der polnischen GAZETA WYBORCZA, und damit endet die Internationale Presseschau.