
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT hinterfragt die Einigung: "Erstens: Was passiert mit den vielen Menschen, die sich nach wie vor nicht an der Außengrenze melden und einfach weiter in Länder wie die Niederlande oder Deutschland reisen? Können sie hier noch einen Asylantrag stellen? Zweitens: Die EU beabsichtigt zum x-ten Mal, Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken, ohne vorher mit diesen Ländern abschließende Vereinbarungen zu treffen. Was ist dieses Vorhaben also wert? Drittens: Da sich Mitgliedstaaten gemäß der Vereinbarung von der Pflicht zur Aufnahme von Asylbewerbern freikaufen können (20.000 Euro pro Person), besteht die reale Gefahr, dass in Italien, Spanien, Griechenland und einigen osteuropäischen Ländern in kürzester Zeit riesige, menschenunwürdige Flüchtlingslager entstehen, in denen Menschen leben, die nirgendwo hinkönnen", befürchtet DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die EU brauche eine gemeinsame Migrationspolitik, unterstreicht die schwedische Zeitung AFTONBLADET, denn: "nichts deutet darauf hin, dass die Zahl der militärischen Konflikte abnimmt, und immer mehr Menschen werden vor Klimakatastrophen fliehen müssen. Dass nun eine Vereinbarung in der Union erreicht wurde, ist eine politische Errungenschaft. Leider ist der Preis der Einheit hoch. Viel zu hoch. Es ist schwer, dabei nicht an die 'Festung Europa' zu denken. Und wir müssen uns fragen, ob die Vereinbarung wirklich Probleme lösen wird. Werden weniger Menschen auf dem Mittelmeer sterben, wo seit 2014 rund 17.000 Migranten ertrunken sind? Die Antwort auf all diese Fragen lautet wohl Nein", urteilt AFTONBLADET aus Stockholm.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN aus Århus stellt fest: "Alle Versuche, die Kontrolle der Außengrenzen durchzusetzen, gingen bisher in der öffentlichen Empörung über die sogenannten Push-Back-Aktionen von Frontex unter, mit denen versucht wurde, Migranten von den EU-Grenzen fernzuhalten. Die Kritiker haben nie erklären können, wie man sonst die Grenzen der EU verteidigen kann, wie es die Politiker versprochen haben. Da es praktisch unmöglich war, Flüchtlinge, die in die EU eingereist sind, zurückzuschicken, muss das Abkommen gleichzeitig die Tür zu einer besseren Steuerung der Migration öffnen", findet JYLLANDS-POSTEN.
Die spanische Zeitung EL PAIS aus Madrid bilanziert: "Was vereinbart wurde, ist nicht die optimale Lösung, aber es ist ein Schritt zur Umsetzung einer gemeinsamen Politik. Deshalb kann die Vereinbarung als historischer Pakt betrachtet werden, insbesondere, nachdem der freiwillige Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedsstaaten zur Entlastung der Hauptankunftsländer gescheitert ist. Die EU-Behörden müssen nun zusammenarbeiten, die Ergebnisse des Pakts bewerten, seine Mängel beheben und verhindern, dass er - wie Amnesty International warnt - eine Zunahme des Leidens von Asylsuchenden, Flüchtlingen und Migranten impliziert", mahnt EL PAIS.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz ist der Ansicht, in vielen Ländern herrsche der Eindruck, dass der Staat die Kontrolle über die Einwanderung verliere: "Verstärkt wird diese Stimmung durch Parteien am rechten Rand, die Teuerung, Wohnungsnot, Kriminalität und andere soziale Missstände mit den steigenden Asylbewerberzahlen kurzschließen. Und vielerorts sind die Behörden tatsächlich seit Jahren überfordert damit, ein effizientes Asylsystem auf die Beine zu stellen. Die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich, das Rassemblement National in Frankreich: Sie alle setzen zum Sprung an die Macht an und haben gute Chancen auf Erfolg. Die Mitte-Parteien spüren die Bedrohung - das hat im Europäischen Parlament Raum für Kompromiss geschaffen", vermutet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE aus Wien gibt zu bedenken: "Die Gefahr besteht, dass Menschen, die ihrer Verfolgung oder wirtschaftlichen Hoffnungslosigkeit entfliehen wollen, alles versuchen werden, an den Grenzkontrollen und Lagern vorbei weiterhin in die EU zu gelangen. Das Geschäft der Schlepper wird mit den beschlossenen Maßnahmen noch nicht beendet, weil zum einen eine Kontrolle einer 50.000 Kilometer langen Schengen-Außengrenze praktisch unmöglich ist. Und zum anderen, weil es keine ausreichenden Alternativen für Asylwerber und Migranten über legale Wege gibt", argumentiert DIE PRESSE.
Themenwechsel. Die USA und weitere Staaten wollen Handelsschiffe vor Angriffen der Huthi-Rebellen im Jemen schützen. Die tschechische Zeitung LIDOVE NOVINY aus Prag fragt: "Wissen Sie, wo und wann die Vereinigten Staaten von Amerika ihren ersten Krieg geführt haben? Wenn wir den Unabhängigkeitskrieg nicht einrechnen, dann war es der Erste Barbareskenkrieg gegen Piraten an der Küste der heutigen Staaten Algerien, Tunesien und Libyen. Nun sind wir 200 Jahre weiter, und es werden wieder Piraten bekämpft. Wie kommt es, dass Rebellen aus dem Jemen, die in den Medien als ungebildete Hirten in Sandalen geschildert werden, moderne Güterschiffe im Roten Meer angreifen können? Das liegt daran, dass sie technisch vom Iran unterstützt werden und ihre Aktivitäten von einem Teil der Staaten in der Region ideologisch gutgeheißen werden. Es genügt, sich die Liste derjenigen Länder anzusehen, die sich an dem US-geführten Militärbündnis beteiligen wollen. Von den arabischen Staaten ist nur Bahrain dabei", konstatiert LIDOVE NOVINY.
Die britische Zeitung THE TIMES aus London verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung des Roten Meeres: "Über diese wichtige Schifffahrtsroute erfolgen 40 Prozent des europäischen Handels mit Asien und dem Nahen Osten, wobei riesige Tanker lebenswichtige Öl- und Flüssiggaslieferungen vom Golf zum Suezkanal transportieren. Diese Tanker werden nun zu enormen Kosten um Südafrika herumgeleitet, weil Huthi-Milizen aus dem Jemen Drohnenangriffe fliegen, angeblich um die Palästinenser in Gaza zu unterstützen. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine bunt zusammengewürfelte Truppe von Terroristen den Welthandel als Geisel nimmt", verlangt THE TIMES.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO betont, die Angriffe der Huthi-Rebellen zeigten ein weiteres Mal, dass "... die traditionelle Handelsroute zwischen Asien und Europa dringend eine Ersatzroute braucht. Die vorhandene Alternative um das Kap der Guten Hoffnung verlängert leider die Reise um mehr als 10 Tage und erhöht somit den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen. Eine strategische Option kann die arktische Route sein, die die Reise zwischen Asien und Europa wesentlich verkürzt. Die 10-jährige Praxis der Arktisschifffahrt durch chinesische Handelsschiffe ist ein gutes Beispiel dafür", befindet HUANQIU SHIBAO.
Abschließend noch die Meinung der polnischen RZECZPOSPOLITA zur Neuausrichtung von Rundfunk und Fernsehen: "Nach dem Regierungswechsel war die Übergabe der öffentlichen Medien nur eine Frage der Zeit. Die PiS konnte ihre Herrschaft im polnischen Fernsehen um einige Tage oder höchstens Wochen verlängern – doch sie wusste seit dem Wahlsieg der Opposition, dass sie keine Mittel hatte, um diesen Wandel zu stoppen. Denn die Koalition von Donald Tusk hatte versprochen, die PiS-Propaganda aus dem Fernsehen zu verbannen – und löst ihr Versprechen jetzt ein. Alles andere ist Theater. Es gibt nur wenige politische Artefakte, die bei den Wählern der bisherigen polnischen Opposition so verhasst sind wie der Fernsehkanal TVP Info. Es ist kein Zufall, dass eines der Elemente im Wahlkampf die Forderung nach Auflösung dieses Senders war – eines Senders, der immer wieder brutal gegen Oppositionspolitiker vorgegangen war, sie gedemütigt und Hasskampagnen entfesselt hatte. Donald Tusk weiß, dass nichts seinen Wählern so viel Freude bereitet wie Bilder von der Unterbrechung der Signalübertragung von TVP Info", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.