19. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden der Krieg im Nahen Osten und die daraus resultierenden Spannungen zwischen dem Iran und Pakistan. Zunächst geht es aber um die Proteste gegen die AfD.

Björn Höcke, AfD-Landeschef, sitzt im Saal des Hotel Pfiffelburg während des Landesparteitags der AfD im Saal des Hotel Pfiffelburg.
Rechtsextremer Chef eines rechtsextremen Landesverbandes: Björn Höcke beim Landesparteitag der AfD Thüringen im November 2023. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
"Die Kriminalisierung von Gegnern ist der Weg in die Hölle", schreibt die tschechische Zeitung LIDOVÉ NOVINY und argumentiert gegen ein Verbot der AfD: "Dass die AfD aktuell von 22 Prozent der deutschen Wähler unterstützt wird, ist lediglich ein Ergebnis aus vielen Fehlern der Vorgängerregierungen und der übrigen politischen Parteien. Versuche, die AfD zu verbieten, werden erfolglos bleiben, ganz abgesehen davon, dass die AfD auf solche Versuche vorbereitet ist und Vorkehrungen dagegen getroffen hat. Eine weitere verrückte Idee ist die Einschränkung der Bürgerrechte der rechtsextremsten Mitglieder der AfD, konkret von Björn Höcke. In Deutschland wird vorgeschlagen, ihm das Recht zu entziehen, sich wählen zu lassen. Damit würde die AfD nur eine Figur vom Typ Kaczynski bekommen - einen Paten, der hinter den Kulissen die Fäden zieht", warnt LIDOVÉ NOVINY aus Prag.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN notiert: "Die Idee eines AfD-Verbots ist weder realistisch noch vernünftig. Es ist fast 70 Jahre her, dass in Deutschland das letzte Mal eine Partei verboten wurde. Deutschland hat seither viele Herausforderungen gemeistert wie beispielsweise den linksextremistischen Terror in den 1970er-Jahren. Wir sind weit von Zuständen entfernt, die die grundlegende politische Stabilität in Deutschland erschüttern könnten. Das Land ist stark genug, um seine politische Lage unter Kontrolle zu halten, ohne die Justiz als Notbremse heranziehen zu müssen. Die AfD ist eine Partei, die gerne im Trüben fischt und sich mit Kräften gemein macht, deren Ideen im besten Fall geschmacklos und im schlimmsten Fall gefährlich sind. Aber ihr Erstarken haben sich die etablierten Parteien selbst zuzuschreiben. Die regierende Ampelkoalition hat es versäumt, schlagkräftige Botschaften zu wichtigen Themen wie Einwanderung zu formulieren. Zudem hat sie bei der Energiewende die Bodenhaftung verloren", analysiert JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA führt aus: "Deutschland, das Angst vor einer Wiederholung der Geschichte hat, fragt sich, wie es die rechtsextreme AfD neutralisieren kann. Seit einigen Tagen verzeichnen Demonstrationen gegen die rechtsextreme Alternative für Deutschland großen Zulauf. Die Enthüllung eines Treffens von Rechtsradikalen mit AfD-Funktionären in Potsdam zu Remigrations-Phantasien hatte die Deutschen schockiert, zumal diese Veranstaltung kaum sieben Kilometer von der Wannsee-Villa entfernt stattfand, wo die Nazis 1942 im Rahmen der 'Endlösung' einen Plan zur Vernichtung der Juden entwarfen. Die AfD wird immer radikaler, versucht dies aber vor der öffentlichen Meinung zu verbergen. Nun läuft eine Debatte über das Verbot der AfD als Bedrohung für die deutsche Demokratie. Doch wie verbietet man eine Partei, die über 20 Prozent Unterstützung in der Gesellschaft verfügt und damit sogar vor den Sozialdemokraten liegt?", fragt die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Das Thema findet auch in der Türkei Beachtung. Die Zeitung EVRENSEL merkt an: "Obwohl die Absichten der Teilnehmer des geheimen Treffens offensichtlich sind, leitet kein Staatsanwalt Ermittlungen ein. Das ist unverständlich und ermutigt die Rechtsextremisten. Die formulierten Pläne zur 'Remigration' sind keine bloße Meinungsäußerung. Es besteht kein Zweifel daran, dass, wenn die Neonazis an die Macht kommen sollten, sie ihre Vorhaben umsetzen werden. Daran sollte niemand irgendwelche Zweifel haben. Und deswegen ist es nicht verkehrt, ein AfD-Verbot zu fordern. Die Atmosphäre auf den Straßen Deutschlands zeigt, dass weite Kreise der deutschen Gesellschaft ein Verbot befürworten würden. Jetzt ist nicht die Zeit zum Schweigen, sondern zum Kampf gegen den Faschismus", meint EVRENSEL aus Istanbul.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT ist folgender Meinung: "In gewisser Weise ist Deutschland zu einem normalen europäischen Land geworden. Die Zersplitterung der Wählerschaft macht es immer schwieriger, eine stabile und handlungsfähige Regierung zu bilden, so auch in Deutschland. Wie in anderen Staaten ist ein Teil der Wählerschaft zur radikalen Rechten übergelaufen. Aber angesichts der deutschen Geschichte ist der Aufstieg von Rechtsextremen dort noch heikler als anderswo. Einige Politiker plädieren deshalb dafür, die AfD zu verbieten. Das wäre jedoch eine Radikalkur, die in einer Demokratie hohe Risiken birgt. Ein solches Gerichtsverfahren würden viele Anhänger der Partei als Bestätigung ihres Weltbilds sehen: Das Establishment tut alles, um uns mundtot zu machen." So weit DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
"Der Unmut im Land wächst, doch der Kanzler igelt sich ein", bemerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und erläutert: "Mit drei Versprechen trat Olaf Scholz seine Amtszeit an. Der Bundeskanzler stellte in seiner ersten Regierungserklärung im Dezember 2021 Sicherheit, Fortschritt und 'eine Gesellschaft des Respekts' in Aussicht. Kaum etwas davon wurde bisher eingelöst. Das neue Jahr steht im Zeichen von Bauernprotesten, die sich zu Mittelstands- und Bürgerprotesten ausweiten. Die Bereitschaft, den Unmut auf die Straße zu tragen, wächst. Wer aber, wenn nicht der selbsternannte 'Respekt'-Kanzler Scholz müsste in dieser Situation das Wort ergreifen und seine Politik erklären? Stattdessen empfängt er im Kanzleramt Sternsinger und Karnevalisten. Menschlich ist das Einigeln verständlich, politisch aber verheerend", ist sich die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz sicher.
Themenwechsel. "Die Lage im Nahen Osten bleibt gespannt", heißt es in der chinesischen Zeitung WENHUI BAO: "Nachdem die Hisbollah in Libanon und die Huthi-Rebellen in Jemen auch Teil des Konflikts geworden sind, beschießt der Iran nach Angriffen auf mehrere Ziele im Irak und Syrien nun auch Pakistan mit Raketen. Diese gefährliche Gewaltspirale muss gestoppt werden. Es besteht durchaus Hoffnung auf Stabilisierung der Lage zwischen Iran und Pakistan. Erstens ist dieser Konflikt absolut überflüssig. Zweitens gehen beide Länder militärisch koordiniert und präzise vor. Sie scheinen keine Absichten zu haben, den Konflikt weiter eskalieren zu lassen", hofft WENHUI BAO aus Schanghai.
Die lettische Zeitung DIENA aus Riga wirft ein: "Die Regimes in Teheran und Islamabad haben erst vor Kurzem umfassende Vereinbarungen über den Austausch von Geheimdienstinformationen und gemeinsame Operationen gegen die Separatisten in ihren Ländern beschlossen. Daher sorgt es für Ärger, dass der Iran das pakistanische Territorium mit Raketen angegriffen hat, ohne Islamabad darüber zu informieren."
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA hält fest: "Es wird schon länger befürchtet, dass der Krieg zwischen Israel und Gaza das Potenzial hat, eine Region mit einem traditionell fragilen Gleichgewicht zu destabilisieren. Die Lage ist inzwischen viel komplexer, als man sich das am 7. Oktober noch hätte vorstellen können. Der Krieg hat längst andere Auseinandersetzungen offengelegt, die bislang eher im Hintergrund schwelten. Dazu gehört auch die Konfrontation zwischen dem Iran und seinem Nachbarn Pakistan. Ein hoffnungsvolles Signal ist immerhin, dass sich beide Seiten Respekt vor der territorialen Integrität des anderen zugesichert haben. Die Krise scheint somit erst einmal eingedämmt, aber solche Episoden können in einer so explosiven Region auch leicht außer Kontrolle geraten", gibt LA VANGUARDIA aus Barcelona zu bedenken.
Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS sieht es so: "Die Angriffe Irans sorgten in Pakistan für Überraschung, da die Beziehungen zwischen den beiden Ländern in den vergangenen Jahren gut waren. Die Attacken heizen die Konfliktlage in der Region zusätzlich an und schmälern die Aufmerksamkeit für den Krieg in Gaza." Das war zum Ende der internationalen Presseschau AL QUDS aus London.