22. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Themen sind der Krieg im Nahen Osten und die Proteste gegen die AfD in Deutschland. Doch zunächst in die USA, wo sich der Republikaner Ron DeSantis aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückgezogen hat.

Der Gouverneur Floridas, Ron DeSantis, vor einer US-amerikanischen Flagge
Der Gouverneur Floridas, Ron DeSantis, hat seine Bewerbung um die republikanische Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen. (picture alliance / zumapress / Paul Hennessy)
Dazu schreibt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA: "Fehlt es DeSantis an Charisma? Hat er Trumps andere Rivalin, die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley, unterschätzt? War DeSantis beim Frontalangriff auf den Milliardär zu zögerlich? War er unfähig, den Apparat der Republikanischen Partei Trumps Kontrolle zu entreißen? All diese Punkte trugen zur Niederlage von DeSantis bei. Der wahrscheinlich wichtigste Punkt war jedoch die tiefe Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft, in der es offenbar keinen Platz gibt für irgendjemand anderen außer Trump und Biden. Aus diesem Grund wollen die Wähler für das Original stimmen, nicht für die weniger authentische Kopie, die sie in Ron DeSantis gesehen haben", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die LOS ANGELES TIMES stellt heraus: "Es gab einen Zeitpunkt, in dem der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, wie die größte Hoffnung der Republikaner wirkte, sich von Donald Trump loszusagen. Doch sein Momentum verpuffte schnell. DeSantis wartete fast 200 Tage nach seinem Wiederwahlerfolg in Florida, bis er seine Präsidentschaftskandidatur im Mai 2023 an den Start brachte. In der Zwischenzeit war Trump wieder im Geschäft. Zwar war DeSantis in den vergangenen Monaten ein guter Kandidat: Seine öffentlichen Auftritte waren knackig, er lieferte solide Inhalte in den Diskussionsrunden mit Bürgern und schlug seine Gegenkandidatin Nikki Haley bei den Vorwahlen in Iowa. Aber bis DeSantis sich eingegroovt hatte, war es zu spät. Jetzt ist mit Haley nur noch eine halbwegs ernsthafte Kandidatin im Rennen - und auch ihre Kampagne wird wohl eher früher als später enden", erwartet die LOS ANGELES TIMES aus den USA.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN führt aus: "Ron DeSantis hat sich nach seinem Rückzug klar für Donald Trump ausgesprochen. Mittlerweile haben mehrere namhafte Republikaner ihre Unterstützung für Trump bekanntgegeben, darunter der schwarze Senator Scott, der wie die frühere UNO-Botschafterin Haley aus South Carolina stammt. Haley, die morgen in New Hampshire und im Februar in ihrer Heimat South Carolina die Vorwahlen gewinnen will, ist nun in einer schwierigen Lage", befindet NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die türkische Zeitung MILLIYET sieht die frühere amerikanische UNO-Botschafterin kritisch: "Nikki Haley ist eine Neokonservative, die bereit ist, den Irak und Syrien gleich morgen in drei Teile aufzuspalten. Sie lehnt die Zweitstaatenlösung für die Palästinenser ab und unterstützt Israels Premier Netanjahu ohne Wenn und Aber. Sie sagt auch, dass Amerika mit Russland und China niemals Kompromisse schließen könne. Wenn Russland gewinne, gewinne auch China, wenn die Hamas gewinne, gewinne auch der Iran. Diese Worte scheinen nicht die Worte einer Politikerin zu sein, die ihr Land vor einem Krieg schützen will, sondern eher die einer Abenteurerin, die nicht davor zurückschreckt, die Welt in Brand zu setzen." Sie hörten einen Kommentar von MILLIYET aus Istanbul.
Nun zur Lage im Nahen Osten. DAGSAVISEN aus Oslo nimmt die Position des israelischen Regierungschefs in den Blick: "Benjamin Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ab und zeigt damit, dass sein Weltbild und er selbst ein wesentlicher Teil des Problems im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern sind. Mit seiner Forderung nach einer Kontrolle über alle Gebiete westlich des Jordans entfernt er Israel noch weiter von der internationalen Gemeinschaft. Inzwischen steht definitiv fest, dass es keine Lösung geben wird, solange Netanjahu israelischer Premier ist. Selbst die USA als wichtigster Unterstützer Israels sind für einen eigenständigen palästinensischen Staat. Netanjahu hat der ganzen Welt gezeigt, dass er einem Frieden im Weg steht", erklärt die norwegische Zeitung DAGSAVISEN.
In der US-Zeitung WASHINGTON POST ist zu lesen: "In der zentralen Frage - ein strategisches Ende für den Krieg zu definieren - sind sich Israel und die USA nicht einig. US-Präsident Biden dringt letztendlich auf einen palästinensischen Staat, Israels Ministerpräsident Netanjahu hat ihn nachdrücklich ausgeschlossen. Biden vertritt eine Position, die sowohl langfristig richtig als auch seinen heimischen politischen Interessen dienlich ist. Netanjahu liegt in der Frage falsch, hat aber sein politisches Eigeninteresse genau so scharf definiert wie Biden. In der Folge des 7. Oktobers haben die Israelis den Glauben an den Friedensprozess verloren", vermerkt die WASHINGTON POST.
Die staatliche chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO führt aus: "Der Krieg im Gazastreifen dauert nun mehr als 100 Tage an. Und die riesigen Militärausgaben belasten die israelische Wirtschaft und den Alltag der Israelis. Auch die militärische Einmischung der USA und Großbritanniens im Roten Meer trug nicht zur Beruhigung der Lage bei, ganz im Gegenteil: In letzter Zeit sind vermehrt Auseinandersetzungen an den Grenzen zwischen dem Iran und Irak, Jordanien und Syrien zu beobachten. Ohne wirkungsvolle Vermittlung der internationalen Gemeinschaft könnten sich diese Scharmützel im Nahen Osten in ein Schlachtfeld verwandeln", befürchtet HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Die arabischsprachige Zeitung SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London bemerkt: "Es liegt auf der Hand, dass der Iran keinen groß angelegten Krieg gegen Israel will und das Land lieber mit Hilfe seiner Verbündeten und Agenten bekämpft. Das tut er allerdings konsequent. So kämpft die Hisbollah im südlichen Libanon mal intensiver, mal weniger intensiv gegen Israel. Im Roten Meer führen die Huthi einen Raketen- und Drohnen-Krieg. Und im Irak versuchen einige ebenfalls mit dem Iran verbündete Milizen die amerikanischen Streitkräfte zu vertreiben. Nun schüren die israelische Luftangriffe auf iranische Stellungen in Syrien die Spannung zusätzlich. Das zentrale Problem liegt inzwischen nicht mehr bei der Hamas-Führung im Gazastreifen. Es liegt in Teheran", unterstreicht SHARQ AL-AWSAT.
Abschließend zu den Protesten in Deutschland. Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA kommentiert: "Die Nachricht von einem Treffen der AfD mit Neonazis über eine massenhafte Ausweisung von Migranten und deutschen Bürgern hat landesweit für Empörung gesorgt. In den letzten Tagen demonstrierten deshalb auch zehntausende Menschen in unterschiedlichen Städten gegen die AfD und ihre fremdenfeindliche Politik. Aber die AfD profitiert eben auch von der sinkenden Popularität der Ampelregierung, und sie kanalisiert Ängste der Bevölkerung bezüglich der Immigration. Die Bürger haben das wahre Gesicht der Ultrarechten gesehen – und doch könnte 2024 das Jahr werden, in dem die Brandmauer gegen rechts in Deutschland endgültig fällt", hält LA VANGUARDIA aus Barcelona fest.
Die tschechische Zeitung PRAVO hebt hervor: "Ein Verbot der AfD kommt nicht in Frage, weil die Hinweise auf eine Gefährdung der 'demokratischen Ordnung' nicht eindeutig sind. Das verängstigte, protestierende Deutschland braucht jetzt positive Maßnahmen. Das Problem ist nicht die latent faschistische Gesinnung der Bevölkerung, sondern das Versagen der traditionellen deutschen Politik. Daran muss gearbeitet werden. Völkische Stimmungen in der Gesellschaft werden nicht durch Gerichtsurteile aufgelöst, sondern nur durch eine bessere und überzeugendere Politik; sowohl der Regierungsparteien als auch der demokratischen Opposition", ist PRAVO aus Prag überzeugt.
Die lettische Zeitung NEATKARIGA RITA AVIZE stellt fest. "Die Massenproteste gegen die AfD sind Wasser auf die Mühlen von Bundeskanzler Scholz, denn die jüngsten Demonstrationen überlagern auch die anderen Massenproteste der letzten Zeit wie die der Landwirte gegen die Kürzung von Agrarsubventionen. Die deutsche Regierung steckt in einer schwierigen Lage – aber wird es ihr gelingen, damit Popularitätsverluste wettzumachen?"