02. Februar 2024
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zu den Bauern-Protesten und zur Einigung der EU auf weitere Hilfen für die Ukraine. Die österreichische KLEINE ZEITUNG schreibt zur Rolle des ungarischen Ministerpräsidenten.

Landwirte nehmen mit Traktoren an einer Demonstration des Deutschen Bauernverbandes teil.
Landwirte protestieren mit ihren Traktoren (Archivbild) (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
"Diesmal scheint Orban sich verschätzt zu haben, der Unmut der anderen Staats- und Regierungschefs war spürbar. Als hätten sie nicht ohnehin genug Probleme am Hals, müssen sie sich nun auch noch mit einem Quertreiber aus den eigenen Reihen beschäftigen. Die Ukraine und ihr Schicksal sind für Europa zu wichtig geworden, als dass hier noch Platz für Spielereien wäre. Und nicht nur für Europa: Aus Diplomatenkreisen war zu hören, dass bei der 'Lösung' des Problems auch die USA im Spiel gewesen sein könnten. Das wäre dann auch für Orban eine Nummer zu groß", meint die KLEINE ZEITUNG.
Offiziell gibt es keine Zugeständnisse an die Regierung in Budapest. In einem Gastkommentar der tschechischen Zeitung LIDOVINÉ NOVINY wird darüber spekuliert, ob die EU-Staaten mit einem - Zitat - Wirtschaftskrieg gedroht haben könnten. "Ungarn könnte einen solchen Konflikt mit der EU kaum aushalten; in der Tat hätte die Verwirklichung eines solchen Szenarios aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer dramatischen Abwertung der Währung Forint und einer neuen Inflationswelle geführt, mit allen nur denkbaren Folgen für die Popularität von Viktor Orban und seiner Regierung."
Die tschechische Zeitung PRAVO hält fest: "Die ans Licht gekommenen Informationen über angedrohte ökonomische Repressionen gegen Ungarn haben Orban daran erinnert, wie abhängig die ungarische Wirtschaft von denjenigen Ländern ist, denen er politisch den Rücken kehrt. Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass hinter den Kulissen erwogen wurde, Ungarn teilweise das Stimmrecht in der EU zu entziehen", überlegt PRAVO aus Prag.
Die niederländische Zeitung VOLKSKRANT kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: "Bei fortgesetztem Widerstand wäre das 2018 eingeleitete Strafverfahren gegen Ungarn, das zum Entzug der Stimmrechte in der Europäischen Union führen könnte, wieder in Gang gekommen. Das hätte Investoren abschrecken und der ungarischen Wirtschaft schaden können. Zudem wäre jedwede Bereitschaft zunichtegemacht worden, eingefrorene EU-Subventionen für Budapest - über 20 Milliarden Euro - freizugeben. Orban brauchte am Ende nicht lange, um sich diese Rechnung zu vergegenwärtigen", bilanziert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam vor.
"Orban ist auch ein Visionär", vermerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Er hofft – vielleicht zu Recht –, dass in einer Reihe von EU-Ländern ein Rechtsrutsch bevorsteht. Rechnet man einen nationalkonservativen Vormarsch bei den EU-Wahlen hinzu, und im November den möglichen Wahlsieg Trumps, wäre Ungarn kein Aussenseiter mehr."
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER erinnert daran, dass die EU-Hilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro keineswegs für das Militär in der Ukraine gedacht sind. "Das Gelder dienen, den Staat aufrechtzuerhalten. Nachdem die USA keine Zahlungen leisten, hätte der Ukraine andernfalls ein Staatsbankrott gedroht. Nicht nur wäre die Ukraine damit als Land akut in Gefahr gewesen, sondern es wäre dies auch ein Sieg für Putin und damit eine direkte Bedrohung für das gesamte demokratische Europa gewesen. Putin spricht ganz offen davon, dass er das Baltikum und halb Polen als natürliche Bestandteile Russlands betrachtet. Für ihn ist ein Sieg in der Ukraine nur ein Sprungbrett, um weitere Gebiete zu erobern, die er beansprucht", warnt DAGENS NYHETER aus Stockholm.
In vielen EU-Staaten haben Bauern erneut gegen Umweltauflagen, Bürokratie und Steuern protestiert. Die italienische Zeitung LA STAMPA beobachtet: "Das Ziel der Regierungen, die Stickstoffemissionen zu halbieren und Europa umweltfreundlicher zu machen, hat zu einer politischen Bewegung geführt, die man als Agrarlobby mit rechten Tendenzen bezeichnen könnte. Es zeigt, dass die Verringerung der Umweltverschmutzung ein politisches Problem ersten Ranges ist und nicht einfach durch technische Maßnahmen gelöst werden kann", erläutert LA STAMPA aus Turin.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG erinnert: "Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, hob die Europäische Union die Importzölle für ukrainisches Getreide auf und half damit der Ukraine in einer kritischen Situation, verursachte damit aber auch Mindereinnahmen für die Landwirte in der EU. Um den Schaden wiedergutzumachen, versprach die EU-Kommission mehr Schutz vor billigen Importwaren, aber das reicht nicht, um die Gemüter zu besänftigen." Das war VERDENS GANG aus Oslo.
Nach weiteren Zugeständnissen der Regierung in Paris haben die französischen Bauern angekündigt, ihre Massenproteste einzustellen. LE FIGARO schreibt: "Souveränität. Noch nie war dieses Wort, das in Zeiten der Globalisierung nach Mottenkugeln roch, so aktuell. Präsident Macron und Premierminister Attal hatten nur dieses eine Wort auf den Lippen. Macron forderte, dass die europäische Agrarpolitik 'grundlegend überarbeitet' werden müsse. Premier Attal versprach, die Souveränität für die französische Landwirtschaft gesetzlich zu verankern. Hat der Zorn der Bauern endlich politische Konsequenzen? Hat die Warnung fünf Monate vor den Europawahlen gezeigt, dass Brüssel sich ändern muss, weniger technokratisch, pragmatischer und weniger pingelig? Die Forderung nach mehr Souveränität kommt zu spät. Viele strategische Fehler hätten verhindert werden können", meint LE FIGARO aus Paris.
Die chinesische Staatszeitung WENHUI BAO übt Kritik an der politische Elite: "Während sie in Europa in ihrem Elfenbeinturm von strategischer Autonomie, digitaler und grüner Transformation träumt, kämpfen die Bauern um das Überleben ihrer Betriebe. Die Politik scheint nicht verstehen zu wollen, dass jede Entscheidung, die sie trifft, das Leben der Menschen beeinflusst. Die Gräben zwischen den zwei Welten werden tiefer. Bei der Europawahl könnten die Landwirte den Politikern den ersten Denkzettel verpassen", vermutet WENHUI BAO aus Schanghai.
Nun nach Spanien. Im Osten des Landes, in Katalonien, wurde wegen der anhaltenden Dürre der Wassernotstand ausgerufen. Die spanische Zeitung EL PERIODICO DE CATALUNYA warnt: "Wenn es auch in den nächsten Wochen nicht regnet, geht irgendwann Barcelona und Girona das Wasser aus. Wurde rechtzeitig genug getan, oder waren wir doch zu vertrauensselig? Schon früher gab es Wasserkrisen, die dazu führten, dass Projekte geplant wurden, aber die Umsetzung verzögerte sich. Die Maßnahmen reichten nicht aus, und bis heute fehlt eine langfristige realistische Vision. Nun haben wir also den Wassernotstand, und das bedeutet, dass sich alle den entscheidenden Fragen stellen müssen, die Behörden ebenso wie die Wirtschaft und jeder einzelne Bürger. Es gibt keine Rechtfertigung für Egoismus, und wir müssen besser mit einer knappen Ressource haushalten – in Wohngebäuden und Tourismusbetrieben, in der Industrie und in der Landwirtschaft." Das war EL PERIODICO DE CATALUNYA aus Barcelona.
Zum Schluss nach Deutschland. Die Gruppierung "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" - kurz DAVA - , die eine Nähe zum türkischen Präsidenten Erdogan haben soll, will nach der Europawahl in diesem auch im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl antreten. Die türkische Zeitung HÜRRIYET führt aus: "In manchen Kreisen Deutschlands herrscht eine Türkei-Phobie. Jetzt werden Menschen mit türkischem Hintergrund und deutschem Pass für die Parteien interessant; sie müssen um deren Stimme kämpfen. Gerade eine Teilnahme an der Bundestagswahl empört viele. Auf Geheiß Erdoğans soll die DAVA gegründet worden sein, sagen sie, um die Türkischstämmigen zu spalten und eine Parallelwelt aufzubauen. Vielleicht sollte man einen kühlen Kopf bewahren. Die türkischen Wähler sehen, dass die deutschen Parteien ihre Probleme nicht lösen. In Deutschland ist derzeit der Rechtsextremismus wichtiger als DAVA. Und in Deutschland sollte man sich mehr vor Terrororganisationen fürchten als vor DAVA", empfiehlt die HÜRRIYET aus Istanbul.