12. Februar 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Aussagen des früheren US-Präsidenten Trump zur NATO, die Lage der Palästinenser in Rafah und die Stichwahl um das Präsidentenamt in Finnland.

NATO-Symbol auf USA-Flagge NATO-Symbol auf USA-Flagge, 09.08.2020, Borkwalde, Brandenburg, Auf einer Fahne der USA liegt ein NATO-Symbol. *** NATO symbol on USA flag NATO symbol on USA flag, 09 08 2020, Borkwalde, Brandenburg, On a flag of the USA is a NATO symbol
NATO-Symbol auf USA-Flagge (Imago Images / Steinach)
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA hält Trumps Äußerungen zur NATO-Bündnistreue der USA für katastrophal: "Trump gilt seit langem als unberechenbar. Er sagt, was ihm gefällt, sprich: was ihm gerade so in den Sinn kommt – auch zum Thema Sicherheit. Jetzt hat er vorgeschlagen, Russland solle mit den NATO-Verbündeten machen, was es wolle, wenn diese nicht so viel für ihre Verteidigung zahlten, wie Trump es für angemessen hält. Und da Trump erneut US-Präsident werden könnte, sollten diese Worte als Ankündigung ernster Probleme für die westliche Welt, insbesondere Polen und unsere Region, gewertet werden. Selbst wenn NATO-Mitgliedsstaaten 0,1 Prozentpunkte zu wenig ausgeben würden, sollte dies kein Anlass sein, den Grundsatz in Frage zu stellen, einem angegriffenen Verbündeten zu Hilfe zu kommen, denn dies zerstört das Vertrauen in die Supermacht USA", warnt die Warschauer RZECZPOSPOLITA.
Die NEW YORK TIMES analysiert: "Manch einer mag Trumps Äußerungen als typisches Wahlkampf-Getöse oder als schlechten Humor abtun. Andere bejubeln vielleicht sogar die harte Linie gegen vermeintlich säumige Verbündete, die nach dieser Auffassung die amerikanische Freundschaft zu lange ausgenutzt haben. Trumps Rhetorik ist ein Vorgeschmack auf weitreichende Veränderungen in der internationalen Ordnung, sollte er im November erneut in das Weiße Haus einziehen - mit unvorhersehbaren Folgen.Russland zu ermutigen, NATO-Verbündete anzugreifen, ist eine verblüffende Aussage. Sie unterstreicht Trumps merkwürdige Affinität zu Präsident Putin, der bereits bewiesen hat, in Nachbarländer einzumarschieren, die nicht unter dem Schutz der NATO stehen", erläutert die NEW YORK TIMES.
Man wisse nie, ob Trump seine Äußerungen ernst meine, schreibt LIDOVE NOVINY aus Prag. "Die baltischen Länder und Polen sind in Bezug auf ihre Verteidigungsausgaben vorbildlich. Vielleicht will Trump also nur zeigen, dass er derjenige ist, der die Einhaltung der Regeln effektiv durchsetzt. Aber so viel ist sicher: Er hat das Gefühl verstärkt, dass die USA mit ihren Entscheidungen und Plänen ein Schreckgespenst sind, das in Europa umgeht, wie Marx sagen würde. Vor nicht allzu langer Zeit war es vor allem der große Krieg zwischen der NATO und Russland, der das Schreckgespenst war. In der vergangenen Woche hat sich das geändert: Das Schreckgespenst sind jetzt die USA mit ihren geringeren Militärhilfen für die Ukraine", hebt die tschechische Zeitung LIDOVE NOVINY hervor.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz findet: "Mit seinen Aussagen sägt Trump an der psychologischen Wirkung der NATO. Zwischen den Zeilen scheint dabei vor allem eine Botschaft mitzuschwingen: Die USA würden unter seiner Führung selbst demokratische Verbündete und mit ihnen die liberale Weltordnung nicht mehr um jeden Preis verteidigen. Nicht nur in Moskau, sondern auch in Peking und Teheran dürften sich die Diktatoren darüber freuen."
Der Gast-Kommentator der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN meint: "Trumps Äußerungen machen den Verbündeten der USA Angst, Russland und China dagegen sind voller Erwartungen und Hoffnung. Russlands Präsident Putin dürfte sich ermutigt fühlen, seinen Krieg gegen die Ukraine unbedingt bis zur Wiederwahl von Trump im November fortsetzen zu wollen, auch wenn die Kriegslage für Russland mal schwierig werden könnte. Chinas Staatschef Xi Jinping dürfte denken, dass sich die USA im Konflikt mit Taiwan zurückhalten werden. Gegenüber China und Russland profitieren die USA von ihren Verbündeten, die die Einsätze des US-Militärs weltweit unterstützen. Dass eine Person Präsident wird, die diesen Wert nicht versteht, wird in Peking und Moskau sehr begrüßt", hebt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio hervor.
Themenwechsel. Angesichts der Offensive des israelischen Militärs im Gazastreifen spitzt sich die Lage für die Palästinenser in Rafah zu. In der österreichischen Zeitung DER STANDARD heißt es: "Höhnisch kommentieren israelische Hardliner, dass die Ägypter nicht bereit seien, die Halbinsel Sinai für 'ihre Brüder' zu öffnen. Es gibt nicht ein, sondern gleich zwei ägyptische Albtraumszenarien: den Wunsch der israelischen Rechten zu erfüllen, indem man mithilft, den Gazastreifen zu 'entleeren': die Verzweifelten aus dem Gazastreifen womöglich sogar unter Einsatz von Gewalt jenseits der Grenze zu halten. Was populär wäre – ihnen zu helfen -, käme einem politischen Selbstmord Präsident al-Sisis gleich. Auf dem Sinai Lager für neue, leicht radikalisierbare Flüchtlingsgenerationen hochziehen zu lassen, wäre eine rote Linie für Ägyptens Militär", schreibt DER STANDARD aus Wien.
Die ägyptische Zeitung AL MASRI AL YOUM übt scharfe Kritik an der israelischen Regierung: "Westliche und arabische Politiker warnen Israel, dass ein Militäreinsatz in Rafah unter den gegenwärtigen Umständen eine humanitäre Katastrophe auslösen könnte. Doch Premierminister Netanjahu hört auf niemanden. Seine Sprache ist ausschließlich die des Krieges. Offenbar setzt er weiter auf Gewalt. Der Einsatz könnte die Zahl der Opfer massiv erhöhen und die Lage vielleicht sogar in der gesamten Region eskalieren lassen. Klar ist allerdings, dass Netanjahus Absicht, in Rafah einzumarschieren, auch mit der westlichen Unterstützung Israels zu Beginn des Krieges zu tun hat. Inzwischen ist sich der Westen der katastrophalen Lage in Gaza bewusst, zeigt sich aber weiterhin halbherzig", moniert AL MASRI AL YOUM aus Kairo.
Die israelische Zeitung HAARETZ schreibt: "Netanjahu wird sich nicht mit einem totalen Sieg zufrieden geben, er geht noch einen Schritt weiter. Er beschimpft alle, die ihn vor der Eroberung von Rafah warnen, einschließlich wichtiger Länder, die Israel bisher unterstützt haben. Für Netajahu gibt es nur zwei Optionen: Entweder ein Massaker zu verüben oder den Krieg zu verlieren. Entweder Himmel oder Hölle. Die Geschichte in all ihrer Verschlagenheit stellt ein Volk, das erst kürzlich Opfer einer Massenvernichtung wurde, vor die Entscheidung, die Massenvernichtung eines anderen Volkes zu betreiben", heißt es in HAARETZ aus Tel Aviv.
Nun nach Finnland: Dort hat Ex-Regierungschef Stubb die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET lobt: "Mit Stubb bekommen wir einen weltgewandten und kommunikativen Amtsinhaber, der mit seiner werteliberalen Einstellung ein willkommenes Gegengewicht zur konservativen Regierung bilden könnte. Außenpolitisch hat er schon jetzt mehr Erfahrungen als sein Vorgänger Niinistö bei seinem Amtsantritt vor 12 Jahren. Stubb verfügt über umfassende internationale Kontakte, von denen er in Zukunft profitieren kann", ist das HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki überzeugt.
Die schwedische Zeitung EXPRESSEN konstatiert: "In Finnland stießen die Wahlen auf ungewöhnlich starkes Interesse, und die Beteiligung war so hoch wie lange nicht mehr. Aus schwedischer Perspektive wirkt auch die Begeisterung für Stubb etwas befremdlich. Man braucht schon fast eine Lupe, um wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten auszumachen. Das liegt daran, dass es in Finnland mit seiner langen Grenze zu Russland und dem langen Kampf um Freiheit einen breiten Konsens in der Außen- und Sicherheitspolitik gibt – und die fällt in die Zuständigkeit des Präsidenten", ist in EXPRESSEN aus Stockholm zu lesen.
Die finnische Demokratie sei der große Sieger, heißt es in der Zeitung ILTA-SANOMAT aus Helsinki. "Zwischen Finnland und den USA mit ihrem chaotischen Wahlkampf besteht ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Aber wenn Stubb sein Amt am 1. März antritt, ist der russische Angriff auf die Ukraine längst nicht der einzige unberechenbare Faktor in der internationalen Politik. Auf Stubb warten schwierige Aufgaben, und im Extremfall könnte er sogar Kriegspräsident werden", befürchtet die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT.