21. Februar 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit drei Schwerpunkten: Gaza, die Ukraine und Russland. Doch zunächst nach London. Dort wehrt sich Wikileaks-Gründer Assange in einem Berufungsverfahren gegen die Auslieferung an die USA.

Vor dem High Court in London hält eine Unterstützerin mit Maske ein Plakat hoch. Zu sehen ist eine Bleistift-Zeichnung von Wikileaks-Gründer Julian Assange und die Forderung "FREE ASSANGE".
Menschen demonstrieren für die Freilassung von Whistleblower Julian Assange. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Frank Augstein)
Dazu schreibt die spanische Zeitung EL PAIS: "Assange drohen bis zu 175 Jahre Haft, obwohl sein einziges Verbrechen darin bestand, Dokumente zu veröffentlichen, die eine Regierung absichtlich ihrer Bevölkerung vorenthielt. Die Dokumente berichteten von illegalen Handlungen der US-Armee gegen Zivilisten in den Kriegen in Afghanistan und im Irak. Medien aus aller Welt trugen dazu bei, die Echtheit der Dokumente und der Informationen zu prüfen. Niemand kann die wichtige Rolle bestreiten, die Assange für die Bürgerrechte gespielt hat, die von der US-Regierung missachtet wurden. Von der Entscheidung in London hängt viel ab – und das erst recht in einer Zeit von Falschnachrichten und alternativen Fakten", kommentiert EL PAIS aus Madrid.
Der österreichische STANDARD aus Wien kommt zu dieser Einschätzung: "Man sollte Assange freilassen oder, einmal in den USA, rasch verurteilen und dann vom Präsidenten begnadigen lassen. Wegen Unmenschlichkeit in der Länge des Verfahrens und der Haftbedingungen."
Ungarn verzögerte bislang Schwedens NATO-Beitritt. Kommende Woche will sich das Parlament in Budapest mit dieser Frage befassen. Zunächst besucht Schwedens Ministerpräsident Kristersson seinen ungarischen Amtskollegen Orban und wirbt für den NATO-Betritt seines Landes. Die ungarische Zeitung MAGYAR NEMZET führt aus: "Unter normalen Umständen hätte der Besuch von Ulf Kristersson in einem EU-Staat, der demnächst sein atlantischer Verbündeter wird, in etwa denselben Nachrichtenwert wie der tägliche Wasserstand der Donau. Aber heute leben wir in anderen Zeiten. Der Westen befindet sich mit der Ukraine seit genau zwei Jahren in einer Kriegspsychose. Es ist kein Geheimnis, dass wir Differenzen mit den Schweden hatten. Anti-ungarische Propaganda verbreitete sich in schwedischen Medien und sogar im Bildungssystem. Wir sind fast gleich große Länder, es ist aber auch klar, dass wir über Migration und Gender-Ideologie unterschiedlich denken. Das sollten wir tolerieren können", findet MAGYAR NEMZET aus Budapest.
In Polen gab es erneut landesweite Proteste der Bauern unter anderem gegen Agrarimporte aus der Ukraine. Grenzübergänge wurden blockiert. Die polnische Zeitung RZECZPOPOLITA zeigt sich bestürzt: "Kurz vor dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine gehen Bilder von polnischen Landwirten um die Welt, die Getreide aus dem Land zerstören, das gegen Russland kämpft. Für die Propaganda des Kremls könnte es nichts Besseres geben. Die Demonstranten fordern neben einem Stopp der europäischen Klimapolitik für die Landwirtschaft einen Stopp der Importe für Agrarprodukte aus der Ukraine. Die Einführung eines Embargos würde die Beziehungen zu Kiew nachhaltig beschädigen", warnt die RZECZPOPOLITA aus Warschau.
Die portugiesische Zeitung CORREIO DA MANHA blickt mit Sorge auf Russlands militärisches Vorgehen in der Ukraine: "Unter hohen Verlusten haben sich ukrainische Truppen aus der strategisch wichtigen Stadt Awdijiwka im Osten des Landes zurückgezogen, einer wichtigen Stadt im Donbass, die der Kreml seit Beginn des Kriegs gegen Kiew erobern wollte. Selenskyjs Truppen sind müde, demoralisiert und ohne Munition. Europas Bemühungen reichen nicht aus, die ukrainische Front mit genügend Waffen zu versorgen und Putins Vormarsch zu stoppen", konstatiert CORREIO DA MANHA aus Lissabon.
Mit der anhaltenden Repression und Unterdrückung Oppositioneller in Russland befasst sich die schwedische Zeitung AFTONBLADET: "Wladimir Putin vergiftet, ermordet und sperrt jeden ein, der auch nur versucht, seine Terrorherrschaft zu kritisieren. Oppositionsführer Nawalny war nur das jüngste tragische Opfer in einer unüberschaubaren Liste. Nun hat Nawalnys Frau Julia Nawalnaja mutig den Staffelstab ihres Mannes übernommen. Die Ähnlichkeiten mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja sind offensichtlich. Auch sie hat die Führungsrolle übernommen, nachdem ihr Ehemann von Lukaschenkos Regime festgenommen und inhaftiert wurde. Wenn Julia Nawalnaja nun sagt, dass sie die Arbeit von Alexej Nawalny fortsetzen wird, dann sollte Putin sie gewiss beim Wort nehmen. Und mit dem gleichen Engagement, mit dem wir militärische Unterstützungspakete an die Ukraine schicken, müssen wir auch die kleine russische Opposition unterstützen, die übrig geblieben ist", fordert das AFTONBLADET aus Stockholm.
Nun nach Nahost. Bei einer Rede auf dem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union hat der brasilianische Präsident Lula das israelische Vorgehen im Gazastreifen mit der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland unter Hitler verglichen. Die brasilianische Zeitung O GLOBO aus Rio de Janeiro hält das für einen Fehler: "Der Nationalsozialismus steht für ein einzigartiges Verbrechen in der langen Geschichte der Unmenschlichkeit, und es ist nicht angebracht, den Massenmord an Millionen Juden als Vergleich zu nutzen, um Vorwürfe gegen die israelische Regierung zu äußern. Die Krise hätte durch eine schnelle Korrektur verhindert werden können, aber das ist nicht passiert. Jetzt ist der Weg blockiert, weil Premier Netanjahu entsprechend reagiert und die Äußerungen von Lula als schändlich bezeichnet hat. Nun wird Lula vorgeworfen, den Holocaust zu leugnen, und die Tonlage wird immer schärfer", beobachtet die brasilianische Zeitung O GLOBO.
Brasiliens Präsident Lula habe mit seiner Kritik an Israel recht, schreibt dagegen ein Gastkommentator in ASAHI SHIMBUN aus Tokio: "Israel wünscht sich offenbar von Herzen, dass die Palästinenser aus der Welt verschwinden, und setzt dies durch Mord, Hunger und Vertreibung um. Die Folge ist ein Massaker. Staaten wie Japan folgen den USA, die ihren Kompass verloren haben. Sie beteiligen sich damit an einem Völkermord durch Israel. Der Zahlungs-Stopp an das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge bedeutet, dass man sich dafür entschieden hat, den Tod von Menschen im Gazastreifen in Kauf zu nehmen. Das ist wohl der erste Fall für Japan nach dem Zweiten Weltkrieg, sich an einer Genozid-ähnlichen Tat zu beteiligen", urteilt ein Gastkommentator von ASAHI SHIMBUN.
Zum Schluss geht es um die anstehende Wahl des Europäischen Parlaments. Kommissionspräsidentin von der Leyen, die für eine zweite Amtszeit kandidiert, warnt vor einem Erstarken radikaler Parteien. Der niederländische VOLKSKRANT kritisiert: "Von der Leyen sollte sich fragen, ob es eine gute Idee ist, ihre Kampagne auf Ängsten aufzubauen. Die Wähler zu warnen, dass sie im Begriff sind, den Falschen ihre Stimme zu geben, hat normalerweise wenig Wirkung. Diejenigen, die zum Beispiel vorhaben, den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zu wählen, werden sich von Ursula von der Leyen nicht davon abbringen lassen. Ein offensiver Wahlkampf, der sich auf die eigenen Stärken und Ideen stützt, hat in der Regel mehr Aussicht auf Erfolg", betont DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
HUANQIU SHIBAO, eine der kommunistischen Partei nahestehende Zeitung aus China, fragt sich: "Wird Europa in diesem Superwahljahr einen kollektiven Rechtsruck erleben? Im Sommer werden nicht nur die Europawahlen stattfinden, sondern im Laufe des Jahres auch Parlamentswahlen in Portugal, Belgien, Österreich, Rumänien und Kroatien sowie in Großbritannien. In Europa wird die nach wie vor ungelöste Frage der Migration ein beherrschendes Thema sein, was der Grund dafür ist, dass rechte Parteien und Bewegungen immer mehr Zulauf bekommen und zum Großangriff blasen. Während linken Parteien derzeit immer mehr die Luft auszugehen scheint, ist doch zu hoffen, dass die Parteien der politischen Mitte ihre Mehrheit im Europäischen Parlament verteidigen können, sodass ein heftiges politisches Beben ausbleibt."