Zunächst blickt aber die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN auf die deutsche Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern: "Optimisten glauben, dass diese Marschflugkörper die Wende im Ukraine-Krieg bringen könnten. Warum schicken die Deutschen dann also keine Taurus an Kiew? Andere Länder und Teile der eigenen Regierung üben Druck auf den Bundeskanzler aus, trotzdem bleibt Scholz eisern bei seinem Nein. Die Deutschen tragen den schweren Ballast der Nazi-Zeit, und sie haben erst durch Putins Überfall auf die Ukraine eine scharfe Kehrtwende vollzogen. Scholz erscheint in diesem Streit nicht als der stolze Stratege im Staate Deutschland. Er wirkt unsicher und ist hin und hergerissen zwischen unterschiedlichen Forderungen. Die Sozialdemokraten haben eine lange Tradition als Brückenbauer zwischen Ost und West aufzuweisen, nicht aber als Lieferant von Kriegsgerät. Aber der Krieg hat alles verändert – und die Ukraine braucht jetzt Waffenhilfe“, stellt AFTENPOSTEN aus Oslo klar.
Was die Ukraine gerade nicht brauche, seien Empfehlungen von Papst Franziskus "die weiße Fahne zu hissen", findet die estnische Zeitung POSTIMEES. Zwar ist der Vatikan in der Angelegenheit inzwischen zurückgerudert, die Zeitung fragt sich aber dennoch, wie es zu dieser Äußerung hat kommen können: "Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Vatikan mit seinem weltumspannenden Netz nicht versteht, was in der Ukraine wirklich passiert. Ebenso klar musste sein, dass die Ukraine diese Aufforderung zurückweisen würde. Es mag sein, dass der Papst seine Botschaft vor allem an die Katholiken im globalen Süden richtete, wo der Ukraine-Krieg weit weg ist und die Unterbrechung der Getreideexporte für eine unangenehme Überraschung gesorgt hat. Vielleicht dachte Franziskus aber auch, es sei seine zentrale Aufgabe, von Frieden und Versöhnung zu sprechen?" überlegt POSTIMEES aus Tallinn.
Auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG versucht, eine Erklärung für die umstrittene Formulierung zu finden: "Franziskus ist eigentlich ein begnadeter Kommunikator, ist zugänglich und sympathisch. Leider gelingt es ihm nicht, diese Eigenschaften dann ins Spiel zu bringen, wenn es besonders wichtig wäre. Dann wirkt er zumeist unpräzise, erratisch und sprunghaft. Sein Votum für die weiße Fahne nur so erklären zu wollen, greift aber zu kurz. Manche Beobachter verweisen auf seinen verklausulierten Antiamerikanismus. Mindestens ebenso stark ins Gewicht fällt die Tatsache, dass er nicht aus Europa stammt und anders als seine Vorgänger die Grauen des Zweiten Weltkriegs nicht persönlich erlebt hat. Wer jetzt sagt, der Papst argumentiere einfach im Sinne der christlichen Nächstenliebe, verkennt einen zentralen Punkt: Es ist ihm bisher nicht gelungen, sich in irgendeiner Weise konkret ins Spiel zu bringen. Die Friedensinitiativen des Heiligen Stuhls sind, wenn es sie denn überhaupt je gegeben hat, allesamt verpufft", kritisiert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA greift die vorgezogenen Parlamentswahlen in Portugal auf, bei denen die oppositionelle konservative Demokratische Allianz gewonnen und die rechtspopulistischen Partei Chega einen großen Erfolg errungen hat: "Der Rechtsruck in Portugal ist eine Tatsache. Die Parteien dieses politischen Spektrums haben sich zulasten der progressiven Gruppierungen verbessert. Damit ist Portugal in kurzer Zeit von einer sozialistischen Regierung mit absoluter Mehrheit zu einem sehr knappen Sieg der Mitte-Rechts-Parteien übergegangen, die nun wohl eine Minderheitsregierung bilden werden. Das leitet eine neue Phase der Instabilität ein, die vielleicht bald zu einer weiteren vorgezogenen Wahl führen wird. Und es gibt ein weiteres beunruhigendes Element: Drei Monate vor den Europawahlen haben die Portugiesen bestätigt, dass die extreme Rechte auf dem gesamten Kontinent auf dem Vormarsch ist", hält LA VANGUARDIA aus Barcelona fest.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA überlegt, was zu den Stimmenverlusten bei den bisher regierenden Sozialisten geführt haben könnte: "Selbst die wirtschaftlichen Erfolge der Linken scheinen die Wähler nicht überzeugt zu haben. Die vermeintlich positiven Effekte in der Wirtschaft haben nämlich auch Nebenwirkungen: Erhöhte Investitionen in Immobilien führten zu einer Erhöhung der Mieten, während die Löhne nur langsam steigen. Vielleicht haben die Wähler auch erkannt, dass das Land für Unternehmen inzwischen so attraktiv ist, dass es eine schlechte Idee wäre, es durch eine für linke Kräfte typische übermäßige Bürokratisierung einzuschränken", notiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die portugiesische Zeitung CORREIO DA MANHÃ stellt klar: "Vergessen wir alles Gerede von Brandmauern, jede moralische Überheblichkeit und politische Korrektheit: Die ultrarechte Chega hat bei den Wahlen am Sonntag mehr als eine Million Stimmen bekommen, und das heißt, dass die Sache jetzt ernst wird. Dabei war eine solche Entwicklung schon vor Jahren absehbar, nur dass sich die wenigsten dieser Erkenntnis stellen wollten, weil ihnen taktische Spielchen wichtiger waren. Jetzt aber ist die Chega in den Augen der Wähler zur Normalität geworden, und noch nie war sie der Macht so nahe", schreibt CORREIO DA MANHÃ aus Lissabon.
Nun nach Peking. Die Zeitung ZIYOU SHIBAO aus Taiwan zieht ein Resümee der jährlichen Tagung des Nationalen Volkskongresses, die gestern zu Ende gegangen ist: "Dieses Scheinparlament dient im autoritären System der Volksrepublik zwar nur zum Abnicken der Parteilinie. Dennoch war hinter allen Parolen unverkennbar, dass die Wirtschaft das Sorgenkind der Führung ist. Die Immobilienblase scheint kurz vorm Platzen, die lokalen Behörden sind völlig überschuldet und die Jugendarbeitslosigkeit nimmt immer bedenklichere Ausmaße an. Inzwischen stellt dies sogar eine Gefahr für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität des Landes dar. Maßgeblich verantwortlich dafür ist Staats- und Parteichef Xi Jinping, der mit seinem Primat der Ideologie und nationalen Sicherheit die Eigeninitiative der Privatwirtschaft erfolgreich abgewürgt hat. Wie ernst die Lage ist, zeigte sich auch daran, dass zum ersten Mal seit 30 Jahren nach der Tagung keine Pressekonferenz stattfand, um zu verhindern, dass unliebsame kritische Fragen gestellt werden", unterstreicht die ZIYOU SHIBAO aus Taipeh.
Die japanische NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio ergänzt: "Der Begriff der 'nationalen Sicherheit' fiel beim diesjährigen Volkskongress auffallend häufig. Diese Prioritätensetzung wurde auch bei der Aufstockung der Verteidigungsausgaben klar, die im Vergleich zum angepeilten Wirtschaftswachstum unverhältnismäßig hoch angesetzt ist. Die Bevölkerung leidet unter der stagnierenden Wirtschaft des Landes, dennoch baut Peking auf Aufrüstung. Es ist verständlich, dass allenthalben die Alarmglocken schrillen, aus Sorge, China bereite sich darauf vor, den Status quo mit Gewalt zu ändern."
Und DER STANDARD aus Österreich beobachtet: "Große Würfe und Worte blieben diesmal aus. Die Erhöhung des Militärbudgets: Standard. Ein Wachstumsziel von rund fünf Prozent: moderat. Und dass der Volkskongress Xi mehr Kontrolle über den Staatsrat, also das Kabinett, einräumte – 'more of the same'. Xi zementiert seit Jahren seine Macht; die Maschine läuft immer bloß in diese eine Richtung. Xi-Loyalisten kommen nach oben, Skeptiker oder auch nur Realisten – wie der im Oktober plötzlich verstorbene ExPremier Li Keqiang – verschwinden. Vor allem im Militär- und Sicherheitsapparat rumorte es im vergangenen Jahr gewaltig, es gab etliche Neubesetzungen. Was das alles heißt? Die Blackbox um Xi wird immer dichter. Was wirklich passiert, ist höchst intransparent. Auch Chinas größte Politshow hat kein Licht ins Dunkel gebracht", notiert DER STANDARD, der in Wien erscheint, und damit endet die Internationale Presseschau.