Samstag, 27. April 2024

25. März 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird die erste Runde der Präsidentschaftswahl in der Slowakei. Hauptthema ist aber weiterhin der Terroranschlag auf ein Veranstaltungszentrum nahe der russischen Hauptstadt Moskau.

25.03.2024
Die Trümmer der abgebrannten Crocus City Hall.
Die Crocus City Hall in der Vorstadt von Moskau nach dem Anschlag vom 22. März 2024. (Imago / Itar-Tass / Russian Investigative Committee)
Der GUARDIAN aus London notiert: "Der russische Inlandsgeheimdienst FSB reagierte schnell. Vier Tatverdächtige wurden innerhalb von 24 Stunden identifiziert, verfolgt und festgenommen. Und sie wurden sofort gefoltert; ein Video davon wurde an staatsnahe Medien weitergegeben. Doch der FSB hat die Attacke nicht verhindern können. Es mangelt ihm an Kooperationen mit anderen Geheimdiensten im In- und Ausland und am Vertrauen dieser Dienste. In diesem Land, wo es keine Freiheit gibt und wo politische Diskussionen streng zensiert werden, ist der Glaube an die Geheimdienste gering. Die drangsalierte Bevölkerung wird natürlich dem Narrativ der Regierung folgen, aber Angst und Misstrauen haben bereits zur Entstehung diverser Verschwörungstheorien geführt, die alles, was der Kreml zum Anschlag bekannt gegeben hat, in Frage stellen", erklärt der britische GUARDIAN.
Die französische Zeitung LIBÉRATION führt aus: "Der russische Präsident Wladimir Putin hat entschieden, den IS zu ignorieren, obwohl dieser den Anschlag für sich reklamiert hat. Er hat kein Wort zur Terrororganisation gesagt und die Analysen von Experten außer Acht gelassen. Die Hinweise der US-Regierung zu Monatsanfang, die vor einem Anschlag in Moskau warnte, schlug er in den Wind. Putins Rede am Samstag war so formuliert, dass die Russen vor den Bildschirmen denken sollten, dass Kiew hinter der Attacke steckt. Mit diesem Narrativ will er seine sogenannte militärische Spezialoperation in der Ukraine rechtfertigen - auf die Gefahr hin, das Wiedererwachen des selbst ernannten Islamischen Staates zu verharmlosen", konstatiert die LIBÉRATION aus Paris.
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR aus Bogotá kommentiert: "Putin hat nun seinen gesamten Desinformationsapparat in Bewegung gesetzt, um die Schuld der Ukraine zuzuschieben. Er verwies in der Vergangenheit immer gerne auf seine Erfolge im Bereich der Sicherheit. Aber gerade wird deutlich, wie wenig sein Apparat zur Wahrung der Sicherheit in der Lage ist."
Die lettische Zeitung NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE erinnert: "1999 kam es zu Explosionen in Moskauer Wohnhäusern, die den Vorwand für den zweiten Tschetschenienkrieg lieferten. In Wahrheit dürften die Drahtzieher jedoch im russischen Geheimdienst gesessen haben. 2002 reagierte Putin hart auf die Geiselnahme in einem Moskauer Musical-Theater, und 2004 kam es bei der Erstürmung der Schule von Beslan zu mehr als 330 Todesopfern. Jetzt nutzt Putin die Schüsse und den Brand in der Moskauer Konzerthalle mit über 130 Toten als Vorwand für eine weitere Eskalation seines blutigen Kriegs gegen die Ukraine", kritisiert NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE aus Riga.
LIANHE ZAOBAO aus Singapur betont: "Auch wenn Russland den Anschlag gerne auf das Konto der Ukraine verbuchen möchte, darf es den Ernst der Sache nicht vernachlässigen. Noch weniger berechtigt ist der Kreml, sich an den Ukrainern zu rächen. Hier ist Vernunft gefragt. Terrorismusbekämpfung verlangt internationale Kooperation. Die politische und militärische Konfrontation zwischen Moskau und dem Westen hat diese erschwert, leider zu Gunsten des Terrorismus."
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio stellt fest: "Während Putin auf der einen Seite die Opposition unterdrückt, lässt er andererseits zu, dass Terroristen einen Anschlag verüben, der so viele Menschenleben kostet. Im System Putin, das immer diktatorischer wird, hat sich nach all den Jahren offenbar zu viel Ballast gesammelt."
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA erläutert: "Zwei mögliche Folgen des Terroranschlags werden nun diskutiert: Erstens wird eine Verschärfung der Einwanderungspolitik ins Spiel gebracht. Die in Haft genommenen Tatverdächtigen stammen aus Zentralasien. Es gibt unbestätigte Informationen, dass es allen gelungen sei, russische Pässe zu erhalten. Von Abgeordneten der Staatsduma werden nun Forderungen laut, die Kontrolle über Migranten zu verstärken oder sie während der militärischen Operation in der Ukraine gar nicht mehr ins Land zu lassen. Die zweite Initiative betrifft die Rückkehr der Todesstrafe – speziell für Terroristen. Nach dem, was in der Crocus City Hall geschehen ist, würde ein solcher Vorschlag wahrscheinlich von der Mehrheit der Bürger unterstützt werden. Es ist allerdings alles andere als sicher, dass diese Maßnahmen dazu beitragen würden, Terroranschläge zu verhindern", unterstreicht die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die türkische Zeitung EKONOMI kommt zu folgender Einschätzung: "Es zeichnet sich ab, dass der Anschlag in Moskau auch Auswirkungen auf den Nahen Osten haben wird. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da einer der festgenommenen Angreifer angab, er sei aus der Türkei nach Russland gekommen. Idlib in Syrien, südlich der Türkei, wurde lange Zeit von Russland und der Assad-Regierung als 'Nest des Terrorismus' betrachtet. Der einzige Grund, warum Moskau und Damaskus in Idlib, wo drei Millionen Menschen leben, keine Militäroperation durchgeführt haben, ist der Astana-Prozess zur Beilegung des Syrienkonflikts, der auf Initiative der Türkei ins Leben gerufen wurde. Nach einem Terroranschlag könnte sich Moskau an keinen Prozess mehr gebunden fühlen, auch nicht an Astana. Eine mögliche Großoperation in Idlib wäre für die Türkei ein Alptraum", ist EKONOMI aus Istanbul überzeugt.
Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen stellt heraus: "Dass Russland selbst Staatsterror und Kriegsverbrechen in der Ukraine begeht, macht das Attentat in Moskau nicht weniger schlimm. Vielmehr unterstreicht die Tat, dass die Gefahr durch den islamistischen Terror längst nicht gebannt ist. Auch wenn die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen die Bedrohung überschattet haben, ist dieser Terror nach wie vor ein Teil unserer Wirklichkeit."
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT aus Baku hebt hervor: "Der Terror kennt keine Gnade, er kann in einer Sekunde Dutzende von Menschenleben zerstören. Die Überlebenden sind für ihr Leben traumatisiert. Deshalb sollte niemand Terrorakte rechtfertigen. Das Attentat in Moskau hat ganz Russland erschüttert."
Abschließend in die Slowakei. Dort hat in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl der Vertreter der liberalen Opposition, Korcok, die meisten Stimmen für sich verbucht. Die slowakische Zeitung PRAVDA schreibt: "Die Wahlbeteiligung war die höchste seit 1999, als die slowakischen Bürger zum ersten Mal direkt den Präsidenten wählen durften. Ministerpräsident Fico und seine Regierung haben dazu beigetragen: Eine gespaltene Gesellschaft, die durch die beiden Kandidatentypen repräsentiert wurde, und die Politik der Regierung haben die Menschen dazu getrieben, sich in weitaus stärkerem Maße an den Wahlen zu beteiligen. Wie die zweite Runde ausgehen wird, wissen wir nicht. Was sich aber mit Sicherheit voraussagen lässt, ist, dass sie von einem lebendigeren und interessanteren Wahlkampf begleitet werden wird. Der Kampf um die Gestalt der slowakischen Demokratie hat gerade erst begonnen", vermerkt PRAVDA aus Bratislava.
In der Zeitung HOSPODARSKE NOVINY aus Prag ist zu lesen: "Dem Liberalen Korcok ist es gelungen, verschiedene Wählergruppen für sich zu mobilisieren, die eine weitere Demontage des Rechtsstaats durch Ministerpräsident Fico und dessen Jubelperser ablehnen. Paradoxerweise ist Fico mit seinem Bulldozer-artigen Auftreten selbst zum größten Wahlhelfer des Oppositionskandidaten geworden. Ficos Kandidat Pellegrini wird nun versuchen, die Wähler der ungarischen Minderheit und die Anhänger des ausgeschiedenen Nationalisten Stefan Harabin für sich zu gewinnen. Nur das könnte ihm noch zum Sieg und damit gemeinsam mit seinem Koalitionspartner Robert Fico zur vollständigen Kontrolle über die staatlichen Institutionen verhelfen."