Samstag, 27. April 2024

27. März 2024
Die internationale Presseschau

Mit Kommentaren zur Gefahr durch islamistischen Terror in Europa sowie zum wachsenden internationalen Druck auf Israel. Zunächst geht es aber um Wikileaks-Gründer Julian Assange, der nach einer Entscheidung eines Londoner Gerichts vorerst nicht an die USA ausgeliefert werden darf.

27.03.2024
Großbritannien, London: Wikileaks-Gründer Julian Assange verlässt das Gericht Westminster Magistrates Court nach einer Anhörung zum Auslieferungsgesuch der USA.
Wikileaks-Gründer Julian Assange darf vorerst nicht an die USA ausgeliefert werden. (Dominic Lipinski/Press Association/dpa)
"Grund für Jubel gibt es jedoch kaum", schreibt DER STANDARD aus Wien: "Die Richter am High Court stimmten zwar Bedenken von Assanges Anwälten zu, dass sich der Australier in den USA möglicherweise nicht auf die verfassungsmäßige Redefreiheit berufen könne und eine Todesstrafe nicht ausgeschlossen sei. Doch anstatt Assange sofort ein Berufungsverfahren zu gewähren, erteilten sie den USA den Vorzug. Washington hat drei Wochen Zeit, die Bedenken zu entkräften. Die Auslieferung wurde vorerst also nur verschoben. Assange, dem die USA wegen seiner kompromisslosen, aber auch umstrittenen Aufdeckerarbeit mit Spionagevorwürfen den Prozess machen wollen, bleibt nur zu hoffen, dass die USA ihm zuvor einen Deal anbieten, wie US-Medien kolportieren. Für die Pressefreiheit bleibt all das ein fatales Signal", so die Meinung der Wiener Zeitung DER STANDARD.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA bewertet die Entscheidung des Gerichts anders: „Assange wird mindestens eine weitere Gelegenheit haben, einer erzwungenen Auseinandersetzung mit der amerikanischen Justiz zu entgehen. Dies ist bereits ein Sieg. Ebenso wie die Tatsache, dass er wohl auf jeden Fall am Leben bleiben wird. Vorerst hat Assange also Gründe, nicht aufzugeben.“
"Für Julian Assange geht das Warten weiter", erklärt THE GUARDIAN aus London: "Die Pause kann als kleiner Sieg in dem langen Kampf gegen seine Auslieferung an die Vereinigten Staaten gewertet werden. Aber es ist einer der vielen beschämenden Punkte in dieser höchst beschämenden Geschichte, dass sein Warteraum eine Zelle in einem Hochsicherheitsgefängnis ist, in dem er seit fünf Jahren festgehalten wird, obwohl er für nichts verurteilt wurde. Nur die bedingungslose Freilassung von Assange wird zeigen, dass sowohl das Vereinigte Königreich als auch die USA die Pressefreiheit als etwas ansehen, das es zu ehren gilt - und nicht nur als scheinheilige Floskel", fordert der GUARDIAN.
„Der Umgang mit Wikileaks-Gründer Julian Assange ist eine Schande für westliche Länder", bemerkt die norwegische Zeitung ADRESSEAVISEN aus Trondheim: "Die Gerichtsverfahren laufen jetzt schon seit Jahren, während sich der Gesundheitszustand von Assange massiv verschlechtert hat. 2010 stach Wikileaks eine Reihe vertraulicher Dokumente über die Kriegsführung der USA in Afghanistan und im Irak durch. Nach Ansicht der USA handelte es sich dabei um Hochverrat, aber die Dokumente lieferten eben auch den Beweis für Kriegsverbrechen. Wenn in einem solchen Fall eine Person ohne US-Staatsangehörigkeit ausgeliefert werden kann, schafft das einen gefährlichen Präzedenzfall“, kritisiert ADRESSEAVISEN aus Trondheim.
Die spanische Zeitung EL PAIS kommentiert: "Die Anklage gegen Assange wegen Spionage und die Forderung nach einer Verurteilung zu 175 Jahren Gefängnis ist nur die politische Rache, die Ex-Präsident Donald Trump einst vorantrieb. Und wenn nicht endgültig Abhilfe geschaffen wird, wird Assanges Auslieferung der schwerste Schlag für die Pressefreiheit seit Jahrzehnten sein", befürchtet EL PAIS aus Madrid.
Themenwechsel. Russland macht für den islamistischen Anschlag in Moskau mit zahlreichen Toten neben der Ukraine auch westliche Geheimdienste mitverantwortlich. Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA folgert: "Das Massaker in der Konzerthalle in Moskau mit dem Krieg in der Ukraine zu verbinden, ist eine hinterhältige Art und Weise, die nie ganz zerstreuten Ängste der Russen vor der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus zu beschwichtigen. Indem der russische Präsident mit dem Finger auf die Ukraine, die Vereinigten Staaten und Großbritannien zeigt, versucht er zu leugnen, was für ihn eine unannehmbare Realität ist: Nämlich, dass Russland und der Westen in Bezug auf den islamistischen Terrorismus gleichermaßen Ziel sind", heißt es in der Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN schreibt: „Alles deutet darauf hin, dass ein Ableger des IS hinter dem Anschlag auf die Konzerthalle bei Moskau mit mindestens 139 Toten steckt. Es hatte sicher auch praktische Gründe, dass gerade Moskau getroffen wurde. Viele radikalisierte Individuen aus Zentralasien und dem Kaukasus sehen Russland als Kolonialmacht und Repräsentant einer feindlichen – und ironischerweise auch westlichen – Zivilisation. Für Bürger aus diesen Staaten ist es relativ einfach, nach Russland zu gelangen, während Moskau enorme Ressourcen für einen wahnsinnigen Krieg aufbringt. Das Problem mag in gewissem Ausmaß selbstverschuldet sein, aber es wäre völlig falsch, es als rein russische Angelegenheit abzutun. Wenn der IS-Ableger oder andere dschihadistischen Gruppen die Gelegenheit haben, eine solche grausame Tat in einer anderen europäischen Großstadt zu verüben, werden sie zuschlagen." befürchtet JYLLANDS-POSTEN aus Aarhus.
Die Zeitung CUMHURIYET aus Istanbul warnt in diesem Zusammenhang vor Anschlägen des IS-Ablegers in der Türkei. Das Land sei wegen der hohen Zahl an Flüchtlingen besonders gefährdet: "Natürlich können nicht alle Migranten, die wegen der Bürgerkriege im Irak und in Syrien zu uns kommen, mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden. Manche von ihnen sind selbst Kriegsopfer. Aber jeder weiß, dass sich unter den Millionen Menschen, die durch unkontrollierte Zuwanderung in unser Land kommen, auch Attentäter und dschihadistische Kämpfer befinden. Die Regierung in Ankara hat ihnen den Weg geebnet, und sie haben dafür Geld von der EU bekommen. Die Politik der offenen Tür muss beendet werden", appelliert die türkische Zeitung CUMHURIYET.
Der KOREA HERALD vergleicht das Vorgehen der Terroristen in Moskau mit jenem der Hamas beim Angriff auf Israel am 7. Oktober: "Der grausame, blutige Terror ist derselbe. Die zivilisierte Welt muss sich gegen solche barbarischen Verbrechen vereinen. Die IS-Gruppe und die ihr angeschlossenen Organisationen müssen vernichtet werden. Das Gleiche gilt für die Hamas. Nur dann können die unter ihrer Tyrannei lebenden Palästinenser befreit werden", befindet der KOREA HERALD aus Seoul.
Zum Krieg zwischen Israel und der Hamas hält die Zeitung GULF NEWS aus Dubai fest: "Nach sechs Monaten eines völkermörderischen Krieges gegen Gaza sieht sich Israel auf der internationalen Bühne zunehmend isoliert. Israels Premierminister Netanjahu und seine Koalitionspartner haben dem Ansehen Israels und seinem Platz in der Welt mehr Schaden zugefügt als alle seine Feinde in den sieben Jahrzehnten seines Bestehens."
Die in Peking erscheinende HUANQIU SHIBAO kritisiert in diesem Zusammenhang die USA. "Die Resolution der UNO für eine Waffenruhe in Gaza konnte erst jetzt angenommen werden, weil die Vereinigten Staaten wiederholt dagegen gestimmt haben, bis sie sich schließlich zu einer Enthaltung der Stimme durchgerungen haben. Dennoch ist die Haltung Washingtons zu einem dauerhaften Waffenstillstand nach wie vor nicht eindeutig, was Israel Mut macht, sich gegen die Resolution zu stemmen."
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM aus Ramallah bemerkt: "Der Unmut des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu über die UNO-Resolution ist verständlich. Denn diese stellt den Beginn einer gravierenden Verschiebung der internationalen Lage dar, deren Dimensionen er sich bewusst ist. Die Entscheidung stärkt die internationale Isolation Israels und motiviert viele Länder, Sanktionen gegen das Land zu verhängen, etwa die Einstellung der Waffen- und Munitionslieferungen und die Überprüfung der Zusammenarbeit mit Israel. So ist nicht ausgeschlossen, dass Netanjahu am Ende auf der internationalen Bühne als Verlierer steht", prognostiziert die arabische Zeitung AL AYYAM aus dem Westjordanland zum Ende der Internationalen Presseschau.