Donnerstag, 09. Mai 2024

03. April 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Stimmen zum Krieg im Gazastreifen. Im Zentrum der Kommentare steht dabei der Angriff auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus.

03.04.2024
Rettungs- und Sicherheitskräfte inspizieren die Trümmer eines Gebäudes, das an die iranische Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus angebaut war, 1. April 2024.
Am 2.April wurde bei einem Luftangriff in Damaskus in Syrien ein Gebäude der iranischen Botschaft getroffen. (IMAGO / UPI Photo / Syrian Arab News Agency)
Dazu schreibt die österreichische Zeitung DER STANDARD: "Zum Mehrfrontenkrieg wurde die Auseinandersetzung zwischen der Hamas und Israel gleich nach dem 7. Oktober: Die libanesische Hisbollah, irakische schiitische Milizen sowie die Huthi-Rebellen im Jemen brüsten sich damit, mit Angriffen in der Region Israel davon abzuhalten, seine ganze militärische Konzentration auf Gaza zu richten. Allesamt sind diese Gruppen Stellvertreter des Iran, der es sich, seit er dem Assad-Regime im Bürgerkrieg zu Hilfe geeilt ist, häuslich in Syrien eingerichtet hat und von dort die Hisbollah mit Waffen versorgt. Sie alle treiben den Preis des Gazakriegs für Israel nach oben – das jedoch den Spieß längst umgedreht hat. Israels Angriffe in Syrien sind nicht neu, aber der aktuelle Luftschlag schraubt die Auseinandersetzung auf ein neues Niveau. In Teheran schwört das Mullah-Regime Vergeltung. Israel scheint die Eskalation mit ihm immer weniger zu scheuen", ist im STANDARD aus Wien zu lesen.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz erklärt: "Es steht außer Frage, dass die iranische Militärpräsenz in Syrien eine Bedrohung für Israel darstellt. Nach sechs Monaten ist aber klar erkennbar, dass weder der Iran noch die Hisbollah Interesse an einem größeren Krieg haben. Das Regime in Teheran scheint vielmehr bemüht, eine gewisse Schwelle nicht zu überschreiten. Israel spekuliert womöglich darauf, dass der Iran auch jetzt eine weitere Eskalation vermeiden wird. Doch Israels Strategie ist riskant. Denn der Angriff auf das Konsulat könnte den Iran zwingen, härter als bisher zu reagieren, um die Abschreckung wiederherzustellen. Das Ergebnis könnte ein Krieg sein, den auch Israel nicht wollen kann", warnt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die iranische staatliche Zeitung HAMDELI notiert: "Der Iran wird auf den Terroranschlag Israels reagieren müssen. Die Regierung wird dabei aber Augenmaß walten lassen und die Stellung des Landes in der internationalen Gemeinschaft berücksichtigen. Abenteuerliche Vorschläge von einigen extremistischen Gruppierungen werden daher zurückgewiesen. Die Antwort des Iran wird mit einem realistischen Blick auf die Lage festgelegt werden", ist sich HAMDELI aus Teheran sicher.
Die arabischsprachige Zeitung AL ARABY AL-JADEED führt aus: "Immer deutlicher zeigt sich, dass der Gaza-Krieg die politische Landschaft des Nahen Osten noch über Jahre beeinflussen und verändern wird. Das jüngste Beispiel dafür sind die israelischen Angriffe auf das iranische Konsulat in Syrien. Seit dem 7. Oktober setzt Israel seinen Militärapparat immer entschlossener ein, um Repräsentanten des Iran in Syrien zu attackieren. Mit diesen Angriffen will Israel Iran dazu bringen, die Angriffe seiner Verbündeten in Syrien und im Libanon, dort allen voran der Hisbollah, einzudämmen. Der Iran hat nun zwei mögliche Optionen: Er kann schweigen und sich zurückziehen. Oder er wagt eine Konfrontation mit Israel. Beide Fälle sind fatal, denn sie würden so oder so zu einer gewalttätigen Reaktion führen, sei es durch den Iran, sei es durch seine Verbündeten. Darum zeigt sich die iranische Führung bislang so zurückhaltend", vermutet AL ARABY AL-JADEED aus London.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio ist folgender Meinung: "Der Iran und Israel sollten sich nun um Zurückhaltung und Selbstkontrolle bemühen. Eine direkte militärische Konfrontation beider Staaten hätte enorme negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, die auf Energielieferungen aus dem Iran angewiesen ist. Die internationale Gemeinschaft muss nun dringend handeln, um die Negativspirale der Nahost-Krise zu durchbrechen."
Die chinesische Zeitung GUANGMING RIBAO aus Peking hält fest: "Der Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus war ein eklatanter Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und hat die ganze Welt schockiert. Die stillschweigende Vereinbarung zwischen Teheran und Tel Aviv, eine direkte militärische Konfrontation zu meiden, wurde gebrochen und könnte somit den Wendepunkt in Richtung einer weiteren Eskalation markieren. Die Zeitbombe Naher Osten tickt immer lauter."
"Steht nun eine ernsthafte, bewaffnete Eskalation zwischen dem Iran und Israel bevor?", fragt die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT und gibt folgende Antwort: "Wahrscheinlich nicht. Die beiden Länder beschießen sich seit Jahrzehnten gegenseitig mit martialischen Worten, und manchmal kommt es zu echten Schlägen, aber nie direkt gegeneinander. Insbesondere der Iran ist nicht auf eine direkte Konfrontation aus, denn er weiß, dass Israel militärisch viel stärker ist - und über Atomwaffen verfügt. Außerdem ist sich Teheran bewusst, dass ein Krieg mit Israel auch ein Krieg mit den USA bedeuten würde. Eine solche Auseinandersetzung kann nicht gewonnen werden. Aber auch Israel kann eine militärische Konfrontation mit dem Iran jetzt nicht gebrauchen. Es hat alle Hände voll zu tun mit dem Krieg in Gaza und dem Raketenbeschuss durch die Hisbollah an seiner Nordgrenze", gibt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam zu bedenken.
Bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen wurden Mitarbeiter der US-Hilfsorganisation World Central Kitchen getötet. Die norwegische Zeitung VERDENS GANG erläutert: "Der Vorfall verschlimmert die ohnehin katastrophale Lage für Zivilisten im Gazastreifen. Israels Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem tragischen Fehler. Tatsächlich ist das jedoch schwer vorstellbar, denn die Fahrzeuge waren deutlich gekennzeichnet. Zudem war ihr Einsatz mit den israelischen Behörden abgesprochen. Trotzdem wurden sie angegriffen. Israel hat eine Untersuchung angekündigt, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Aber es gab bereits viele ähnliche Fälle im Lauf des Krieges, und World Central Kitchen leistete einen wichtigen Einsatz zur Versorgung der Menschen", stellt VERDENS GANG aus Oslo klar.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA wirft ein: "Der Angriff auf einen Konvoi der Hilfsorganisation World Central Kitchen zeigt, wie wenig sich die israelische Armee an Absprachen hält. Die Verstöße gegen geltendes Recht waren so evident, dass Premier Netanjahu nichts anderes übrig blieb, als sein Bedauern auszudrücken und von einem Fehler zu sprechen. Von der Armee kam die zynische Bemerkung, man werde den Vorfall untersuchen. Aber längst gibt es zahllose Beweise für Kriegsverbrechen. Doch Israel stellt sich taub gegenüber internationalen Anschuldigungen", beobachtet LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Die spanische Zeitung ABC aus Madrid meint: "Am Sonntag wird es sechs Monate her sein, dass die palästinensische Terrororganisation Hamas den Süden Israels überfallen und dabei Tausende Menschen getötet und vergewaltigt hat. Aber inzwischen ist der Kredit, den Israel nach dieser verabscheuungswürdigen Aggression von der Weltöffentlichkeit bekommen hatte, völlig aufgebraucht. In Gaza geschieht ein unerträgliches Gemetzel, das gegen alle humanitären Grundsätze verstößt."
"Die Zeit der Abrechnung naht", titelt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA und merkt allgemein zur Lage im Nahen Osten an: "Der israelische Ministerpräsident Netanjahu kündigt immer wieder den Start einer Operation gegen die Hamas im Süden des Gazastreifens an – es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass diese zeitnah durchgeführt wird. Ebenso wie es keine Signale für einen möglichen Waffenstillstand mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln gibt. Lösungen dieser Art wären für den israelischen Premierminister und seine ultrarechte Regierung nicht von Vorteil. Das Ende der Operation in Gaza wäre der Beginn der Rechenschaftspflicht Israels und der Suche nach den Verantwortlichen für all das, was zur Tragödie des Hamas-Angriffs im Oktober letzten Jahres geführt hat. Der Hauptverdächtige ist hier Netanjahu selbst." Das war zum Ende der internationalen Presseschau die Warschauer RZECZPOSPOLITA.