Mittwoch, 08. Mai 2024

05. April 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie der Umgang des Westens mit dem Aggressor Russland. Zunächst geht es aber um das militärische Vorgehen Israels gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen.

05.04.2024
US-Präsident Joe Biden sitzt vor einer israelischen und einer US-amerikanischen Flagge.
US-Präsident Biden erhöht den Druck auf Israel. (IMAGO / UPI Photo / IMAGO / Miriam Alster)
Die britische Zeitung THE INDEPENDENT blickt dabei auf die Rolle von US-Präsident Biden: "Die entscheidende Frage ist nun, ob es dem Mann an der Spitze einer Supermacht gelingen wird, die israelische Regierung - die maßgeblich auf die USA angewiesen ist - dazu zu bewegen, eine Waffenruhe anzuordnen und den Angriff auf Rafah abzusagen. Präsident Biden muss verstehen, dass es unmöglich ist, die Zivilbevölkerung im Falle von Bodenoperationen zu schützen, und dass dies zwangsläufig zu einer humanitären Katastrophe führen würde. Um die Israelis von ihrem derzeitigen Plan abzubringen, muss Biden mehr als nur Worte einsetzen: Er muss die diplomatische, finanzielle und militärische Unterstützung Amerikas für Israel an bestimmte Bedingungen knüpfen. Wenn es notwendig ist, müssen Waffenlieferungen an Israel eingestellt werden", fordert THE INDEPENDENT aus London.
Die US-Zeitung WALL STREET JOURNAL aus New York notiert: "Es ist Opportunismus der Biden-Regierung, die Tragödie bei der Hilfsorganisation World Central Kitchen zu nutzen, um Israel zu einem Abbruch des Krieges zu drängen und die Hamas überleben zu lassen. Die Botschaft, die die Hamas daraus für sich mitnehmen wird, ist klar: Lehnt weiterhin Geisel-Deals ab, tut alles, um die humanitäre Katastrophe zu verschärfen und seht zu, wie Biden Israel beschuldigt und unter Druck setzt."
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio hält fest: "Weil immer mehr US-Bürger, vor allem jüngere und arabischstämmige, glauben, Israels Militäraktionen seien überzogen, fühlt sich US-Präsident Biden angesichts des Wahlkampfs in den USA gezwungen, die Kriegslage eindämmen zu müssen. Für Israels Premier Netanjahu bedeutet eine Waffenruhe, ohne dass er die Vernichtung der Hamas oder die Befreiung der Geiseln erreicht hätte, ein Ende seines eigenen politischen Lebens."
Die Zeitung THE IRISH TIMES stellt fest: "Die internationale Meinung wendet sich gegen Israel, nachdem dieser Krieg seit fast sechs Monaten in so unverhältnismäßiger Weise gegen die Zivilbevölkerung des Gazastreifens geführt wird, wie die Zerstörung des Schifa-Krankenhauses, die drohende Hungersnot und nun der Angriff auf einen von den USA geführten humanitären Hilfskonvoi zeigen. Auch die Stimmung in Israel selbst hat sich verändert und richtet sich inzwischen stärker gegen die rechtsextreme Regierung von Ministerpräsident Netnajahu. Wähler sind unzufrieden mit der Kriegsführung, mit der Unfähigkeit, die Geiseln zurückzubringen sowie mit dem Vorgehen israelischer Siedler", unterstreicht THE IRISH TIMES aus Dublin.
Die in Singapur erscheinende Zeitung LIANHE ZAOBAO erläutert: "Angesichts der humanitären Katastrophe in Gaza und des mutmaßlichen israelischen Angriffs auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Damaskus muss die Frage erlaubt sein, was für Ziele die israelische Regierung von Ministerpräsident Netanjahu nun wirklich verfolgt. Der Verdacht ist nicht leicht auszuräumen, dass er diesen Krieg ausweiten möchte. Versucht Netanjahu etwa durch die Eskalation den internationalen Fokus zu verschieben und Amerika in eine direkte Beteiligung an dem Krieg hineinzuziehen? Es muss alles dafür getan werden, damit die Lage im Nahen Osten nicht außer Kontrolle gerät", merkt LIANHE ZAOBAO an.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM aus Ramallah im Westjordanland sieht es so: "Der Fastenmonat Ramadan ist vorüber, ohne dass Israel in Rafah einmarschiert wäre. Dafür dürfte es mehrere Gründe geben. Zu ihnen dürfte eine gewisse Erschöpfung der israelischen Armee gehören wie auch taktische Differenzen zwischen Mitgliedern des Kriegskabinetts, vor allem aber die internationale ablehnende Haltung. Denn die Operation in Rafah wird einen bis anderthalb Monate dauern, und es ist zu erwarten, dass sich die Welt in dieser Zeit noch stärker gegen Israel wenden wird."
Die mexikanische Zeitung LA RAZON schreibt: "Ein halbes Jahr nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel befinden sich noch immer mehr als 130 Geiseln in Gefangenschaft. Israels Ultrarechte setzt sich gegen eine Vereinbarung mit der Hamas für eine Waffenruhe ein, die die Voraussetzung für eine Freilassung der Geiseln wäre. Premier Netanjahu meidet Treffen mit Angehörigen der Opfer, von denen viele aus Kibuzzim im Süden stammen oder Teilnehmer des Festivals Super Nova waren. Viele von ihnen sind keine Anhänger von Netanjahu. Aber selbst Personen, die seiner Likud-Partei nahestehen, sehen inzwischen den Ministerpräsidenten als das eigentliche Hindernis, um zu einer Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln zu gelangen." So weit LA RAZON aus Mexiko-Stadt.
Die argentinische Zeitung LA NACION aus Buenos Aires beobachtet: "Netanjahu hat seine mehrfache Wiederwahl seiner Rolle als Garant der Sicherheit für alle Israelis zu verdanken. Nun steckt er aber in der bislang größten Krise seiner politischen Karriere. Die Wut ist groß, weil es seine Regierung nicht vermocht hat, den Terrorangriff vom 7. Oktober vorauszusehen, während sie gleichzeitig nicht in der Lage ist, eine Entscheidung im Gazakrieg herbeizuführen. Der Druck auf ihn wächst, einer Waffenruhe als Preis für die Freilassung der Geiseln zuzustimmen."
In der italienischen Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom heißt es: "Das Pogrom vom 7. Oktober im Süden Israels mit seinen serienmäßigen Vergewaltigungen, Folterungen und tragischen Todesopfern wurde zwar von der Hamas verübt, ist aber nur ein Kapitel in einem viel umfassenderen Plan, der vom Iran ausgearbeitet wurde. Mit allen Mitteln soll versucht werden, sein rückständiges und totalitäres Modell für den gesamten Nahen Osten durchzusetzen. Das Ziel Teherans ist klar: Es geht darum, jede mögliche Form eines Friedensabkommens zwischen Israel und der arabischen Welt zu verhindern."
Nun zu einem anderen Thema. Mehr als zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ringen die europäischen Länder um einen angemessenen Umgang mit Russland. "Wie Frankreichs Präsident Macron in Putins Falle tappte", titelt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA und erklärt: "Vier Monate vor den Olympischen Spielen in Paris ist es für Macron vorrangig, IS-Terroranschläge in Frankreich zu verhindern. Deshalb wies er gestern seinen Verteidigungsminister Lecornu an, telefonischen Kontakt zu seinem russischen Amtskollegen Schoigu aufzunehmen. Hintergrund des Telefonats: Die russischen Dienste verfügen trotz des Angriffs auf die Crocus City Hall in der Nähe von Moskau über gute Kenntnisse über die Aktivitäten des sogenannten Islamischen Staates. Russlands Machthaber Putin dürfte sich ob der französischen Kontaktaufnahme die Hände gerieben haben, denn es war naiv zu erwarten, dass dieser die Angst der Franzosen vor Terroristen nicht dazu nutzen würde, die Solidaritätsfront des Westens gegenüber Kiew zu schwächen. Das russische Verteidigungsministerium erklärte bereits direkt nach dem Gespräch, die Franzosen seien zu einem 'Dialog' über die Ukraine bereit", registriert die Warschauer RZECZPOSPOLITA.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz merkt an: "Der russische Angriffskrieg in der Ukraine befindet sich im dritten Jahr. Äußerungen von Kremlchef Wladimir Putin und seinen Propagandisten deuten darauf hin, dass sich das Regime in Moskau auf einen langen und gewaltsamen Konflikt mit dem freiheitlichen Westen einstellt. Und wie reagiert Deutschland? Es ordnet – wieder einmal – die Kommandoebenen und Befehlsstrukturen seiner Streitkräfte neu und überschreibt das Ganze mit 'Die Bundeswehr der Zeitenwende'. Es handle sich um eine richtungsweisende Reform, sagt Verteidigungsminister Pistorius. Auf den ersten Blick mag das so aussehen. Auf den zweiten könnte man zu der Auffassung gelangen, als unterschätze Deutschland die militärische Bedrohung durch Putins Regime." Das war zum Ende der internationalen Presseschau die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.