Montag, 29. April 2024

12. April 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Asylreform der EU, die wachsenden Spannungen zwischen Israel und dem Iran sowie das Treffen von US-Präsident Biden und Japans Regierungschef Kishida, die eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigung verkündet haben.

12.04.2024
Die amerikanische und die japanische Flagge wehen am blauen Himmel.
Die USA und Japan wollen enger zusammenarbeiten. (imago images / Newscom World / Joe Sohm)
"Noch nie seit Ende des Kalten Kriegs stand die Welt vor so schwierigen Herausforderungen wie derzeit", heißt es dazu in der japanischen Zeitung YOMIURI SHIMBUN. "Es ist daher von großer Bedeutung, dass sich die beiden Regierungschefs über die Zusammenarbeit verständigt haben. Die Welt befindet sich im Chaos und die außenpolitischen Fähigkeiten Japans werden auf die Probe gestellt. Wegen des russischen Invasionskriegs gegen die Ukraine und der Lage in Nahost kann sich Washington nur begrenzt mit der Sicherheit Asiens auseinandersetzen. Während China seinen Hegemonialanspruch im Ostchinesischen- und Südchinesischen Meer verstärkt, setzt Nordkorea die Entwicklung von Atomwaffen fort. Um den Frieden in Asien zu bewahren, sollte Japan eine führende Rolle übernehmen", lautet der Kommentar in der Zeitung YOMIURI SHIMBUN, die in Tokio erscheint.
"Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur das Bedrohungsgefühl bei uns in Europa verändert – vielmehr hat der russische Angriff auch 8.000 Kilometer weiter östlich einen schlummernden Riesen aus dem Schlaf gerissen", lesen wir in der dänischen Zeitung JYLLANDS-POSTEN. "Jahrzehntelang agierte Japan militärpolitisch sehr zurückhaltend, verdoppelt jetzt aber auf einmal seine Rüstungsausgaben. Außerdem hat Tokio mit seiner Politik gebrochen, keine Langstreckenwaffen zu erwerben, und investiert in Raketensysteme, die bei einem regionalen Konflikt zum Einsatz kommen könnten. Zwar haben Japan und Russland nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer keinen Friedensvertrag geschlossen und liefern sich einen Streit um einige Inseln. Aber es ist weniger die Furcht vor Russland, die Japan zu einem Umdenken veranlasste. Es ist der Schulterschluss zwischen Moskau und Peking und die verschärfte Tonlage des chinesischen Staatspräsidenten Xis gegenüber Taiwan, der die Befürchtung nährt, Xi könnte dem Vorbild Putins folgen. Falls China seine Drohungen umsetzt und Taiwan angreift, würden zwangsläufig auch Länder wie Südkorea und Japan in den Konflikt hineingezogen." So weit der Auszug aus der JYLLANDS-POSTEN, die in Århus erscheint.
"Vor dem Hintergrund der Rivalität zwischen den USA und China lässt sich Japan von Washington instrumentalisieren", lautet hingegen die Auffassung in der Zeitung WENHUI BAO aus Schanghai. "Dies gefährdet den Frieden und die Stabilität in der Pazifikregion und wird Japan letztendlich nur schaden."
Und in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio analysiert eine Gastkommentatorin die Rolle Pekings. "Für Chinas Staatschef Xi Jinping bedeutet die Stärkung der Allianz der USA mit ihren Verbündeten im Indopazifik eine klare Kampfansage Richtung China. Dass Xi dies so sieht, zeigte sich bereits im jüngsten Treffen mit dem russischen Außenminister Lawrow."
Nach dem mutmaßlich israelischen Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus hat sich US-Außenminister Blinken besorgt über die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und Israel geäußert. Die Zeitung YENI ŞAFAK aus der Türkei schreibt dazu: "Die Ankündigung von Vergeltungsmaßnahmen des iranischen Staatsoberhaupts Chamenei erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der regionale Stellvertreterkrieg zu einem größeren Krieg eskaliert. Seit dem 7. Oktober versucht der israelische Regierungschef Netanjahu, den Konflikt auszuweiten, indem er Ziele der Hamas und schiitischer Milizen sowohl in Beirut als auch in Syrien angreift. Da sich der Iran und die Hisbollah weigern, sich militärisch auf die Seite der Hamas zu stellen, ist der Krieg relativ kontrolliert. Die Äußerung Chameneis, die Bombardierung des iranischen Konsulats sei ein direkter Angriff auf iranisches Territorium, hat Washington alarmiert. Im Falle einer direkten Konfrontation zwischen Israel und dem Iran müssten die USA im Nahen Osten intervenieren, was das Letzte wäre, was US-Präsident Joe Biden im Wahljahr will. Es wäre das Scheitern seiner Politik, die einen neuen Krieg im Nahen Osten vermeiden will", meint der Kommentator in der Zeitung YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Die USA haben nach zuletzt deutlicher Kritik an Israels Kriegsführung im Gazastreifen ihren "eisernen" Beistand zu Israel bekundet - angesichts der drohenden Vergeltungsschläge seitens des Irans. Dazu schreibt das WALL STREET JOURNAL: "Einen Verbündeten im Krieg allein zu lassen ist eine Einladung für dessen Feinde. Der Iran hat sich der Zerstörung Israels verschrieben. Und seine Drohungen nehmen zu. Die veränderte Tonlage aus dem Weißen Haus ist zwar willkommen, wäre aber effektiver, wenn sie der Beginn von Bemühungen wäre, Bidens Bruch mit Israel zu reparieren. Der Präsident kann eine Invasion der letzten Hamas-Hochburg Rafah kritisieren oder zu seiner ursprünglichen Haltung zurückkehren und daran arbeiten, Israels Plan zur Evakuierung von Zivilisten zu verbessern. Ein öffentlicher Bruch mit Israel wird vermutlich keinen Einsatz in Rafah verhindern", mutmaßt das WALL STREET JOURNAL, das in Washington erscheint.
Themenwechsel. Zum geplanten Asyl- und Migrationspakt der EU lesen wir in der schwedischen Zeitung AFTONBLADET: "Freuen kann man sich eigentlich nur, weil nun alle Mitglieder gezwungen werden, sich zu beteiligen. Dafür besteht viel rechtliche Unsicherheit. Das Versprechen schneller Asylprozesse ist unseriös und würde bedeuten, dass für wartende Migranten entlang der Grenze ganze Wohngebiete entstehen müssten. Die sogenannte Rückführung in angeblich sichere Drittstaaten ist eine euphemistische Umschreibung, solange den Migranten dort Folter und Repressionen drohen. Steuermilliarden sollten nicht dafür ausgegeben werden, Menschen festzusetzen", zeigt sich AFTONBLADET aus Stockholm überzeugt.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona glaubt, einen Widerspruch ausgemacht zu haben. "Es wirkt paradox, dass die EU die Einwanderung begrenzen möchte, aber eigentlich immer mehr Migranten braucht, weil die eigene Bevölkerung altert. Einerseits werden händeringend ausländische Arbeitskräfte gesucht, andererseits werden die Grenzen geschlossen."
Und die Zeitung LIDOVE NOVINY aus Prag befürchtet einen Nachteil für Tschechien. "Länder mit weniger Migranten sollen künftig Flüchtlinge aus Staaten übernehmen, wo es mehr Schutzsuchende gibt - oder zahlen. Zufrieden sein können daher Mittelmeeranrainer wie Italien und Griechenland. Denn es wird spekuliert, dass Mitgliedstaaten wie Tschechien, obwohl sie viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben, nach einiger Zeit Gelder an die EU-Südstaaten zahlen müssen, weil diese von Neuankömmlingen aus Afrika überschwemmt werden. Denn die Ukrainer wollen nur für eine gewisse Zeit bei uns bleiben und stellen keinen Asylantrag."
Hören Sie abschließend einen Kommentar zur Lage in der Ukraine. "Warum gelingt es den Russen, ungestraft die ukrainische Stromversorgung anzugreifen?", lautet die Frage in der Warschauer Zeitung GAZETA WYBORCZA. "Die russische Propaganda zeigt freudig, wie Flammen aus den Ruinen des Wärmekraftwerks Trypilska in der Nähe von Kiew schlagen. Die Anlage war der größte Stromversorger in der Region Kiew. Der Schaden ist katastrophal. Die ukrainische Luftverteidigung hat nichts mehr zum Schießen. Der Bestand an westlichen Raketen geht zur Neige, einige der Trägerraketen sind verschlissen und es gibt auch Informationen, dass mindestens ein Patriot-Raketensystem zerstört wurde. Und Russland bombardiert die Ukraine ständig mit Raketen und Drohnen, die Moskau aus dem Iran importiert. Wenn das Worst-Case-Szenario wahr wird, bei dem Donald Trump US-Präsident wird und die Ukraine zu einem demütigenden Waffenstillstand mit Russland zwingt, werden wir bald einen Krieg im eigenen Land haben", lautet die Prophezeiung in der polnischen Zeitung GAZETA WYBORCZA, und damit endet die internationale Presseschau.