Donnerstag, 09. Mai 2024

27. April 2024
Die internationale Presseschau

Hauptthema ist die China-Reise von US-Außenminister Blinken. Außerdem geht es um den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Lage im Nahen Osten.

27.04.2024
US-Außenminister Blinken steht an einem Rednerpunkt und spricht in ein Mikrofon. Am Rednerpult ist eine runde Tafel befestigt, auf der steht: "United States Embassy - Beijing"
US-Außenminister Blinken bei einer Pressekonferenz in der amerikanischen Botschaft in Peking. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Tatan Syuflana)
Die italienische Zeitung LA STAMPA schreibt zum Besuch des amerikanischen Außenministers in China: "Die Mission Antony Blinkens in China hatte zum Ziel, die mit dem Treffen der beiden Staatschefs im vergangenen November einsetzende Entspannung fortzuführen, ohne dabei Konzessionen zu machen. Er traf dabei auf die Zustimmung der Chinesen. Ganz offensichtlich wollen die beiden Supermächte die zahlreichen bilateralen Konflikte unter Kontrolle halten. China verurteilt zwar die US-Sanktionen im Technologie-Bereich, exportiert aber weiterhin massiv in die USA. Washington schmeckt die Freundschaft zwischen China und Russland nicht, aber es versucht zu verhindern, dass daraus eine Militärallianz wird. Die Beziehungen zwischen Peking und Washington sind und bleiben konfliktreich. Beide machen daraus kein Geheimnis. Aber sie brauchen einander auch. Und das erkennen sie an", stellt LA STAMPA aus Turin fest.
In der Zeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai heißt es: "Blinken hatte eine lange Liste mit Themen im Gepäck, die er mit seinen chinesischen Gastgebern besprechen wollte. Egal ob es um die Konflikte zwischen Russland und der Ukraine sowie im Nahen Osten oder um Themen in Bezug auf China geht, klar waren nur die Fragen. Doch was die Anworten anging, oder ob die Amerikaner überhaupt Lösungen mit China suchen wollten, blieb unklar. Washington genügt es vielleicht, sich einfach Gehör verschafft zu haben, denn die Einstellungen Chinas dürften bekannt gewesen sein", führt JIEFANG RIBAO aus China aus.
Blinken habe bei seinem Besuch Besorgnis über Chinas Handelspolitik geäußert, heißt es in der türkischen Zeitung CUMHURIYET: "US-Beamte sprechen davon, dass Chinas überschüssige Produktionskapazitäten den Weltmarkt negativ beeinflussen und üben Druck auf China aus. Dieses Verhalten der USA ist unvereinbar mit den Regeln des internationalen Handels, die sie selbst aufgestellt haben. Was für Washington zählt, sind eigene Interessen, nicht Regeln oder Prinzipien. Die USA haben unter Präsident Trump den Handelskrieg begonnen. Und sein Nachfolger Biden führt ihn fort. Doch der Handelskrieg hat den USA mehr geschadet als China", konstatiert CUMHURIYET aus Istanbul.
MAINICHI SHIMBUN aus Japan bemerkt: "Am gleichen Tag, an dem US-Präsident Biden das neue Tiktok-Gesetz unterschrieben hat, ist sein Außenminister nach China gereist. Vor einiger Zeit hätte solch ein Gesetz den gesamten Dialog zwischen den beiden Staaten lahmlegen können. Angesichts der Präsidentschaftswahlen im November will Biden sich als starker Präsident präsentieren. Derzeit ist er aber durch die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen gefordert und wäre wohl froh, wenn die Beziehungen zu China nicht noch instabiler würden. Chinas Staatschef Xi Jinping wiederum strebt auch stabile internationale Beziehungen an, zumal die Wirtschaft seines Landes schwächelt. Eine Inszenierung der Stabilität ist also im Interesse beider Länder", analysiert MAINICHI SHIMBUN aus Tokio.
Die estnische Zeitung POSTIMEES geht auf das Treffen von Blinken mit Staatspräsident Xi Jingping ein: "Medienberichten zufolge richtete Blinken dabei ungewöhnlich direkte Vorwürfe an China wegen der militärischen Unterstützung für Russland. Sogar von schärferen Sanktionen gegen China war die Rede, wenn Peking seine militärische Zusammenarbeit mit Moskau nicht beendet. Es ist ein schwieriger Balanceakt für die USA. Das chinesische Regime hat wiederholt seine Unzufriedenheit mit den von den USA gegen Russland verhängten Sanktionen geäußert. Jetzt steht Peking vor der Wahl, ob man den Druck auf Russland erhöhen soll, den Krieg zu beenden – oder aber, ob man Putin auch künftig hilft, auf dem Schlachtfeld zu gewinnen oder zumindest eine Niederlage abzuwenden. Bislang war China die Unterstützung Russlands wichtiger – aber es verhindert dadurch auch, dass es eine Vermittlerrolle übernehmen könnte", ist sich POSTIMEES aus Tallinn sicher.
KOMMERSANT aus Moskau geht auf die jüngste Rede des französischen Präsidenten Macron ein: "Emmanuel Macron hielt an der Sorbonne-Universität eine große Rede über die aktuelle politische Situation. Zusammengefasst: Die Alte Welt ist in Gefahr, Europa könnte sterben, da es zu träge und den zahlreichen modernen Herausforderungen oft nicht gewachsen ist. Darüber hinaus stellte der Präsident der Fünften Republik fest, dass er seine eigene These über die Entsendung von Truppen zur Unterstützung der Ukraine nicht aufgibt. Die Europäer helfen der Ukraine und übergeben ihr Langstreckenraketen und andere Ausrüstung. Was Russland betrifft, so stellt sich jetzt heraus, dass es sozusagen von Europa ausgeschlossen wurde. Obwohl geographisch immer noch ein großer Teil des Landes dort liegt, gehört es mental nicht mehr dazu", notiert der russische KOMMERSANT.
Die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT bringt den Krieg in der Ukraine mit der Corona-Pandemie in Zusammenhang: "Zu Beginn der Pandemie änderte die EU ihre Finanzregeln, sodass nahezu unbegrenzte Mittel bereitstanden. Das schlägt sich jetzt zwar in der Schuldenquote der EU-Länder nieder, aber ohne diese Investitionen hätte die Krise länger gedauert und größere Schäden angerichtet. Russlands Präsident Putin führt in der Ukraine einen Krieg gegen die freien Demokratien und die Sicherheitsordnung Europas. Es hätte jeden Grund gegeben, auf diese militärische Bedrohung ebenso entschlossen zu reagieren wie auf die Corona-Pandemie. Wäre das von Anfang an der Fall gewesen, wäre Russland wohl schon aus der Ukraine zurückgedrängt worden", vermutet ILTA-SANOMAT aus Helsinki.
EXPRESSEN aus Stockholm macht sich Gedanken über die schwedische Verteidigungspolitik: "Es ist 20 Jahre her, dass die schwedische Landesverteidigung ihren Todesstoß erhielt. Damals glaubte niemand, dass es in unserem Teil der Welt jemals wieder Krieg geben würde. Eine Einheit nach der anderen wurde aufgelöst. Danach waren unsere Streitkräfte nur noch ein Schatten ihrer selbst. Da ist es umso bemerkenswerter, dass ein gestern veröffentlichter Bericht zeigt, wie viel inzwischen wieder in die Verteidigung investiert wird. Die Sicherheitslage hat sich dramatisch verändert. Schweden muss endlich Verantwortung übernehmen – für die eigene Sicherheit, aber auch für die der Alliierten.“ So weit die schwedische Zeitung EXPRESSEN und so viel zu diesem Thema.
Zur Lage im Nahen Osten ist in der Zeitung AL QUDS aus Jerusalem zu lesen: "Hinter den Kulissen gibt es derzeit offenbar sehr ernste Verhandlungen, die auf eine Freilassung der israelischen Geiseln gegen einen Verzicht auf den Angriff auf Rafah im Süden des Gaza-Streifens hinauslaufen. Gleichzeitig heißt es aus Israel, die Armee habe ihren Angriffsplan auf Rafah ausgearbeitet und warte nun auf die Entscheidung der Politik. Das mag eine Finte sein, um den Druck auf die Hamas zu erhöhen. Sollte Israel Rafah jedoch tatsächlich angreifen, könnte das auch eine Front im südlichen Libanon eröffnen. Eine solche Entwicklung könnte dann die gesamte Region in einen Kreislauf von weiteren Konflikten stoßen." Das war die Einschätzung von AL QUDS aus Jerusalem.
Das Oberste Gericht der USA wird voraussichtlich erst in einigen Wochen entscheiden, ob Donald Trump für seine Handlungen als US-Präsident Schutz vor Strafverfolgung genießt. Dazu meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Dem Supreme Court muss man das nicht vorwerfen. Vielmehr müssen sich das Justizministerium in Washington und die Justizbehörden einzelner Staaten die Frage gefallen lassen, warum sie zwei bis drei Jahre benötigten, um ihre Klagen gegen Trump vorzubereiten. Für die Wähler ist das ohnehin nicht entscheidend. Jeder konnte verfolgen, wie Trump sich zwischen dem Wahltermin und der Amtseinsetzung Joe Bidens verhielt. Die Evidenz für eklatanten Machtmissbrauch ist deutlich. Es liegt an den Wählern, zu entscheiden, ob sie so einen Mann erneut im Weißen Haus sehen möchten oder nicht." Mit diesem Auszug aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG endet die internationale Presseschau.