Sonntag, 19. Mai 2024

06. Mai 2024
Die internationale Presseschau

Die israelische Regierung hat den katarischen Fernsehsender Al-Jazeera in ihrem Land abgeschaltet. Im Mittelpunkt der Kommentare steht jedoch die Europareise des chinesischen Staatspräsidenten Xi.

06.05.2024
Chinas Präsident Xi Jinping und seine Frau Peng Liyuan werden vom französischen Premierminister Gabriel Attal auf dem Flughafen Orly empfangen.
Chinas Präsident Xi Jinping, seine Frau Peng Liyuan und der französische Premierminister Gabriel Attal auf dem Flughafen Orly. (AP / Michel Euler)
Zunächst aber nach Deutschland. Zu dem Angriff auf einen Europa-Abgeordneten in Dresden schreibt der österreichische STANDARD: "In Sachsen ist ein sozialdemokratischer Politiker von einem Schlägertrupp angegriffen und so verprügelt worden, dass er ins Spital kam. Das ist ein dramatischer Höhepunkt einer derangierten Diskussionskultur. Was mit ein paar flapsigen Anwürfen im Netz beginnt, entwickelt sich schnell weiter zu einer Hydra. Die Radikalisierung radikalisiert sich ganz von allein, und das Netz ist ihr Prophet. Elon Musk hat dieser Entwicklung einen kräftigen Schub verpasst, unter seiner Ägide wird das Medium Twitter zu einem Pandämonium links- und rechtsextremer Irrsinnigkeiten. Das US-Unternehmen Meta fördert nach wie vor Falschmeldungen und zensiert Brustwarzen. Umgekehrt wäre es erfreulicher. Selbstverständlich ist jeder seiner Radikalisierung Schmied, aber das Umfeld (auch das digitale) versagt offenbar immer mehr darin, hier adäquate Grenzen zu setzen. Immerhin gibt es ein paar Menschen, die sich sehr darüber freuen. Meistens Menschen, denen Wahlmanipulation und Spaltung ein großes Anliegen sind. Zar Putin ist einer davon." Das war DER STANDARD aus Wien.
Zur Europareise des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping heißt in der NEUEN ZÜRICHER ZEITUNG: "Die Rufe nach einem besseren Zugang für europäische Firmen zum chinesischen Markt werden immer lauter. Frankreich als eines der wichtigsten EU-Mitglieder unterstützt den Kurs. In Brüssel setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass Europa gegenüber China an einem recht langen Hebel sitzt und dieser genutzt werden sollte. Weil die amerikanische Regierung chinesische Firmen zunehmend von Technologielieferungen abschneidet und amerikanische Investitionen im Reich der Mitte erschwert, blickt China hoffnungsvoll nach Europa. Chinas Wirtschaft durchlebt schwierige Zeiten. Deshalb ist das Land mehr denn je auf Investitionen europäischer Firmen und offene Märkte angewiesen. Dies können die Europäer für die Durchsetzung ihrer Interessen nutzen", meint die NZZ aus der Schweiz.
Die russische Zeitung KOMMERSANT bemerkt: "Damit die Verhandlungen mit Xi Jinping in Paris über den Rahmen der bilateralen Beziehungen hinauswachsen, ist heute auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei den Gesprächen dabei. China wird den Besuch als erfolgreich betrachten, wenn es gelingt, von den Europäern Garantien zu erhalten, dass chinesisches Kapital in Zukunft nicht in Europa blockiert wird. Darüber hinaus setzt Peking auf die Bereitschaft der EU-Vertreter, die Investitionen in China vor allem im Technologiebereich auszubauen. Was Peking braucht, ist nicht Geld, sondern technologische Investitionen", notiert der KOMMERSANT aus Moskau.
Die chinesische Staatszeitung HUANQIU SHIBAO kommt zu diesem Schluss: "Die Geduld und Freundlichkeit Chinas zeigt immer mehr Europäern, dass China kein Feind, sondern ein Partner ist, kein Risiko, sondern eine Chance darstellt. Je besser sich ein unabhängiges Europa entwickelt, desto stabiler wird die westliche Welt. Europa sollte die Modernisierung Chinas positiv sehen und begrüßen. Mit Paris hat Peking einen wichtigen Partner in Westeuropa, mit Belgrad und Budapest wichtige Freunde. Xis Staatsbesuch sollte diesen Partnerschaften neue Impulse geben", erklärt HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Ein Gastkommentator der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN ordnet Xis Besuche in Paris, Budapest und Belgrad anders ein: "Peking scheint sich auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident vorzubereiten. Die Europareise von Staatschef Xi Jinping kann als sehr strategischer Schritt Chinas gewertet werden. Xi besucht nur drei Staaten: Frankreich, das für strategische Autonomie steht, das chinafreundliche EU-Mitglied Ungarn und das Nicht-EU-Mitglied Serbien, das in die Kooperation zwischen China und den mittel- und osteuropäischen Staaten eingebunden ist. Alle drei Länder sind aus chinesischer Sicht wichtige Akteure und stehen stellvertretend für die jeweiligen Ländergruppen in Europa", analysiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die israelische Regierung hat den katarischen Fernsehsender Al-Jazeera als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft und deshalb den Sender abgeschaltet. Die israelische Zeitung HAARETZ hält das Vorgehen für einen Fehler: "Israel kann die Sendungen von Al-Jazeera beanstanden, von denen einige parteiisch und verzerrt sind. Aber eine Regierung ist kein Fernsehkritiker. Viele arabische Israelis betrachten den Sender als wichtig, um sich zu informieren. Ohne Al-Jazeera und ein paar andere ausländische Medien wäre es in Israel unmöglich zu sehen, was in Gaza passiert. Der Zeitpunkt der Entscheidung erweckt den Verdacht, dass Israel den katarischen Sender ausgerechnet jetzt abschalten will, um ein Abkommen über die Freilassung der Geiseln und einen Waffenstillstand zu vereiteln. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind wichtig. Jeder, dem daran gelegen ist, muss sich der beschämenden Entscheidung der Regierung widersetzen. Solch eine Politik hat keinen Platz in einer Demokratie", kommentiert HAARETZ.
Die in London erscheinende arabischsprachige Zeitung AL QUDS AL-ARABY führt aus: "Zwei Tage nach dem Internationalen Tag der Pressefreiheit lässt Israel das Jerusalemer Büro von Al-Jazeera schließen. Der Konflikt zwischen Israel und dem katarischen Sender findet vor dem Hintergrund weitreichender israelischer Angriffe auf Medien und Journalisten statt. Das Vorgehen entspricht der grundsätzlichen Strategie Israels, gegen alles vorzugehen, was die Palästinenser unterstützen könnte, sei es in den Medien oder in anderen Bereichen. Der jüngste Schritt zeigt: Nachdem zunächst die Infrastruktur des Senders ins Visier genommen wurde, scheint es für Israel nun an der Zeit zu sein, die Institution als Ganzes zu kriminalisieren", kommentiert AL QUDS AL-ARABY.
Zum Schluss ein ganz anderes Thema. Kurz vor Beginn des Eurovision Song Contest im schwedischen Malmö sorgt eine polizeilich genehmigte Koranverbrennung für Aufregung in der Stadt. Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER zeigt sich alarmiert: "Es gibt die Befürchtung, dass Judenhass, Krawalle und Terror die Veranstaltung bedrohen. Zu diesem Ergebnis kommt ein teilweise geheim gehaltener Polizeibericht. Schon länger ist Schweden ein Ziel für gewaltbereite Islamisten. Ein weiteres Ziel ist die LGBTQ-Szene. Nun kommt auch noch der Krieg in Gaza hinzu, der bereits zu aggressiven Demonstrationen in Malmö geführt hat. Die Polizei ist vorbereitet. Die ganze Stadt wird mit Drohnen überwacht. Gerüchte über bevorstehende Gewalt erweisen sich oft nur als Gerüchte. Millionen von Fernsehzuschauer werden das Finale in Malmö sehen. Das wäre auch eine einzigartige Chance für alle Sympathisanten der palästinensischen Sache, ihre Solidarität auf friedliche und demokratische Weise auszudrücken", empfiehlt DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT hält fest: "Der ESC entwickelt sich gerade zu einem der größten Polizeieinsätze der schwedischen Geschichte, und es wurde bereits Verstärkung aus Dänemark und Norwegen angefordert. Die Lage wird so kritisch bewertet, dass die Terrorwarnstufe auf die zweithöchste Kategorie angehoben wurde. Der Schutz der israelischen Teilnehmer verursacht enorme Sicherheitsprobleme, und sie wurden erst zugelassen, nachdem der Liedtext an einigen Stellen geändert wurde. Viele hatten Israel wegen des Kriegs in Gaza sogar ganz vom ESC ausschließen wollen; in Malmö leben viele Menschen mit palästinensischem Hintergrund. Auch haben Koranverbrennungen die Stimmung weiter angeheizt. Aber der allgemeinen Beliebtheit des ESC scheint das alles keinen Abbruch zu tun: Die Botschaft von Freude und Freiheit begeistert nach wie vor", ist sich HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki sicher.