Sonntag, 19. Mai 2024

07. Mai 2024
Die internationale Presseschau

Themen sind die Europa-Reise des chinesischen Staatschefs Xi, der Beginn der neuen Amtszeit des russischen Präsidenten Putin und die Lage im Nahen Osten.

07.05.2024
Der französische Präsident Emmanuel Macron gegrüßt Chinas Präsident Xi Jinping vor dem Elysee Palast in Paris.
Der französische Präsident Macron und Chinas Präsident Xi (AP/dpa/Christophe Ena)
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA meint zum Besuch des chinesischen Staatschefs: "Zum ersten Mal seit fünf Jahren kam Xi Jinping nach Europa. Seine Reiseroute ist so aufgebaut, als ob sie betonen soll, dass Peking nicht davor zurückschreckt, einen Keil zwischen Washington und seine europäischen Verbündeten zu treiben. Neben Frankreich, dessen Präsident die Rolle seines Landes in Europa stärken will, wird Präsident Xi auch den wichtigsten Unruhestifter der Europäischen Union, Ungarn, und das Nicht-EU-Land Serbien besuchen, wo die pro-russische Stimmung stark ausgeprägt ist. Es ist unwahrscheinlich, dass die Mission des chinesischen Staatschefs von Erfolg gekrönt sein wird, aber sie markiert Pekings neue außenpolitische Linie", heißt es in der NESAWISSIMAJA GASETA.
Auch der schweizerische TAGES-ANZEIGER geht auf die Stationen des Besuchs ein: "Aus chinesischer Perspektive ist die Reiseroute sehr geschickt gewählt. Das Regime in Peking kennt die Bruchlinien in Europa und nutzt die Reise, um die Gräben möglichst zu vertiefen. Chinas Staatsoberhaupt beehrt ausgerechnet Serbiens Präsidenten Aleksandar Vucic und Ungarns Regierungschef Viktor Orban, beide Wortführer des prorussischen Putin-Lagers in Europa. Der Gast aus China kommt in unfreundlicher Absicht."
Die ungarische Zeitung NEPSZAVA erläutert: "Ungarns Regierung lässt sich auf Infrastruktur-Investitionen ein, die mit chinesischen Krediten finanziert werden und die sich vielleicht nie rentieren werden, allein deshalb, um Brüssel eins auszuwischen. Xi wiederum hat erkannt, dass er Ungarn dazu benutzen kann, zu verhindern, dass sich eine einheitliche europäische Politik gegenüber China herausbildet. Für Xi wäre das gut, doch was Ungarns Bevölkerung davon hätte, ist eine andere Frage. Zumal sich Ungarn nicht nur wirtschaftlich dem chinesischen Regime annähert, sondern auch politisch jenes Land als Vorbild betrachtet, das Moskau im Krieg gegen die Ukraine unterstützt und damit unmittelbar die europäische Sicherheit gefährdet", analysiert NEPSZAVA aus Budapest.
Die französische Zeitung LIBERATION schreibt zur Rolle Chinas im Ukraine-Krieg: "Im Prinzip ist Xi ein Verbündeter Putins, aber er mag es nicht, wenn der russische Führer ständig mit seinem Atomwaffenarsenal herumwedelt. Seiner Meinung nach schafft Putin globale Unordnung und Krieg ist nun wirklich schlecht für den Handel. Auf Umwegen versteht es China, sich von Russland zu distanzieren, wenn es nötig ist. Was die Welt jedoch am meisten beunruhigt, ist die Art der Beziehung zwischen China und Russland, zwischen zwei Giganten mit gigantischem Appetit: China und Russland, die sich beide auf den anderen stützen und beide auf einem Kreuzzug gegen den 'Westen' und zur Eroberung der Welt sind." Das war LIBERATION aus Paris.
Zum Beginn der neuen Amtszeit des russischen Präsidenten meint die britische TIMES: "Unter Putins Führung ist Russland zu einem Pariastaat geworden, der in China, einem anderen Modell staatlicher Unterdrückung, einen Verbündeten sucht. Der Traum von der Demokratie ist zu Staub zerfallen, während eine ganze Generation zum Militärdienst in einer brutalen, schlecht ausgerüsteten russischen Armee gezwungen wird. Wie bei jedem Mitglied einer Bande, das zum Chef eines Kartells aufsteigt, hat sich die erdrückende Macht des ehemaligen KGB-Agenten Putin über sein Land nicht über Nacht eingestellt. Viel zu lange hat der Westen weggeschaut, während Putin bei Russlands Abenteuern im Ausland seine wahre Natur offenbarte", erinnert THE TIMES aus London.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO ergänzt: "In seiner fünften Amtszeit als Präsident Russlands wird Putins zentrale innenpolitische Aufgabe die Bewahrung der Stabilität sein. Ungeachtet all der vom Westen verhängten Sanktionen hat sich die russische Volkswirtschaft bislang als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Im Interesse der Kriegsanstrengungen wird der Kremlchef den Schwerpunkt künftig jedoch noch mehr auf die Schwer- und Rüstungsindustrie legen, sodass eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Russland kaum möglich sein wird. Dies könnte mittelfristig einen Nährboden für Unzufriedenheit und Proteste schaffen", warnt JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA vergleicht die aktuelle Bedrohungslage in Europa mit der Zeit des Kalten Kriegs: "Heute hat sich einiges geändert. Das zeigt sich auch daran, dass die aktuelle Herausforderung nicht mehr zwischen der UdSSR und den USA besteht, sondern zwischen Russland und den beiden europäischen Ländern Frankreich und Großbritannien. Dass der Kreml auf Erklärungen aus Paris und London über die mögliche Entsendung von Soldaten in die Ukraine reagiert, indem er sein taktisches Nukleararsenal erstmals in einer Übung vorführt, zeigt, wie alle bisherigen Muster gesprengt wurden. Die verbale Eskalation der letzten Monate schickt sich an, eine weitere rote Linie zu überschreiten", befürchtet LA REPUBBLICA aus Rom.
Thema in der norwegischen Zeitung VERDENS GANG ist die Lage im Nahen Osten: "Im zynischen Machtspiel zwischen Israel und der Hamas sind die palästinensischen Zivilisten und die israelischen Geiseln nur die Spielfiguren. Die kommenden Stunden und Tage werden entscheidend für ihr Schicksal werden. Die Evakuierung der östlichen Stadtteile von Rafah könnte der Beginn der Invasion werden, von der Netanjahu seit Wochen spricht. Denkbar wäre aber auch, dass diese Drohung als Druckmittel eingesetzt wird. In gewisser Hinsicht scheint das zu wirken. Aber für einen echten Erfolg müssten beide Seiten mehr Flexibilität zeigen. In Gaza steht jetzt alles auf dem Spiel." Das war VERDENS GANG aus Oslo.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK sieht US-Präsident Biden angesichts des Gazakriegs in Bedrängnis: "Anfang März musste Biden in seiner Rede an die Nation einräumen, dass mehr als 30.000 Palästinenser, darunter Tausende Kinder, ihr Leben verloren haben. Dennoch stellte er in seiner Rede keine Bedingungen an Israel und die Waffenlieferungen an das Land wurden nicht gestoppt. Israel, das sich an keine Regeln hält, setzt seine Kampagne in Gaza mit amerikanischen Bomben fort. Die israelische Armee bereitet sich darauf vor, in die Stadt Rafah einzumarschieren. Die USA lassen sich von Israel an der Nase herumführen und Biden spielt vor den Wahlen im November auf Zeit. Ob ihm das hilft?", fragt YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN kritisiert das Sendeverbot in Israel für den katarischen Fernsehsender Al-Dschasira: "Israel, das eigentlich eine Demokratie sein will, gibt nun die Pressefreiheit auf. Die Entscheidung macht deutlich, wie sehr es die Kriegsparteien hassen, dass durch die Medien die Wahrheit verbreitet wird. Wenn Israel tatsächlich der Meinung ist, dass Al-Dschasira ein 'Sprachrohr der Hamas' ist, sollte es allen anderen ausländischen Journalisten erlauben, frei und direkt aus dem Gazastreifen zu berichten", verlangt ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Und DER STANDARD aus Österreich blickt auf den Bundesparteitag der CDU: "Zu Beginn des dreitägigen Delegiertentreffens der CDU hat deren Chef Friedrich Merz das getan, was er schon seit Wochen macht: Er versuchte Zuversicht zu verbreiten. Bei seiner Wahl zum Parteichef aber erhielt Merz knapp 90 Prozent, vor zwei Jahren waren es 95 Prozent gewesen. Es zeigt sich: So absolut rosig ist Merz’ Lage auch nicht. Und so gut Merz die Lage auch findet – selbst wenn die Union 2025 wieder stärkste Kraft bei der Wahl wird, sie wird einen Koalitionspartner brauchen. Ein solcher aber ist weit und breit nicht in Sicht. Der liberale Wunschpartner ist zu schwach, mit den Grünen und der SPD will die CDU eigentlich nicht. Bis 2025 also liegt noch einiges an Arbeit vor Friedrich Merz", stellt DER STANDARD aus Wien fest.