Sonntag, 19. Mai 2024

08. Mai 2024
Die internationale Presseschau

Die Europa-Reise des chinesischen Staatschefs Xi ist weiter Thema auf den Meinungsseiten, außerdem geht es um Nahost. Zunächst aber nach Russland, wo gestern die fünfte Amtszeit von Präsident Putin mit dessen Vereidigung eingeläutet wurde.

08.05.2024
Putin steht an einem Pult und hält bei der Vereidigung die rechte Hand auf die Verfassung.
Der Beginn der fünften Amtszeit von Russlands Präsident Putin wird auch in den Zeitungen weltweit diskutiert. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Alexander Kazakov)
DER STANDARD aus Österreich unterstreicht, dass damit keineswegs eine neue Ära beginnt: "Moskau machte klar: Es geht weiter mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine, weiter mit internationalen Drohgebärden, weiter mit der Unterdrückung der Opposition im eigenen Land. In Moskau dürfte sich die Verwunderung darüber, dass die meisten EU-Staaten keine Vertreter zur Inauguration in den Kreml entsandt hatten, in Grenzen halten. Wer aber erwartet hatte, dass europäische Einigkeit herrschen würde, wurde ebenfalls enttäuscht. Mehrere Länder, etwa Frankreich, Ungarn und die Slowakei, wollten sehr wohl Abgesandte in den Kreml schicken. Dennoch sollte man nicht aus dem Blick verlieren, dass es für die Präsenz bei Putins Vereidigung unterschiedliche Motive gibt. Und dass es sogar Vorteile haben kann, Russland über die Haltung des Westens im Unklaren zu lassen. Denn mit der Vielstimmigkeit in der EU kann Putin nur schlecht umgehen", konstatiert DER STANDARD aus Wien.
Die russische Staatszeitung KOMMERSANT verweist auf diejenigen ausländischen Gäste, die nicht an der Vereidigung teilnahmen: "Die amerikanische Botschafterin Lynn Tracy reiste vor der feierlichen Veranstaltung ab. Dies könnte man als 'Wir wären gern gekommen, aber es gab dringendere Angelegenheiten' interpretieren. Auch der deutsche Botschafter in Moskau wurde genau einen Tag vor Putins fünfter Amtseinführung in seine Heimat zurückgerufen: Berlin beschuldigt den russischen Geheimdienst, einen Hackerangriff auf die Partei von Olaf Scholz organisiert zu haben, der ein Jahr zuvor stattgefunden hatte. Das sind die Realitäten von heute", heißt es im KOMMERSANT aus Moskau.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN widmet sich in ihrem Kommentar dem Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa: "Der 8. Mai 1945 war nicht etwa ein Tag, an dem alle Seiten Vernunft angenommen und den Krieg am Verhandlungstisch beendet hätten. Der 8. Mai war vielmehr das Datum der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Die Ukraine und ihre Verbündeten müssen dasselbe träumen dürfen: dass Russland auf dem Schlachtfeld verliert und die Waffen niederlegt. Das Ziel ist nicht, Russland zu zerstören oder zu bedrohen, sondern die Unabhängigkeit der Ukraine und den Glauben an eine regelbasierte Weltordnung zu retten", hält AFTENPOSTEN aus Oslo fest.
Ähnlich sieht es die japanische YOMIURI SHIMBUN: "Würde Putin bei seinem Invasionskrieg siegen, wäre das ein großer Schandfleck für die Weltgeschichte. Wir dürfen nicht zulassen, dass Moskau das demokratische Lager der Welt spaltet. Zugleich ist China gerade dabei, seine Handelsbeziehungen zu Russland zu stärken. Damit demonstriert Peking quasi seine Unterstützung für den russischen Angriffskrieg. Ein vom Krieg geschwächtes Russland wäre deutlich abhängiger von der Volksrepublik als bisher, und das wäre ein großer Vorteil für China", analysiert YOMIURI SHIMBUN aus Tokio.
Die geostrategische Haltung der Volksrepublik ist auch Thema beim Europa-Besuch von Chinas Staatschef Xi, den die lettische Zeitung DIENA kommentiert: "Peking nimmt gegenüber Moskau eine wohlwollende Neutralität ein, während Europa de facto darauf verzichtet hat, zum geopolitischen Akteur zu werden. Stattdessen wendet sich Europa lieber den USA zu, zu denen China freilich ein ganz besonderes Verhältnis hat. Es wäre zu erwarten, dass sich deshalb zwischen Europa und China immer mehr Risse auftun. Aber Xi scheint davon überzeugt, dass er das verhindern kann. Er geht davon aus, dass die pragmatischen Europäer an ihren wirtschaftlichen Beziehungen zu China festhalten wollen und dafür auch bereit sind, sich nicht allzu sehr der Linie der USA gegenüber China anzuschließen. Jedenfalls zeigen die ersten Ergebnisse von Xis derzeitiger Reise, dass er mit dieser Einschätzung gar nicht so sehr danebenliegt. Die Frage müsste dann allerdings auch sein, was China bereit ist zu geben", hält DIENA aus Riga fest.
ZHONGGUO SHIBAO aus Taiwan greift die erste Station von Xis Europareise auf: "Bei Xi Jinpings Besuch in Frankreich darf man die ambivalenten Beziehungen zwischen Paris und Washington nicht aus dem Blick verlieren. So hatte Frankreich die Volksrepublik China bereits 1964 anerkannt, was den USA damals in den Zeiten des Vietnamkriegs sauer aufgestoßen war. Auch der derzeitige französische Staatspräsident ist darum bemüht, mit der EU einen eigenen Weg ohne amerikanisches Gängelband zu beschreiten. Frankreichs Präsident verfolgt den kühnen Plan, während der Sommerspiele in Paris einen globalen olympischen Waffenstillstand herbeizuführen. Ob ihm dies mit Xi Jinpings Hilfe gelingen wird, bleibt abzuwarten." Das war ZHONGGUO SHIBAO, die in Taipeh erscheint.
Die chinesische GUANGMING RIBAO blickt auf Xis Visite in Serbien: "Das Verhältnis zwischen Peking und Belgrad könnte als Vorbild für freundschaftliche Beziehungen zwischen China und europäischen Ländern dienen. Serbien war eines der ersten Länder, das sich vor zehn Jahren Chinas Initiative der neuen Seidenstraße angeschlossen hat, was in chinesischen Großprojekten zur Modernisierung der Infrastruktur des Landes mündete. Das harmonische Verhältnis zwischen den beiden Staaten ist ein Beleg dafür, dass Unterschiede hinsichtlich des historischen Hintergrunds, des Gesellschaftssystems und des Entwicklungsmodells kein Hindernis sein müssen", meint die GUANGMING RIBAO aus Peking.
Nun nach Nahost, wo es Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln gibt, und gleichzeitig die Sorge, dass Israel doch noch zu einer Großoffensive in Rafah ausholen könnte. Die dänische Zeitung POLITIKEN schreibt dazu: "Israels Regierungschef Netanjahu stand die letzten Tage unter massivem Druck. Die Forderung von US-Präsident Biden war klar: Der israelische Premier sollte dem Vorschlag für eine Waffenruhe zustimmen. In Tel Aviv demonstrierten Angehörige der israelischen Geiseln und stellten die gleiche Forderung. Aber Netanjahu steht auch unter dem Druck seiner ultrarechten Koalitionspartner, die eine Fortsetzung des Kriegs und damit der Invasion in Rafah verlangen", notiert POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die israelische Zeitung HAARETZ findet, Israels Regierung solle einem Waffenstillstandsabkommen zustimmen, denn "der Kampfeinsatz in Rafah wird die Befreiung der Geiseln nicht voranbringen. Im Gegenteil, er würde diese Aussicht vereiteln und wird außerdem das Ausmaß der humanitären Katastrophe im Gazastreifen weiter verschlimmern. Am Dienstag ist die israelische Verhandlungsdelegation in Kairo gelandet, und es wurde auch berichtet, dass die Hamas-Vertreter dort sind. Jetzt ist es an der Zeit, jeglichen Populismus der rechtsextremen Kabinettsmitglieder beiseite zu schieben und die richtige Entscheidung zu treffen. Die einzige Möglichkeit, die Geiseln zurückzubringen, besteht darin, mutig zu handeln und ein Abkommen zu unterzeichnen, auch wenn dies einen schmerzhaften Preis bedeutet", stellt HAARETZ aus Tel Aviv klar.
Zum Schluss kommentiert EL PAIS aus Spanien die Angriffe auf Politiker in Deutschland: "Besonders gravierend sind die Fälle in den östlichen Bundesländern, wo die Radikalisierung der extremen Rechten kein neues Phänomen ist. Leider auch nicht die Gewalt. In Sachsen-Anhalt etwa hat sich die Zahl der Angriffe auf Politiker zwischen 2018 und 2023 verdoppelt, zwei Drittel davon stammen aus dem rechtsextremen Milieu. Hakenkreuze, Farbe und Fäkalien gegen Parteibüros und sogar Fackelzüge (die in Deutschland in düsterer Erinnerung sind) werden immer häufiger. Das alles ist natürlich nicht hinnehmbar, und die deutschen demokratischen Parteien täten gut daran, auf die Stimmen in ihren Reihen zu hören, die gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung und Umkehrung dieser Realität fordern", unterstreicht EL PAIS aus Madrid, und damit endet die Internationale Presseschau.