21. Mai 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird der Amtsantritt des taiwanischen Präsidenten Lai. Ein weiteres Thema ist die Beantragung von Haftbefehlen unter anderem gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu sowie Führungsmitglieder der Hamas durch den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs. Doch zunächst geht es um die Lage im Iran nach dem Tod von Präsident Raisi.

Präsident Ebrahim Raisi sitzt auf einem weißen Stuhl. Recht neben ihm ist die iranische Flagge zu sehen.
Kommentiert wird unter anderem Irans Präsident Raisi, der bei einem Hubschrauber-Absturz ums Leben gekommen ist (Archivbild). (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Iranian Presidency)
Die iranische Zeitung HAMMIHAN findet: "Eine Erklärung der Gründe und Ursachen für den Absturz des Hubschraubers des Präsidenten ist notwendig. Es stimmt zwar, dass dies ausreichend Zeit benötigt. Dennoch, die Klärung einiger Unklarheiten ist notwendig. Andernfalls werden Gerüchte und ungenaue Nachrichten die Meinung der Menschen dominieren und die Akzeptanz eines fundierten Berichts verhindern", befürchtet HAMMIHAN aus Teheran.
Raisi hinterlasse eine furchtbare Bilanz, hebt die österreichische Zeitung DIE PRESSE hervor: "Er hat die Massenproteste aufgebrachter iranischer Frauen und Männer nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini wegen Verstoßes gegen Kopftuchvorschriften brutal niederschlagen lassen. Er hat Terrorgruppen wie die Hamas ungenierter denn je unterstützt, sein Land an den Rand eines Kriegs mit Israel gebracht und von Gaza bis Jemen an allen Ecken des Nahen Ostens tief in Konflikte verwickelt. An die Reformfähigkeit der iranischen Islamisten glaubt niemand mehr. Die Machthaber in Teheran haben panische Angst davor, dass ihr System zusammenbricht, wenn sie es auch nur einen Hauch zu weit öffnen", analysiert DIE PRESSE aus Wien.
Die britische Zeitung THE TIMES aus London prognostiziert: "Was als Nächstes passiert, wird wahrscheinlich den Eindruck verstärken, dass der Iran ein Land ist, das außer Kontrolle gerät. Es wird überstürzte Präsidentenwahlen geben, Versuche, die Feinde des Iran zu beschuldigen, Polizeirazzien. Ein echter Kampf um die Thronfolge, der eine weitreichende Dysfunktion des Systems offenlegen wird."
Mit Blick auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl im Iran vermutet die spanische Zeitung LA VANGUARDIA: "Die extreme Rechte ist jetzt gezwungen, einen Kandidaten für die Nachfolge von Raisi zu suchen, was die Tür für jene Konservativen öffnen könnte, die in der Vergangenheit ausgegrenzt wurden. All dies geschieht vor dem Hintergrund des wachsenden internationalen Drucks wegen des umstrittenen iranischen Atomprogramms und die engen militärischen Beziehungen des Ajatollah-Regimes zu Russland", notiert LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Die US-amerikanische Zeitung WASHINGTON POST blickt voraus: "Ein Richtungswechsel des Regimes in Teheran ist unwahrscheinlich, auch wenn ein Wandel das wäre, was sich die Bevölkerung des Landes dringend wünscht und was sie braucht. Raisi stand dem Obersten Führer, Ajatollah Ali Chamenei, nahe, der 85 Jahre alt und kränklich ist. Eine Nachfolge steht bevor, wobei Chameneis eigener Sohn nun der Spitzenkandidat ist, weil sein Hauptkonkurrent Raisi nicht mehr lebt. Es besteht jedoch wenig Aussicht, dass der Tod von Raisi die grundlegende Politik des Regimes beeinflussen wird", ist sich die WASHINGTON POST sicher.
Themenwechsel. Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS äußert sich zum Internationalen Strafgerichtshof, der einen Haftbefehl unter anderem gegen Israels Ministerpräsidenten und den Verteidigungsminister beantragt hat: "Die Anklage gegen Netanjahu und Gallant ist ein historischer Wendepunkt, der über einzelne Personen hinausgeht und die gesamte koloniale Politik Israels in Frage stellt - eines Landes, das sich als moralisch unfehlbar darstellt. Für die internationale Gemeinschaft könnte sich aus der Anklage die Einsicht ergeben, dass sich dieser Krieg nicht beenden lässt, ohne dass auf Israel ernsthafter Druck ausgeübt wird und es letztlich keine Alternative zum Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser gibt. Zudem zeigt sich, dass Israel selbst für die westlichen Länder, die das Land am stärksten unterstützen, Tag für Tag zur Belastung wird", urteilt die Zeitung AL QUDS, die ihren Sitz in London hat.
Die israelische Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv gibt zu bedenken: "Selbst wenn die Haftbefehle ausgestellt werden, wird nur das Gericht entscheiden, ob die Handlungen von Netanjahu und Gallant tatsächlich als Kriegsverbrechen einzustufen sind. Aber allein die Tatsache, dass die Führer des Landes in eine Situation geraten sind, in der sie als Kriegsverbrecher bezeichnet werden könnten und ihnen die Verhaftung droht, sollte jeden israelischen Bürger beunruhigen. Netanjahu hat Israel am 7. Oktober in seine größte Katastrophe geführt", urteilt HAARETZ.
Die türkische Zeitung KARAR aus Istanbul betont, die Anträge seien sowohl juristisch als auch politisch bedeutsam: "Einerseits, weil Israel ein Staat ist. Zum anderen genießen Netanyahu und Galant nach israelischem Recht Immunität. Gegen die Regierung Netanjahu, die bisher den Holocaust als Schutzschild benutzt hat, wird nun nach internationalem Recht wegen Kriegsverbrechen ermittelt. Südafrika hat dafür den Weg geebnet."
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA beobachtet: "Entrüstung gibt es nicht nur auf israelischer Seite. Paradoxerweise ist auch die Hamas empört darüber, dass sie auf derselben Liste steht wie die Israelis. Es ist nun so weit gekommen, dass sich Hamas-Mitglieder wie Opfer fühlen. Wie erwartet will Israel, das ebenso wie die USA die Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs nicht anerkennt, die Thesen des Anwalts Khan bekämpfen. Der Internationale Strafgerichtshof wird den Krieg nicht beenden“, unterstreicht die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Abschließend noch Stimmen zum Amtsantritt des neuen tawainischen Präsidenten Lai. Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN führt aus: "Lai ist eine besonnene Haltung, die Neigung des Landes zur Unabhängigkeit zu beherrschen, zu wünschen, um China keinen Vorwand für Attacke zu geben. Allerdings gilt Lai für die Führung in Peking als großer Unterstützer für die Unabhängigkeit von Taiwan und daher wird das Regime von Staatschef Xi Jinping mit ziemlicher Sicherheit einen harten Kurs einschlagen. Das wäre aber einer Großmacht nicht würdig, die für die Stabilisierung im gesamten Asien verantwortlich ist. Je stärker die Drohung aus Peking wird, desto schneller distanziert sich die Bevölkerung in Taiwan. Dass dies für die Volksrepublik keinen Gewinn bringen wird, sollte Xi Jinping endlich erkennen. Peking sollte Taiwan entgegenkommen und neue Gespräche mit der Insel beginnen", empfiehlt YOMIURI SHIMBUN aus Tokio.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO aus Peking kritisiert, Lai habe in seiner Antrittsrede erneut... "...alle möglichen irrigen Thesen über eine angebliche Unabhängigkeit Taiwans verbreitet. Diese Äußerungen sind für die Insel sehr schädlich und gefährlich. Die angebliche Demokratie, mit der er sich schmückt, ist nichts als eine dünn aufgetragene Schminke. Sehr peinlich war zudem seine Anbiederei an alle antichinesischen Kräfte auf der ganzen Welt. Bei seinem penetranten Säbelrasseln fragt man sich unwillkürlich, ob er wirklich die Menschen in Taiwan zu Kanonenfutter degradieren will," kommentiert HUANQIU SHIBAO.
Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY vergleicht die Lage Taiwans mit derjenigen West-Berlins während des Kalten Krieges und hebt hervor: "Lai Ching-te tritt sein neues Amt als Präsident in einer Zeit an, in der offen über einen möglichen Krieg zwischen China und den USA um Taiwan diskutiert wird. Das wäre etwas, was den Lauf der globalen Politik und Wirtschaft entscheidend verändern würde. Denn zwei Drittel des Welthandels werden über die Wasserstraßen der Region abgewickelt - und Taiwan selbst ist ein unersetzlicher Produzent der modernsten Halbleiter. Wenngleich wir uns in Europa auf die russische Aggression gegen die Ukraine konzentrieren, bleibt Ostasien von entscheidender Bedeutung für die globale Stabilität. Der neue Präsident Taiwans wird eine wichtige Rolle dabei spielen, wie sich die Situation um die Insel weiter entwickelt", erwartet HOSPODARSKE NOVINY aus Prag zum Ende der internationalen Presseschau.