25. Mai 2024
Die internationale Presseschau

Thema in den ausländischen Zeitungen sind unter anderem die anhaltenden Spannungen zwischen China und Taiwan. Außerdem beschäftigen sich viele Kommentare mit der Anordnung des Internationalen Gerichtshofs, wonach Israel seine Offensive in der Stadt Rafah im Gazastreifen einstellen soll.

    Ein pro-palästinensischer Demonstrant steht vor dem IGH in Den Haag und hält zwei Palästina-Flaggen hoch.
    Der Internationale Gerichtshof befürchtet, Israels Militäroffensive könne zur „vollständigen oder teilweisen Auslöschung“ der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen führen. (picture alliance / Anadolu / Nikos Oikonomou)
    Die JERUSALEM POST hat für die Entscheidung, die auf einen Antrag Südafrikas zurückgeht, kein Verständnis: "Der Internationale Gerichtshof ignoriert anscheinend das Argument Israels, dass es sich bei seinen Aktionen in Rafah um Selbstverteidigung gegen die Hamas handelt, eine Terrororganisation, die für zahlreiche Angriffe auf israelische Zivilisten verantwortlich ist. Dieses Versäumnis verkennt die realen und aktuellen Sicherheitsbedrohungen, denen Israel ausgesetzt ist. Die Anschuldigungen Südafrikas gegen Israel wegen Völkermordes, für die es keine stichhaltigen Beweise gibt, erscheinen politisch motiviert. Die Verwendung solch schwerwiegender Anschuldigungen ohne konkrete Beweise verzerrt nicht nur die rechtliche Definition, sondern relativiert auch die Schwere echter Völkermorde", meint die JERUSALEM POST aus Israel.
    "Ob Israel das Urteil für bedeutsam hält, ist fraglich", schreibt die türkische Zeitung KARAR. "Bei der ersten Klage Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof waren die israelischen Bänke mit Dutzenden von Anwälten besetzt, bei der Urteilsverkündung gestern waren es nur drei. In den Reihen der Kläger, angeführt von Südafrika, gab es hingegen keine leeren Plätze. Damit hat Israel einmal mehr bewiesen, dass es den Streit nicht ernst nimmt. Das Recht wird nur dann respektiert, wenn es sich zugunsten Israels auswirkt", kritisiert KARAR aus Istanbul.
    Einer der Kolumnisten der NEW YORK TIMES stellt fest: "Die Anordnung des Gerichtshofs ist zwar bindend. Das Gericht hat aber keinen Hebel, sie durchzusetzen - was in der Praxis bedeutet, dass diese Aufgabe dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und insbesondere US-Präsident Biden zukommt. Das sollte eigentlich einfach sein und bietet Biden eine Chance, seine gescheiterte Gaza-Politik zu retten, denn in diesem Fall sind sich Biden und der Gerichtshof im Wesentlichen einig: Beide sind gegen eine totale Invasion in Rafah und beide wollen, dass Israel mehr humanitäre Hilfe zulässt. Doch seit sieben Monaten lässt sich Biden von Premierminister Benjamin Netanjahu ignorieren und überrollen. Die Frage ist nun, ob die Anordnung des Gerichts Biden zu dem nötigen Mut verhelfen wird, Israel unter Druck zu setzen, damit es der Entscheidung folgt. Bidens Druckmittel liegt auf der Hand: Er kann die Lieferung aller Offensivwaffen an Israel aussetzen, solange das Land sich über internationales Recht hinwegsetzt", heißt es in der NEW YORK TIMES.
    Die polnische RZECZPOSPOLITA sieht die USA weiterhin aufseiten Netanjahus und bemerkt: "Die Art und Weise, wie die Vereinigten Staaten den Premierminister des verbündeten Israels vor den Entscheidungen der internationalen Tribunale schützen wollen, zwingt uns zu fragen, wie eigentlich die Einstellung der USA zu den oft beschworenen westlichen Werten ist. Um ihre Solidarität mit Netanjahu auszudrücken, werden die USA ihn wahrscheinlich nach Washington einladen und erneut vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses sprechen lassen. Das ist ein außergewöhnliches Privileg – und es wäre Benjamin Netanjahus vierte Rede vor dem US-Kongress. Winston Churchill, der angesehene britische Premierminister aus bahnbrechenden Zeiten, sprach dort dreimal. Viermal sprach dort bislang niemand. Netanjahu würde sich als wichtiger erweisen als Churchill", folgert die RZEZPOCSPOLITA aus Warschau.
    Die panarabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT geht hingegen davon aus, dass die USA zunehmend von Israel abrücken: "Auch in Washington macht man sich angesichts der anhaltenden Proteste zunehmend Sorgen. Es scheint, als würden auch die USA Israel künftig nicht mehr unbedingt verteidigen. Alles deutet darauf hin, dass die Ära der Amerikanisierung der globalen Geopolitik erodiert. An ihre Stelle treten andere Entwicklungen. Ganz vorne werden die Bemühungen um die Gründung eines palästinensischen Staates stehen und zwar ganz unabhängig davon, was Netanjahu und seine rechten Koalitionäre dagegen zu unternehmen versuchen", glaubt die Zeitung SHARQ AL-AWSAT, die in London erscheint.
    Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT kann sich nicht vorstellen, dass eine Zweistaatenlösung in greifbarer Nähe ist, dafür sei die Lage zu kompliziert: "Die Karte des Westjordanlands zum Beispiel sieht aus wie ein löchriger Käse: Die vielen Löcher sind israelische Siedlungen. Die jüdischen Siedler, die hier leben, werden niemals gehen wollen. Es gibt noch weitere heikle Themen, mit denen Verhandlungsführer alle Hände voll zu tun hätten - falls sie jemals wieder an einem Tisch zusammenkommen, denn im Moment will Israel davon absolut nichts wissen", ist sich DE VOLKSKRANT aus Amsterdam sicher.
    Aus Sicht des TAGES-ANZEIGERS aus Zürich ist der Terrororganisation Hamas in der öffentlichen Wahrnehmung ein Sieg gelungen: "Die Täter-Opfer-Umkehr ist vollzogen, heute steht Israel am globalen Pranger, nicht die Hamas. Dazu beigetragen hat zuletzt der Internationale Gerichtshof. Das Kalkül der Hamas-Terroristen ist somit vollständig aufgegangen. Obwohl sie am 7. Oktober mehr als 1.200 Menschen bestialisch ermordeten. Obwohl sie immer noch mehr als 100 israelische Geiseln in ihrer Gewalt haben. Der Zeitpunkt scheint gekommen, um den Sieg zu verkünden und sich zurückzuziehen, sobald die Hamas alle Geiseln freigelassen hat. Die israelischen Streitkräfte haben die Islamisten zwar nicht besiegt, aber zweifelsohne geschwächt", resümiert der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz.
    Zum nächsten Thema. China hat nach der Amtsübernahme des neuen Präsidenten von Taiwan, Lai Ching-te, ein mehrtägiges Militärmanöver in der Region um die Insel durchgeführt. Die Pekinger Zeitung HUANQIU SHIBAO erläutert den Zusammenhang aus Sicht der chinesischen Führung so: "In seiner Antrittsrede sendete Lai Ching-te ein gefährliches Signal. Er sprach populistisch und provokant zugleich. Darauf hat Peking mit dem Militärmanöver eine klare Antwort gezeigt. Seine separatistischen Gedanken verpackte Lai mit schönen Worten wie 'Demokratie', 'Frieden' und 'wirtschaftliches Wachstum für Taiwan'. In Wirklichkeit ist er gerade dabei, nicht nur seine eigene politische Zukunft, sondern auch das Schicksal der taiwanischen Bevölkerung aufs Spiel zu setzen. Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich dabei", warnt die chinesische HUANQIU SHIBAO.
    Die japanische Zeitung MAINICHI SHIMBUN hält derlei Drohungen für kontraproduktiv: "Peking hat die Antrittsrede des neuen Präsidenten Lai scharf verurteilt. Lai sei ein Zerstörer von Frieden und Stabilität in der Taiwan-Straße. Jedoch sind es gerade solche Drohungen, die dem Frieden und der Stabilität in der Region schaden. China sollte sich als verantwortliche Großmacht von tyrannischem Verhalten zurückhalten", empfiehlt die MAINICHI SHIMBUN aus Tokio.
    Die TAIPEI TIMES macht sich derweil Sorgen um den zunehmenden Einfluss der Oppositionspartei KMT, die sich in Taiwan für eine Ein-China-Politik einsetzt, und begrüßt die jüngsten Proteste gegen eine geplante Parlamentsreform: "Die KMT scheint zu versuchen, die von der ehemaligen Präsidentin Tsai Ing-wen durchgeführten Verteidigungsreformen rückgängig zu machen. Viele in der KMT unterstützten weder die Verlängerung der Wehrpflicht noch die Entwicklung der nationalen Waffenprogramme und den Übergang zu einer asymmetrischen Verteidigungsstrategie, die nach Ansicht der USA und anderer Partner zur Abschreckung eines chinesischen Angriffs unerlässlich ist. Die Proteste der Taiwaner stehen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit. Wie schon 2014 bei der sogenannten Sonnenblumen-Bewegung geht es um das Überleben der taiwanischen Demokratie. Es könnte nicht mehr auf dem Spiel stehen“, unterstreicht die TAIPEI TIMES aus Taiwan, und damit endet die internationale Presseschau.