29. Mai 2024
Die internationale Presseschau

Die Zeitungen im Ausland kommentieren die Reaktionen auf den israelischen Luftangriff in Rafah, die offizielle Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Spanien, Irland und Norwegen sowie den letzten Tag des Staatsbesuches von Frankreichs Präsident Macron in Deutschland.

Israelische Luftangriffe haben ein Zeltlager von Flüchtlingen in Rafah im Gazastreifen getroffen
Israelische Luftangriffe haben ein Zeltlager von Flüchtlingen in Rafah im Gazastreifen getroffen. (picture alliance / Anadolu / Ashraf Amra)
Beginnen wir mit dem britischen GUARDIAN, der nach Rafah Konsequenzen fordert: "Durch den israelischen Angriff wurden in einem Zeltlager mindestens 45 vertriebene Palästinenser getötet, darunter viele Frauen und Kinder. Damit ist eindeutig die 'rote Linie' überschritten, die US-Präsident Joe Biden hinsichtlich der Notwendigkeit gezogen hat, Zivilisten im Gaza-Konflikt zu schützen. Biden neigt allerdings dazu, den israelischen Streitkräften zu vertrauen und zu behaupten, dass seine Linie nicht überschritten worden sei. Trotz des internationalen Aufschreis hat Israel am Dienstag seine Militäroffensive noch verstärkt, Panzer nach Rafah geschickt und offenbar dutzende weitere Zivilisten getötet", bemängelt THE GUARDIAN aus London.
Die türkische Zeitung KARAR aus Istanbul schreibt: "Für Israels Ministerpräsident Netanjahu war der Angriff auf das Zeltlager ein 'tragischer Unfall'. Israel erklärte der Welt also kurzum, dass es sich um einen 'Kollateralschaden' gehandelt habe, der im Krieg nun einmal passieren könne. Die arabischen Länder haben von Anfang an deutlich gemacht, dass sie sich an diesem von der Hamas begonnenen Krieg nicht beteiligen werden. Es ist offensichtlich, dass sie das seit mehr als 70 Jahren ungelöste Palästina-Problem satthaben", bemerkt die Zeitung KARAR aus Istanbul.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM glaubt: "Israel steht vor einer seit seiner Gründung beispiellosen Situation. Es hat nicht nur militärisch versagt, sondern auch eine moralische und politische Niederlage erlitten. Bislang ist es Israel gelungen, sein Image als Opfer eines angeblichen Vernichtungswillens der Palästinenser und Araber politisch erfolgreich zu vermarkten", heißt es bei AL AYYAM aus Ramallah, die kritisiert: "Die israelischen Angriffe gehen weiter, ganz so, als hätte das Land nicht schon genug Schwierigkeiten. Dies macht Israel in der internationalen öffentlichen Meinung zunehmend zu einem Paria-Staat."
JIEFANG RIBAO aus China geht auf die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch drei europäische Länder ein: "Der Druck der internationalen Staatengemeinschaft auf die israelische Regierung wird immer größer. Sowohl in Spanien als auch in Irland genießen die Palästinenser ein hohes Maß an Unterstützung, und Norwegen ist stets ein glühender Verfechter einer Zwei-Staaten-Lösung gewesen. Die Beziehungen Israels zu diesen europäischen Ländern werden aber zwangsläufig unter der Entscheidung leiden", erwartet JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Der Gast-Kommentator der israelischen JERUSALEM POST - ein Vertreter einer Dachorganisation für die Selbstverwaltung israelischer Siedlungen - glaubt, dass auch die USA einen palästinensischen Staat etablieren wollen - und weist dies weit von sich: "Nach dem Massaker vom 7. Oktober wäre die Gründung eine enorme Gefahr für die Existenz Israels und darüber hinaus eine moralische Schande."
Die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid geht nicht davon aus, dass Spanien den Friedensprozess mit seiner Entscheidung beschleunigen kann: "Die Tatsache, dass drei Viertel der internationalen Gemeinschaft den palästinensischen Staat bereits anerkannt hatten, als die Nachricht vom Massaker in Rafah kam, zeigt, dass die bloße Anerkennung die Palästinenser nicht ausreichend schützt."
Die Zeitung EL PAIS vermutet, dass die Anerkennung einen Paradigmenwechsel in Netanjahus politischem Kurs nötig machen wird: "Dieser war bisher ganz darauf ausgerichtet, die Existenz eines palästinensischen Staates zu verhindern. Er setzte auf die Kolonisierung und Besetzung des palästinensischen Territoriums und die Spaltung der Palästinenser und nahm dabei sogar in Kauf, dass sich die islamistische Terrororganisation Hamas im Gazastreifen festsetzte", unterstreicht EL PAIS, die ebenfalls in Madrid erscheint.
"Norwegen ist kein Feind Israels", hebt die norwegische AFTENPOSTEN hervor. "Die Anerkennung von Palästina als Staat lag schon lange in der Luft, und der Auslöser war nicht etwa eine Feindschaft zu Israel, sondern die aufrichtige Überzeugung, dass eine Zwei-Staaten-Lösung auch das Beste für Israel wäre. Israel hat das volle Recht, die Hamas zu bekämpfen. Aber es bekommt keinen Frieden mit sich und seinen Nachbarn, ohne nach einer Lösung für den Konflikt zu suchen, der seit der Staatsgründung 1948 existiert. Der Krieg muss aufhören, und es muss Hoffnung für die Zeit danach geben - sowohl für die Israelis als auch für die Palästinenser." So weit AFTENPOSTEN aus Oslo.
Zum nächsten Thema. Die russische NESAWISSIMAJA GASETA blickt auf den dritten Tag von Macrons Staatsbesuch in Deutschland: "Der französische Präsident verbrachte den letzten Tag seines Staatsbesuches in der Stadt Münster. Dort wurde ihm der Westfälische Friedenspreis verliehen – für 'unermüdliche Bemühungen' zur Bekämpfung der russischen Militäroperation in der Ukraine. Mit Bundeskanzler Scholz traf Macron auf Schloss Meseberg zusammen. Man kann davon ausgehen, dass der französische Präsident sich über die Zurückhaltung des deutschen Regierungschefs ärgert. Dieser will Kiew nicht mit Taurus-Marschflugkörpern versorgen, die Moskau erreichen könnten. Und Scholz ist auch nicht bereit, deutsche Truppen in die Ukraine zu schicken", führt die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau aus.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG stellt mit Blick auf Deutschland und Frankreich fest: "Nicht einmal Macrons Leidenschaft konnte die tiefen Interessengegensätze überdecken, die zwischen diesen Ländern seit Jahren bestehen. Im Gegenteil, je länger er sprach, desto klarer traten sie zutage. Der französische Präsident brachte in Dresden zum Beispiel eine gemeinsame Schuldenaufnahme ins Spiel, vor allem für Rüstungsprojekte. Das ist ein französischer Evergreen, der inzwischen so abgenudelt klingt, dass nicht einmal die Dresdner Kulisse davon ablenken konnte. Macron kann hier kaum auf deutsche Unterstützung hoffen, auch nicht von Kanzler Olaf Scholz", analysiert die NZZ aus der Schweiz.
Die französische Zeitung LE FIGARO betont: "Der deutsch-französische Motor ist noch weit davon entfernt, zu schnurren, aber Paris und Berlin suchen nach Wegen, um ihn wieder in Gang zu bringen. Zum Abschluss seines Staatsbesuchs legten Macron und Scholz ihre Meinungsverschiedenheiten beiseite und skizzierten Kompromisse beim Konfliktthema der europäischen Verteidigung. Der französische Staatschef konnte die deutschen Politiker zwar nicht mit seinen Vorschlägen begeistern, aber er scheint zumindest bei den Menschen in Deutschland gepunktet zu haben", beobachtet LE FIGARO aus Paris.
Zum Schluss noch ein Blick nach Nordkorea, das mit dem Versuch gescheitert ist, einen zweiten Aufklärungssatelliten ins All zu bringen - die Trägerrakete explodierte im Flug. Trotzdem meint die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN: "Die Bedrohung aus Nordkorea nimmt zu. Das Land will unbedingt einen Satelliten ins All schicken, weil es glaubt, dass dies unerlässlich ist, um das Militär der USA und Südkoreas gezielt attackieren zu können. Mit dem Abschuss einer ballistischen Rakete verstößt Nordkorea gegen eine UNO-Resolution. Der Sicherheitsrat hat bis 2017 elf Resolutionen einstimmig beschlossen, für die auch China und Russland gestimmt haben. Seitdem gab es keine einzige mehr, weil beide Staaten sie stets mit ihrem Veto blockieren", beklagt YOMIURI SHIMBUN aus Tokio, mit der die Internationale Presseschau endet.