01. Juni 2024
Die internationale Presseschau

Zahlreiche Zeitungen befassen sich erneut mit dem Urteil gegen den früheren US-Präsidenten Trump im Schweigegeld-Prozess. Außerdem geht es um den Ausgang der Parlamentswahl in Südafrika.

US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump nach Verlassen des Gerichtsverfahrens mit geschlossenen Augen.
Thema in den internationalen Zeitungen: Welche Auswirkungen hat der Schuldspruch gegen Donald Trump auf den US-Wahlkampf? (picture alliance / AP / Justin Lane)
Zu Trump notiert die Zeitung EL TIEMPO aus Kolumbien: "Es bleibt noch abzuwarten, welches Strafmaß der aus Kolumbien stammende Richter Juan Merchán festlegt. Es wird spekuliert, dass es eine hohe Geldstrafe wird, soziale Arbeitsstunden inbegriffen. Tatsächlich wird der Geschäftsmann Trump wegen einer solchen Strafsache wohl kaum hinter Gittern landen, zumal er noch nicht vorbestraft ist. Aber es ist gar nicht mal so wichtig, welche Strafe am Ende verkündet wird. Vielmehr erlebt die Welt gerade mit Erstaunen, dass sich die Supermacht USA in einer Lage befindet, die man noch vor ein paar Jahren für völlig undenkbar gehalten hätte: Ins Oval Office könnte ein verurteilter Straftäter einziehen", schreibt EL TIEMPO aus Bogota.
"Ob Staatschef oder Normalbürger – alle Menschen sind in einem Rechtsstaat vor dem Gesetz gleich", hält die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN aus Tokio fest: "Trump untergräbt mit seinen Aussagen indes das Vertrauen in die Justiz. Es ist besorgniserregend, dass das Urteil ihn sogar stärken könnte. Viele Republikaner glauben Trump einfach blind und betrachten Joe Biden automatisch als Feind. Dies zeigt, wie tief verwurzelt die Spaltung und das Chaos in den USA sind."
In der französischen Zeitung LE MONDE aus Paris ist zu lesen: "Trump hat seine Fans seit langem an seine Skandale gewöhnt, indem er sich selbst als Opfer eines Komplotts darstellt, das ihn zu Fall bringen soll. Die Republikanische Partei, die sich einst als 'Partei von Recht und Ordnung' begriff, hat dabei längst ihren moralischen Kompass verloren und stimmt jedem Trumpschen Angriff auf die Grundlagen der amerikanischen Demokratie zu."
Ähnlich sieht es die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo: "Die Republikaner haben sich nie mit Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol auseinandergesetzt, sondern stattdessen Kritiker aus der Partei gedrängt. Jetzt stehen sie erneut am Scheideweg. Sie sollten sich dafür entscheiden, die Demokratie gegen Trumps Angriffe zu schützen. Profilierte Politiker aus ihren Reihen sind die Einzigen, die jetzt die Gemüter beruhigen könnten."
"Die Republikaner sind noch dabei, sich an die neue Normalität zu gewöhnen, einen verurteilten Straftäter an ihrer Spitze zu haben", beobachtet die Zeitung USA TODAY: "Wenn man sich indes Trumps jüngste Auftritte ansieht und erkennt, dass sich seine Rhetorik weiter radikalisiert, ist es vielleicht an der Zeit, dass die Partei die Sache mit dem 'Präsidentschaftskandidaten' Trump noch einmal überdenkt. Nikki Haley stünde bereit."
Die kanadische Zeitung THE GLOBE AND MAIL aus Toronto kommt zu einem anderen Schluss: "Die Chancen einer erneuten Trump-Präsidentschaft sind mit dem Urteil drastisch gestiegen. Trump hat sich selbst bereits als 'politischen Gefangenen' bezeichnet, und er hat viele Verbündete. Die Vorstellung, dass irgendjemand in Amerika das Urteil zum Anlass nimmt, um über die übergeordneten Interessen des Landes nachzudenken, ist lächerlich. Die Gerichte sind nur noch Politik mit anderen Mitteln."
Der GUARDIAN aus London bemerkt: "Umfragen haben immer wieder ergeben, dass etwa jeder fünfte republikanische Wähler seine Unterstützung für Trump überdenken oder ganz aufgeben würde, wenn er ein verurteilter Straftäter wäre. Nun, dieser Tag ist gekommen. Für Joe Biden hat sich eine Tür geöffnet, aber er muss sie durchschreiten. Er muss sich endlich direkt an die abweichenden Republikaner wenden und sie auffordern, ihre Parteizugehörigkeit aufzugeben und ihm ihre Stimmen zu geben", fordert der britische GUARDIAN.
DIE PRESSE aus Wien wendet ein: "Vielleicht fehlt Trump am Ende die eine oder andere Stimme von Menschen, die partout keinen Delinquenten wählen wollen. Doch zuletzt lag er in fünf der sechs für die Präsidentenwahlen entscheidenden Bundesstaaten vorn. Ihm wird eine höhere Kompetenz in Wirtschaftsfragen als dem Amtsinhaber bescheinigt. Und Joe Biden laufen nicht nur Hispanics und Schwarze davon, sondern wegen des Gaza-Kriegs vor allem auch die jungen Wähler." Soweit DIE PRESSE aus Österreich.
"Die Vereinigten Staaten stehen im November vor einer existenziellen Entscheidung: Mit Joe Biden werden sie weiterhin eine Demokratie sein – mit Donald Trump wird diese Demokratie in Frage gestellt sein", ist sich die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau sicher: "Trump hätte nach dem Urteil sagen können, dass er das amerikanische Justizsystems akzeptiert. Stattdessen beschloss er, die Glaubwürdigkeit des gesamten Rechtsstaatssystems in den USA in Frage zu stellen, indem er behauptete, es sei ein manipulierter Prozess gewesen. Wenn er ins Weiße Haus zurückkehrt, wird er alles tun, um die Demokratie in die Luft zu jagen."
Die IRISH TIMES vermerkt: "Republikaner wie Demokraten werden mit besonderem Interesse die nächsten Meinungsumfragen abwarten, um zu sehen, ob sich Trumps Vorsprung vor Joe Biden in irgendeiner Weise verändert hat. Angesichts der Gräben und der Polarisierung in der gegenwärtigen amerikanischen Politik ist das eher unwahrscheinlich. Manche streiten sich immer noch darüber, ob Trump ein Symptom oder eine Ursache für die politische Spaltung und Dysfunktion seines Landes ist. In Wahrheit ist er beides", meint die Zeitung IRISH TIMES, die in Dublin erscheint.
Die türkische Zeitung SABAH aus Istanbul sieht es so: "Für Präsident Biden gibt es nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office fernzuhalten: Die Wahlurne. Denn laut US-Verfassung kann Trump selbst dann zum Präsidenten gewählt werden, wenn er im Gefängnis sitzt. Seine Anhänger sind ohnehin überzeugt, dass das Urteil gegen ihn politisch motiviert ist."
Themenwechsel. In Südafrika deuten die bisherigen Wahlergebnisse auf ein Ende der Alleinregierung des Afrikanischen Nationalkongresses, ANC, hin. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erklärt: "Diesmal scheint es passiert zu sein. Der ANC, Nelson Mandelas einst so stolze Partei, dürfte bei den Wahlen in Südafrika die Mehrheit verloren haben. Zum ersten Mal seit dem Ende der Apartheid vor genau 30 Jahren. Eine neue Epoche beginnt. Eine, in der der ANC sich Koalitionspartner suchen muss, die seiner Macht Grenzen setzen. Für Südafrika ist das eine gute Sache. Denn der ANC ist seit Jahren eine selbstherrliche Partei, die noch immer von der Vergangenheit als Befreiungsbewegung zehrt, sich aber schwertut, Ideen für die Zukunft des Landes zu entwickeln", führt die NZZ aus der Schweiz an.
Die südafrikanische Zeitung THE CITIZEN begrüßt den Ausgang der Wahl: "Das Ergebnis zeigt, dass die Südafrikaner genug davon haben, von der Regierungspartei belogen und getäuscht zu werden. Und so haben sie ihr die parlamentarische Mehrheit entzogen - ihr göttliches Recht, dieses Land zu regieren, als wäre es ihr Leben. Ganz gleich, welche Vorwürfe die Partei erheben mag - über Rassismus, über einen angeblichen 'Verrat an der Revolution' durch ihre Gegner - die Realität ist, dass die Verluste bei den Wahlen selbstverschuldet sind. Viele Parteifreunde, die ihr Leben und ihre Freiheit im gerechten Kampf gegen die Apartheid riskiert haben, sind bestürzt darüber, dass die Heimat von Nelson Mandela zu einem Hort von Dieben und Inkompetenten verkommen ist", urteilt THE CITIZEN aus Johannesburg.
Nach Ansicht der Zeitung NEWSWEEK aus New York hat der ANC durchaus Erfolge zu verzeichnen: "Trotz Korruption, Ungleichheit und anhaltender Armut ist Südafrika auch ein Land mit einer gewissen politischen Stabilität, mit einem stabilen Wirtschaftswachstum und umfangreichen ausländischen Investitionen. Der Verlust der absoluten Mehrheit für den ANC ist zugleich ein Zeichen für einen nationalen Reifeprozess. Es gibt uns die Hoffnung, dass Südafrika auf dem Weg zu einer echten Demokratie ist." Wir zitierten zum Ende der Internationalen Presseschau die Zeitung NEWSWEEK aus den USA.