
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG zieht ein eher pessimistisches Fazit: "Zwar hatte niemand einen großen Schritt in Richtung Frieden erwartet, zumal die politischen und militärischen Voraussetzungen dafür gar nicht gegeben sind. Aber solche Treffen haben zumindest das Potenzial, eine gewisse Signalwirkung zu entfalten. Auf dem Bürgenstock ist das nicht gelungen. Es gibt keinerlei neue, konsensfähige Modelle dafür, wie ein Frieden zu erreichen wäre. Vage und einfallslos ist in der Schlusserklärung die Rede davon, dass Russland einbezogen werden sollte. Diese Art der Konferenz-Diplomatie ist deshalb nicht der Königsweg in Richtung Frieden. Viel überzeugender ist es, die Ukraine militärisch und wirtschaftlich zu stärken, damit sie der russischen Aggression widerstehen kann", betont die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
DER STANDARD aus Österreich ist dagegen vorsichtig optimistisch: "Die Schweizer Regierung tat Präsident Wolodymyr Selenskyj einen großen Gefallen, indem sie es schaffte, nicht weniger als 57 Staats- und Regierungschefs nicht nur aus Europa und den USA, sondern vor allem aus Afrika, Asien und Lateinamerika an einen Tisch zu bringen. Allein die Tatsache, dass das überhaupt möglich war, darf als ein erster Erfolg gewertet werden. Bei den Erklärungen dutzender Regierungschefs konnte man große Übereinstimmung hören, dass es so nicht weitergehen könne. Der Anfang für ein Ende des Krieges und, über Umwege, eine spätere Friedenskonferenz könnte nun also gemacht sein", heißt es im STANDARD, der in Wien erscheint.
Die belgische Zeitung DE TIJD schreibt: "Ja, es gibt eine breite Unterstützung für die Ukraine - zumindest in Worten. Nein, Moskau ist nicht völlig isoliert. Das ist die Schlussfolgerung, die man aus dieser Konferenz ziehen kann. Wirkliche ernsthafte Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau zur Beendigung des Krieges sind dadurch kaum näher gerückt. Die Kämpfe vor Ort gehen weiter. Die Ukraine ist in der Defensive. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass es für Russland praktisch unmöglich ist, den Krieg zu gewinnen, weil die Ukraine starke Verbündete hat. Beide Lager sind zwar kriegsmüde. Aber noch ist keines von beiden bereit, schmerzhafte Zugeständnisse zu machen, die zu einer Friedensvereinbarung führen könnten", konstatiert DE TIJD aus Brüssel.
Der britische TELEGRAPH findet es schwierig, dass keine russischen Vertreter zu der Konferenz eingeladen wurden: "Moskaus Bereitschaft, wie auch immer geartete Friedensbedingungen zu akzeptieren, wird eines Tages entscheidend sein. Die territoriale Integrität der Ukraine wurde auf der Konferenz bekräftigt, aber genau das ist der Punkt, von dem eine endgültige Einigung abhängen wird. Selenskyj sagte, dass ein weiteres ähnliches Gipfeltreffen geplant sei, bei dem man 'das tatsächliche Ende des Krieges' festlegen könne. Die Wahrheit ist jedoch, dass vor den US-Präsidentschaftswahlen im November nichts passieren wird", ist sich THE TELEGRAPH aus London sicher.
"Die Veranstaltung verlief eindeutig nicht so, wie der ukrainische Präsident es erwartet hatte", resümiert die russische Regierungszeitung NESAWISSIMAJA GASETA: "Selenskyjs Friedensbedingungen bestehen aus zehn Punkten, von denen die wichtigsten die 'Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine' innerhalb der Grenzen von 1991 und der Rückzug der russischen Truppen hinter diese Grenzen sind. Ins Abschlusskommuniqué der Konferenz schafften es letztendlich nur drei der zehn Punkte dieser 'Friedensformel'. Sie alle betreffen die humanitären Aspekte des Konflikts und nicht die Bedingungen für dessen Ende. Allerdings fand auch diese reduzierte Version der Abschlusserklärung keine eindeutige Unterstützung", notiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
China war zwar zur Konferenz eingeladen, hatte eine Teilnahme aber abgelehnt. Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO erklärt das so: "Das Schweizer Format mit nur einer der beiden Konfliktparteien entsprach nicht der Vorstellung Pekings von einem Friedensgipfel. Dieses Ziel liegt noch in weiter Ferne, darüber können auch lobende Worte Selenskyjs nicht hinwegtäuschen. Zudem kann von Frieden nicht die Rede sein, solange die USA mit dem Ukraine-Krieg ihr Narrativ stützen, Russland sei eine Sicherheitsbedrohung für Europa. Unterm Strich bedeutet Chinas Abwesenheit aber nicht, dass China keinen Frieden will." Das war JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Nun in den Nahen Osten. Seit Beginn des Gaza-Krieges liefert sich die israelische Armee auch Gefechte mit der militant-islamistischen Hisbollah-Miliz, die vom Libanon aus operiert. Dazu schreibt die dänische Zeitung POLITIKEN: "Beide Seiten haben zehntausende Zivilisten aus dem Grenzgebiet evakuiert und ihre Angriffe so intensiviert, dass sich nur noch schwer erkennen lässt, ob die Grenze zum Krieg schon überschritten ist. Offiziell führt die Hisbollah ihre Angriffe aus Solidarität mit der Hamas und den Palästinensern in Gaza. Auf Seiten Israels sieht es wiederum so aus, dass die USA als wichtigster Verbündeter nicht vorhaben, die israelischen Streitkräfte von einem Krieg abzuhalten. Geht die Eskalation weiter, besteht die Gefahr, dass sich der Iran, Syrien, proiranische Milizen im Irak und die jemenitischen Huthi auf die Seite der Hisbollah schlagen, der Libanon kollabiert und die ganze Region in einen Großkonflikt gezogen wird - der reine Wahnsinn", warnt POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM bezweifelt, dass es im Gaza-Streifen bald zu einer Waffenruhe kommt: "Israel verfolgt weiterhin seine Prioritäten, darunter die vollständige Eliminierung der Hamas. Alle Spekulationen, Israel könne in Folge einer US-Initiative die Waffen schweigen lassen, sind darum nichts als Propaganda, die darauf abzielt, Israel als Akteur darzustellen, der sich an internationale Resolutionen hält. Sollte es tatsächlich irgendwann zu einer Einigung und einem Waffenstillstand kommen, dürfte Israel das wohl teuer zu stehen kommen. Denn das Land hat seine militärischen Machtziele nicht erreicht. Es wird künftig dazu gezwungen sein, den Rest seines Ansehens zu wahren. Darum dürfte Israel einer Einigung nur widerwillig zustimmen", ist sich AL AYYAM aus Ramallah sicher.
Zum Schluss geht die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN ein auf die Vorbereitung der Parlamentswahlen in Frankreich, bei denen sich der rechtsnationale Rassemblement National (RN) große Chancen ausrechnet: "Der RN etabliert sich langsam aber sicher in Frankreichs breiter Bevölkerung. Die Partei verspricht in ihrem Wahlprogramm unter anderem eine Senkung der Umsatzsteuer für Strom und Gas von 20 auf 5,5 Prozent und mehr Unterstützung für die Landwirtschaft. Sie verzichtet bewusst auf extremistische oder rassistische Äußerungen, und diese Strategie scheint voll aufzugehen. Ob der RN die Parlamentswahl auch tatsächlich gewinnt, ist aber nach wie vor unklar, denn es gibt immer noch Wähler, die sich deutlich gegen Rechtsaußen positionieren. Unklar ist auch, ob der RN seine Wahlversprechen angesichts der schlechten französischen Haushaltslage wird umsetzen können", bemerkt NIHON KEIZAI SHIMBUN.
Auch die chilenische Zeitung LA TERCERA blickt auf die politischen Entwicklungen in der EU: "Der Vormarsch nationalistischer und ultrarechter Parteien in Europa zeigt, dass ein Teil der Bevölkerung der EU-Staaten unzufrieden mit dem europäischen Projekt ist. Immer mehr Wähler stimmen für Parteien, die sich kritisch gegenüber der EU zeigen. Aufgrund der Erfahrungen mit dem Brexit sind die Aufrufe zu einem Austritt aus der Union leiser geworden, aber stattdessen ertönt die Forderung nach einer Reform der EU, die mehr Kompetenzen von Brüssel zurück auf die einzelstaatliche Ebene verlagert. Entscheidend für die Zukunft der EU wird sein, wie man mit damit umgeht." Das war LA TERCERA aus Santiago de Chile, und damit endet die Internationale Presseschau.