18. Juni 2024
Die internationale Presseschau

Zahlreiche Kommentare befassen sich erneut mit der Ukraine-Konferenz in der Schweiz sowie der Situation im Nahen Osten. Zunächst geht es aber um das Renaturierungsgesetz, das von den EU-Staaten beschlossen wurde.

    Lünen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland - Hochwasser an der Lippe, Fluss im Ruhrgebiet, die Felder, die landwirtschaftlichen Flaechen der Bauern neben dem Fliessgewaesser werden ueberflutet, dienen als Retentionsflaechen, Ueberflutungsflaechen dem Hochwasserschutz. Hochwasser an der Lippe, Lünen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
    Die Ökosysteme sind in Europa vielerorts in einem schlechten Zustand. Das Renaturierungsgesetz der EU soll zur Wiederherstellung der Natur dienen. Um den Kompromiss hat die EU lange gerungen. (IMAGO / Rupert Oberhäuser)
    "Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur in Europa ist die richtige Reaktion auf die Klimakrise und die Bedrohung der biologischen Vielfalt", lobt dieIRISH TIMES aus Dublin: "Die wichtigste Aufgabe der EU ist es nun, auch das Vertrauen der Kritiker zu gewinnen, insbesondere von Landwirten und Fischern. Denn ironischerweise sind sie es ja, die unter den unmittelbaren Auswirkungen von extremen Wetterereignissen wie Dürren oder Überschwemmungen besonders leiden. So fallen immer mehr Ernten aus. Zugleich bedroht die Überfischung der Meere ganze Wirtschaftszweige."
    Die französische Zeitung LA CROIX aus Paris hält fest: "Der Gesetzestext, der Gegenstand zahlreicher Kontroversen war und mehrfach neu verhandelt wurde, um ihn insbesondere für den Landwirtschaftssektor annehmbar zu machen, ist ein Fortschritt für den Naturschutz. Vor allem, da 70 Prozent der Böden in schlechtem Zustand und fast die Hälfte der in Europa vorkommenden Baumarten vom Aussterben bedroht sind."
    "Der Umweltschutz in der EU steht vor einer ungewissen Zukunft", kommentiert die spanische Zeitung EL PAIS mit Blick auf den Rechtsruck bei den Europa-Wahlen. "Der Einfluss der Klimawandelleugner und Populisten wird weiter zunehmen. Das zeigen bereits die Zugeständnisse, die Brüssel gemacht hat, um das Renaturierungsgesetz doch noch durchzusetzen. Dass die grüne Agenda aus wahltaktischem Kalkül kein vorrangiges Thema mehr ist, ist aber ein unverantwortlicher Luxus, den sich die EU nicht leisten kann. Der Klimawandel ist nicht mehr einfach nur eine Bedrohung, sondern inzwischen eine unbestreitbare Realität", erinnert EL PAIS aus Madrid.
    In Österreich hat die Verabschiedung des EU-Renaturierungsgesetzes eine Regierungskrise ausgelöst. Der STANDARD aus Wien notiert: "Umweltministerin Leonore Gewessler nahm ihre Berufsbezeichnung ernst, sie stimmte auf EU-Ebene einem lange vorbereiteten Gesetz zu, das die Renaturierung zum Ziel hat. Bundeskanzler Nehammer kündigte daraufhin an, das Gesetz beim Europäischen Gerichtshof bekämpfen zu wollen. Darüber hinaus zeigt die ÖVP die grüne Ministerin wegen Amtsmissbrauchs an. Abgesehen davon, dass sich Österreich in der EU der Lächerlichkeit preisgibt: Die Koalition ist an ihrem Ende angelangt", ist sich der STANDARD aus Österreich sicher.
    Die Zeitung DIE PRESSE, die ebenfalls in Wien erscheint, sieht es so: "Gewessler hat mit Anlauf – vermutlich – gegen Verfassungsrecht verstoßen. Und das als Vertreterin einer Partei, deren Exponenten sich in den vergangenen Jahren als unübertreffliche Hüter des Rechtsstaats gerierten. Die Koalition bekämpft sich nun juristisch, politisch macht sie weiter."
    Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA befasst sich mit den Verhandlungen über die Besetzung der Spitzenposten in der EU: "Letzte Woche einigten sich die Staats- und Regierungschefs Italiens, Deutschlands und Frankreichs am Rande des G7-Gipfels darauf, Frau von der Leyen für weitere fünf Jahre an der Spitze der Europäischen Kommission zu behalten. Der Grund für das Festhalten an ihr ist die wachsende Instabilität nicht nur außerhalb der EU, sondern auch innerhalb ihrer Grenzen. Allerdings stellt sich die Frage, ob Brüssel nicht genau umgekehrt hätte reagieren sollen: mit einer Personalrevolution, die vielleicht den seit Jahren anhaltenden Anstieg der Europa-Skepsis gestoppt hätte", gibt RZECZPOSPOLITA aus Warschau zu bedenken.
    Themenwechsel. Zur Abschlusserklärung der internationalen Ukraine-Konferenz in der Schweiz schreibt die Zeitung LA RAZON aus Mexiko-Stadt: "Die Erklärung ist keine solide Grundlage für einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine. Mehr als ein Dutzend Staaten, darunter Indien, Brasilien und Mexiko, lehnten eine Ratifizierung ab, weil Russland nicht eingeladen worden war. Solange die Ukraine um eine Aufnahme in die von den USA geführte NATO ringt, gibt es auch keine Grundlage für Verhandlungen. Der Gipfel in der Schweiz ist gescheitert."
    Ähnlich argumentiert die Zeitung MÜSAVAT aus Baku in Aserbaidschan: "Das Format dieses Gipfels machte von Anfang an klar, dass es keine Suche nach Frieden geben würde. Weil Russland ausgeschlossen wurde und China sich weigerte, teilzunehmen."
    Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG vermerkt: "Gerade in vielen traditionell russlandfreundlichen Staaten hält sich hartnäckig die Ansicht, Kiew habe mit seiner Hinwendung zum Westen den Krieg selbst verschuldet und Russland verteidige sich nur dagegen, dass die NATO in seine Einflusssphäre vordringe. Es geht im Ukraine-Konflikt aber nicht darum, zwischen Russland und dem Westen zu wählen. Im Zentrum steht die Achtung der elementaren Prinzipien des Völkerrechts, deren Verteidigung im Interesse aller friedliebenden Staaten ist", betont die NZZ aus der Schweiz.
    "Besonders schwierig zu verstehen ist die Haltung von China, das nicht einmal an der Konferenz teilgenommen hat", findet die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio: "Und das obwohl das Land behauptete, 'für die Vermittlung eines Friedens eine konstruktive Rolle übernehmen' zu wollen. In Wahrheit hat Peking entschieden, sich auf die Seite Moskaus zu stellen und die Gespräche über Frieden zu hintergehen. Diese Haltung Chinas muss international offen kritisiert werden."
    "Die Mitläufer Russlands behaupten, für den Frieden zu sein", stellt die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET heraus: "Diese Botschaft kursiert im wesentlichen in zwei Varianten. Die eine ist der Verschwörungsmythos, wonach in Wahrheit Russland wahlweise von der NATO oder von Nazis angegriffen wurde und sich in der Ukraine verteidigen muss. Die andere kommt gönnerhaft einher: Durch die Verteidigung gegen Russland werde nur das Leid der ukrainischen Bevölkerung verlängert, da die Niederlage gegen den stärkeren Gegner ohnehin feststehe. Beides ist gelogen. Die Friedenskonferenz in der Schweiz hat gezeigt: Länder, die füreinander einstehen, sind stärker sind als ein einzelner Aggressor", ist die Zeitung SVENSKA DAGBLADET aus Stockholm überzeugt.
    In Israel hat Ministerpräsident Netanjahu das Kriegskabinett aufgelöst. In der chinesischen Staatszeitung JIEFANG RIBAO ist zu lesen: "Nun da das Symbol für die parteiübergreifende Einheit Israels im Krieg gegen die Hamas zerbröckelt ist, werden die innenpolitischen Differenzen wieder viel deutlicher zutage treten. Dies wird nicht zwangsläufig zum Kollaps der Regierungskoalition führen. Eine Folge könnte aber sein, dass die rechtsextremen Koalitionspartner von Netanjahu nun stärkeren Einfluss auf militärische Entscheidungen nehmen werden, was dieser bisher zu verhindern wusste. Dies wiederum könnte bedeuten, dass ein Waffenstillstand in weite Ferne rückt und der schwelende Konflikt mit der Hisbollah im Libanon ebenfalls eskalieren wird", prognostiziert JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
    "Der kürzliche Rückzug von Netanjahus Rivalen Benny Gantz aus dem Kriegskabinett machte das Gremium für die Politikgestaltung überflüssig", analysiert der GUARDIAN aus London: "Die Auflösung mag deshalb politisch zunächst keine Auswirkungen haben, aber sie schwächt Netanjahu noch mehr. Es entzieht ihm seine Legitimität und engt seinen Handlungsspielraum ein. Er hat nicht nur das Debakel vom 7. Oktober zu verantworten, nicht nur die Führung des Krieges, sondern auch die vor ihm liegenden Wochen - und jetzt steht er allein da."
    Die palästinensische Zeitung AL QUDS bemerkt: "Netanjahu hält auch jetzt an seinem alles andere überragenden Ziel fest: Er will einen Sturz seiner Regierung verhindern, und sei es um den Preis des verheerenden inneren Konflikts, den Israel derzeit durchläuft. Aus diesem Grund verweigert er sich allen Forderungen, die Geiseln zurückzuholen oder den Krieg zu beenden."